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beäugt wird. „A great place to go“ nickte er anerkennend, und wünschte gute Weiterreise. Einchecken müssen wir aber erst um 21 Uhr. Zeit also, uns von der Speisekarte unseres Hotels nochmals überreden zu lassen und die restlichen Stunden mit Blick auf das Meer und seine Schiffe, einem trockenen Weißen und köstlichen Meeresfrüchten zu genießen und auf das Kommende anzustoßen.

      Der Bus zum Fährhafen war pünktlich, und als wir einchecken sind die maximal 80 Fahrzeuge längst im Bauch der 125 Meter langen und 28 Meter breiten M.V. Kennicot verstaut. Je zwei Nächte und Tage werden wir mit dieser Fähre unterwegs sein, die über vier Decks und 100 Kabinen verfügt, und 750 Passagieren Platz bietet. Beim „Purser“ ging aufgrund unserer Vorbuchung alles sehr schnell, und nach kaum zehn Minuten an Bord konnten wir schon in die 4-Bett-Außenkabine mit Dusche und WC, die wir allein nutzen, einziehen. Der 163 $-Aufschlag, der dafür zusätzlich neben den 260 $ Beförderungskosten auf der Rechnung stand, war absolut in Ordnung. Die Reise durch Alaskas südliche Insel-Küstenwelt mit maximal 17 Knoten Geschwindigkeit kann also beginnen.

      Diese Route vor der grandiosen Kulisse der mit Schnee und Eis bedeckten Küstengebirge verlockt natürlich auch zu Abstechern, die rechts und links am Wegesrand liegen, weil die Fähren unterwegs mehrere Häfen anlaufen. Man muss sie aber vorher einkalkuliere und die Reise unterbrechen, weil die Zeit vor Anker nur selten für die angebotenen Ausflüge ausreicht. Wer wenig Zeit hat, wählt besser nur ein Teilstück, als durch weglassen zu straffen. Auch ein paar Schlechtwettertage muss man in Südwest-Alaska immer einkalkulieren, denn wer sie dann aussitzen kann, profitiert. Wir haben uns für die Version „Überblick verschaffen und vielleicht gezielt wiederkommen“ entschieden, denn wer weiß schon vorher ganz genau, wie ihm das alles gefallen wird? Natürlich hatten wir in unserer Reisekalkulation auch genügend Zeit für das eine oder andere Zufällige oder Unbekannte eingebaut, dass uns aber dieser Teil der Welt, bei aller Begeisterung für Afrika oder auch andere Regionen auf unserem Globus, so faszinieren sollte, davon hatten wir momentan wirklich noch keinen Schimmer.

      Obwohl die Zeit der „Last Frontier“ längst vorüber ist, sind die 586.000 Quadratmeilen Alaskas noch immer das große, von Menschen kaum veränderte Land, um Wildnisse zumindest von Schotterstraßen aus zu erleben. Und zusammen mit dem Nordwesten Kanadas zählt dieses Gebiet zweifellos zu den großartigsten Landschaften unserer Erde. Und hier, nördlich des 60. Breitengrades und eingerahmt von Hudson Bay, Eismeer und der Beringsee wurden nicht nur Pioniergeschichten geschrieben. Hier lebt auch der Geist von Einsamkeit, Wildnis und „der letzten Grenze“ fort. Und wo zieht jene unsichtbare Linie ihre Bahn um dieser großen Weite ein Gesicht zu geben? Sie schneidet westlich von Alaska die Nordspitze der Kamtschatka Halbinsel, eilt durch Sibirien, tangiert St. Petersburg, Oslo, berührt die Südspitze von Grönland, halbiert in etwa die Hudson Bay, zieht zwischen Whitehorse und Juneau weiter nach Seward und trifft nach der Bering-See wieder auf die Nordostseite Kamtschatkas. Und zumindest für uns Europäer ist es eine Welt, die wir zu Hause, bei aller Schönheit unserer Heimat, nicht kennen. Weglose, unendliche Wälder, donnernde Wasserfälle und mehr als dreitausend Flüsse, von denen der Yukon als drittlängster nordamerikanischer Fluss über mehr als 2.000 Meilen durch das Land zieht. Hier gibt es mehr aktive Gletscher und Eisfelder als in der restlichen bewohnten Welt, und der Malaspinta ist mit 850 Quadratmeilen ihr größter. Mehr als drei Millionen glitzernden Seen, große und kleine, bekannte und namenlose, und siebzig aktive Vulkane sind hier zu finden. Der größte Ausbruch, der des Novarupta von 1912, kreierte das „Valley of Ten Thousand Smokes“, das heute Teil des „Katmai National Monuments“ ist. Im nördlichsten Bundesstaat der USA gipfeln 17 der 20 höchsten Berge des Kontinents in den Himmel, darunter auch der höchste, der 6.194 Meter hohe Mount McKinley. Und wer diesen, zu den „Seven Summits“ zählenden Eisriesen und seine Nachbarn bei strahlendem Sonnenschein im Kleinflugzeug umrundet und auf einem seiner Gletscher landet, wird dieses grandiose Erlebnis niemals wieder vergessen.

