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erwiderte Toms Blick durch seine verspiegelte Sonnenbrille, schaute dann einmal ganz besonders geringschätzig an der Fassade der Geisterbahn auf und ab und wandte sich schließlich an das Mädchen neben ihm.

      »Also, nee. Das Ding sieht total vergammelt aus. Guck mal, da oben bei dem Uhu sind die Glühbirnen kaputt, und die Geisterfigur da bewegt sich, als hätte sie ein Gipsbein. Nee, für zwei fuffzich kaufen wir uns lieber was zu trinken, und ich erschreck dich selbst.«

      Doch bevor er seine Freundin am Arm wegziehen konnte, hob Tom die Hand und beugte sich den beiden aus dem kleinen Kassenhäuschen der Geisterbahn entgegen. »Vorschlag. Ihr steigt jetzt einfach ein, ohne zu bezahlen, und ich bekomme das Geld hinterher – und zwar nur dann, wenn ihr euch gegruselt habt.«

      Der Junge sah Tom verwundert an. Auch dem Mädchen war deutlich anzusehen, dass sie den Vorschlag irgendwie seltsam fand.

      Tom wartete geduldig auf eine Antwort. An diesem Mittwochvormittag war bis auf ein paar Kindergartengruppen, die sich um das Entenangeln und das Dampfkarussell scharten, eh nicht viel los auf dem Rummelplatz. Für Kinder unter sechs Jahren war die Schreckensfahrt auf jeden Fall zu gruselig, also waren die beiden Jugendlichen vor ihm die einzigen potenziellen Kunden weit und breit. Da konnte er auch mal eine Fahrt verschenken, und wenigstens sah es dann so aus, als hätten sie Besucher.

      »Okay«, ließ sich da der coole Sonnenbrillentyp vernehmen, woraufhin seine Freundin überrascht zu ihm rüberguckte.

      Doch der winkte ab. »Was denn, Lena? Kann ja nicht viel krasser sein als der Horrorfilm, den wir am Wochenende mit Basti geschaut haben, oder? Schau dir den alten Kasten doch mal an. Was bitte soll uns da groß erschrecken? Ich hab allerhöchstens Angst, dass das Ding zusammenklappt, bevor wir auf der anderen Seite wieder rausgeschaukelt sind.«

      Tom lächelte so freundlich, dass man fast hätte Verdacht schöpfen können, und deutete höflich in Richtung des Einstiegs. »Bitte, hier entlang. Viel Spaß.«

      Er sah deutlich, dass das Mädchen der Einladung eher unwillig folgte. Aber auch sie wollte sich nun doch keine Blöße geben und setzte sich schließlich neben ihren Freund in den nächsten Wagen, der vor ihnen seine ruckelnde Fahrt verlangsamt hatte.

      Kaum waren die beiden hinter dem Fallgitter in der Dunkelheit verschwunden, warf Tom seine telepathische Verbindung an. Achtung, Leute, hier kommt ein Härtefall! Also, nur der Typ, nicht das Mädchen. Hab ihm gesagt, er muss nur zahlen, wenn er sich gruselt.

      Alles klar, antwortete das Geistermädchen Mimi direkt in seinem Kopf, wir kümmern uns um ihn.

      »Und? Spaß gehabt?«, fragte Tom den Jungen ein paar Minuten später. Zumindest musste es sich bei dem schlotternden Stück Gelbwurst um den gleichen Jungen handeln, der vorhin mit seiner Freundin in die Gondel gestiegen war. In der Geisterbahn hatte er schließlich keine Möglichkeit gehabt, sich gegen sein eigenes Wurstdouble einzutauschen. Der Junge brachte kein einziges Wort heraus und starrte geradeaus nach nirgendwo.

      »Also ich fand’s suuuuper!«, antwortete stattdessen das Mädchen ganz begeistert. »Das Geistermädchen hat mir die Hand für ein High Five entgegengestreckt, und meine Hand ist einfach durch sie durchgeglitten, das war voll cool! Und der Zombie war ja mal richtig niedlich mit seinem Kuschelhasen. Und sag mal, wie habt ihr das gemacht, dass die Mumie mir voll in die Augen schaut und sich so höflich verbeugt? Das war der Wahnsinn!«

      Tom grinste breit und betätigte den alten, rostigen Hebel, der den Transport der Gondeln unterbrach. »Na ja, wir haben einfach echte Geister und Untote in der Geisterbahn angestellt. Sind wirkungsvoller als unechte und lungern nicht auf Friedhöfen rum.«

      Das Mädchen lachte laut, und Tom fiel auf, dass ihr das ziemlich gut zu Gesicht stand. »Haha, na klar, das erklärt natürlich alles! Warum machen das nicht alle Geisterbahnen so?«

      »Keine Ahnung.« Tom zuckte schelmisch mit den Achseln. »Ist auf jeden Fall wirkungsvoll und deutlich billiger.« Und das war, ebenso wie alles andere, nicht gelogen.

      Dann deutete er auf das Ding neben ihr. »Ich glaube, seine Knie sind noch nicht voll einsatzfähig. Magst du mir vielleicht helfen, deinen Freund aus der Gondel zu wuchten?«

      »Meinen Freund? Wir sind nicht … Also wir sind nur …«, stammelte das Mädchen kurz und bemerkte dann, dass Tom sie fragend ansah. Ein rötlicher Schatten bildete sich auf ihren Wangen, und sie wedelte kurz mit beiden Händen durch die Luft. »Äh … nein, nein, warte, ich dachte, du meinst Freund wie fester Freund oder so, aber warum solltest du, ich meine, du kennst mich ja gar nicht, und warum würdest du … okay, ich denk wieder mal zu viel drüber nach, was andere denken, tut mir leid, vergiss es. Vergiss alles, was ich gesagt hab, okay?« Während des kleinen Monologs war sie immer röter geworden, und Tom war es jetzt plötzlich unangenehm, sie in diese Situation gebracht zu haben.

      »Ich hab gar nix gemeint oder gedacht, wirklich nicht. Alles gut«, beeilte er sich zu erklären, »aber bitte lass uns deinen … Kumpel … mal da unten auf die Stufe setzen.«

      Das Mädchen nickte, und wollte auf der anderen Seite aus der Gondel steigen. Doch Tom deutete auf das Warnschild mit der Aufschrift ›Bitte links aussteigen‹.

      »Komm bitte hier rüber«, sagte er und trat zur Seite, um sie vorbeizulassen. Dann kletterte er über die Gondel auf die andere Seite, und sie griffen dem Jungen gemeinsam unter die Achseln.

      Der reagierte immerhin passiv auf die Aufwärtsbewegung, stieg etwas tapsig, aber unfallfrei aus dem Wägelchen und sackte nach ein paar Schritten auf der untersten Stufe vor der Geisterbahn zusammen. Dort starrte er weiter vor sich hin, und Tom hatte das unbestimmte Gefühl, ihm vielleicht doch besser mal den Puls fühlen zu müssen.

      Mimi?, rief er gleichzeitig telepathisch, was habt ihr denn mit ihm gemacht, um Gottes willen? Ihr solltet ihn nur ein bisschen erschrecken und nicht fürs Leben zeichnen!

      Ich hab nix gemacht!, antwortete ihm das Geistermädchen. Ehrlich nicht! Und nach einer Pause. Also … nur ein bisschen.

      Der Typ blinzelt nicht mal, verdammt!, schimpfte Tom in Gedanken zurück. Was mach ich denn jetzt mit dem?

      Der erholt sich schon wieder, ließ sich da die grummelige Stimme von Toms Onkel Welf vernehmen. Lass ihn doch einfach ein bisschen da sitzen, bis er merkt, dass sein Arm noch dran ist.

      W… was?, stammelte Tom stumm in Richtung Geisterbahn, während er den Ärmel des Jungen hochrollte, um das Handgelenk auf der Suche nach etwas Ähnlichem wie einem Pulsschlag abzutasten.

      »Was hat er denn?«, fragte da das Mädchen neben ihm. »Das war doch alles gar nicht schlimm.«

      »Für dich nicht, hahaha«, lachte Tom zu laut und zu künstlich, während er gleichzeitig versuchte, etwas Leben in die bleiche, schwitzige Hand des Jungen zu rubbeln. »Jeder reagiert anders auf … auf das, was wir da drin … bieten. HAHA. Ähm. Haha.«

      Nervös griff Tom mit beiden Händen zu und drehte den Kopf des Jungen zu sich. »Hey. HALLO. Alles okay?«

      Da schrie der Kerl plötzlich wie am Spieß und schlug wie verrückt um sich. »Waaahh! WAHH! LASST MICH! GEHT WEG!«, schrie er, verlor dabei die Balance, rutschte von der Stufe und landete ziemlich unsanft auf dem staubigen Kies darunter. Dort krabbelte er ungelenk rückwärts wie ein betrunkener Taschenkrebs, weg von der Geisterbahn.

      »Hey Luca, ich bin’s, Lena!«, rief das Mädchen erschrocken. »Es ist alles gut, das war doch nur …«

      »Nur? Nur!?«, blökte der Junge namens Luca so laut über den Rummelplatz, dass sich die Kindergartenkinder tatsächlich für wenige Sekunden vom Entenangeln abwendeten.

      Luca krabbelte zu Lena und krallte sich an ihrer Jacke fest. »Das Gespenst hat mir ins Ohr geflüstert, die Mumie wollte meine Augen für ein Murmelspiel! Dann hat mir ein Werwolf die linke Hand abgebissen und sie dem Zombie gegeben, der mir damit am Ende zugewunken hat!«

      Stumm schaute Lena an Luca herab.

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