      An den Küsten ragen steile, tiefe Fjorde aus dem Meer, und im Inneren strecken sich karge Tundra-Ebenen bis zum Horizont. Und dort, wo die Schotterstraßen in dieser einzigartigen Natur enden, setzt der Tourist seine Reise fort mit Fähren, Booten, Pferden oder einem Buschpiloten. Und jeder erschließt sich dieses Land auf seine Art. Mit Auto oder Wohnmobil, nützt rustikale Camps, Blockhütten oder Luxus-Lodges; geht wandern, klettern, reiten, fischen oder befährt weiß schäumende Wildwasserflüsse, besucht historische Farmen, restaurierte Pelzhandelsplätze, Pionierstationen und Indianersiedlungen. Und wenn seine Vorliebe den Tieren gilt, auch dann ist er in Alaska am richtigen Platz, weil in diesem großen Land, dessen Hauptstadt Juneau als einzige der amerikanischen Bundesländer keinen Straßenzugang hat, auch so großartige Geschöpfe wie Bären, Elche, Karibus, Moschusochsen oder Wale unterwegs sind.

      In den großen Nationalparks geht man nicht direkt ins Hinterland, sondern wendet sich an Ranger, Boots- oder Trail-Führer. Das erspart genauere Orts- und Verhaltenskenntnisse und schützt vor unbedachten Unternehmungen. Die Landkarten sollte man nicht mit europäischen Augen betrachten, denn die Entfernungen können gewaltig sein, und viele Ortschaften sind oft nicht mehr als Service-Stationen. Tankstelle, Motel, ein paar Gewerbe und eine Handvoll Häuser. Gemütlich und schön sind die meisten sowieso nicht, doch Ausnahmen wie Dawson City, Skageway oder Ketchigan mit ihrem speziellen Flair, oder größere Zentren wie Anchorage oder Fairbanks finden sich natürlich auch. Was sich jedoch aneinanderreiht, das sind beeindruckende Landschaften. Und einen großen Teil davon erschließt der Alaska Highway, der heute asphaltiert von Dawson Creek bis nach Fairbanks zieht, obwohl es ab Delta Junction eigentlich der Richardson Highway ist, der die letzte Lücke schließt.

      Und dort, wo die Berge auf das Meer treffen und sich der schmale Festlandstreifen Südostalaskas am Westhang der Küstengebirge ausbreitet, kommt auch der Schiffs-Tourist erstmals mit „Southeast“ in Kontakt. Von üppigem Pazifischen Regenwald überwuchert drängt sich das wegen seiner Pfannenstilform „Panhandle“ genannte Gebiet rund 800 Kilometer nordwärts und ringt, zusammen mit seinen unzähligen vorgelagerten Inseln dem Meer etwa 50 Kilometer Breite ab. Und die wichtigste Verkehrsader dieser Region ist die Inside Passage. Für die kleineren Boote der Fischer ebenso, wie für die strahlend weißen Kreuzfahrtschiffe oder die großen Fähren. Unterwegs schicken die Eisfelder der Bergzüge zahlreiche Gletscher hinunter zur fjorddurchfurchten Küste, wo der dunkle, dichte „Tongass National Forest“, der größte Regenwald dieser Art auf unserem Globus, an den Wassern des Ozeans sein Ende findet. In den Fluten tummeln sich Wale, Seelöwen, Seeotter und riesige Heilbutts, und von felsigen Inseln schwingen sich Adler, Reiher und viele Arten von Seevögeln in die Lüfte. Kühle, feuchte Sommer und milde, schneereiche Winter sorgen für gewaltige Zedern, Hemlocks, Fichten, Farne und Moose und verleihen diesen Wäldern ein märchenhaftes Flair.

      Und nur dann, wenn kontinentale Eiseskälte aus dem Landesinneren durch die Fjorde weht und der Kuro-Shiwo-Strom kein warmes Meerwasser aus japanischen Gewässern heranspült, dann sinken auch in diesen fischreichen Gewässern die winterlichen Temperaturen unter den Gefrierpunkt. Unterwegs wird die Fahrrinne für die großen Fähren hier und dort sogar so eng, dass diese „Narrows“ nur bei Flut befahren werden können und jeder ihrer Meter haarscharf navigiert werden muss. Diese schmalen Passagen, ganz besonders die zwischen Wrangell und Petersburg als auch Juneau und Sitka, bestimmen auch die unterschiedlichen Abfahrtszeiten, denn die Fahrpläne müssen sich dem Wechsel zwischen Ebbe und Flut anpassen.

      Südostalaska ist auch die Heimat der Bären, Indianer und deren Geschichten. Noch heute erhalten Zweige der Tlingit, Haida und Ts’imschian ihre Kultur durch Musik, Tanz und Kunst lebendig. Dass diese Ureinwohner ihre künstlerischen Fähigkeiten so verfeinern konnten, lag an der Fülle, mit der ihre Gewässer gesegnet waren. Robben, Seeottern, Heilbutt, Lachs, Krabben und Langusten versorgten die Indianer dieser Region so reichhaltig mit Nahrung, dass ihnen viel Zeit blieb, sich ihrer handwerklichen Kunst zu widmen. Und besonders dort, wo heute die großen Touristenschiffe anlegen, findet sich zwischen den üblichen Angeboten auch so manches großartige Stück, das allerdings auch nicht „verschenkt“ wird. Zu finden sind hier auch die Spuren skandinavischer, russischer und anderer Pioniere, oder die der Goldsucher, und sie alle haben ihren Einfluss hinterlassen. Ziemlich gründlich waren auch die Pelzjäger, denn sie hatten die Otter fast ausgerottet. Aber richtig, und ziemlich plötzlich, aufgewacht ist der nördliche Riese Alaska, der nach dem Kauf durch Amerika noch länger schlief, jedoch

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