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Thor. Martin Arnold
Читать онлайн.Название Thor
Год выпуска 0
isbn 9783944180168
Автор произведения Martin Arnold
Жанр Религия: прочее
Издательство Автор
Thor von Arthur Rackham, 1910.
Die Erzählung vom Baumeister
Die Schlachten Thors gegen die Riesen folgen in der Mythologie keiner strikten Chronologie, außer jener, die den eschatologischen Schritt von der Schöpfung zur Ragnarök anzeigt. Manchmal erscheint es im Rückblick, als könnten sich die Mythologie, so wie sie erhalten geblieben ist, und die erzählerische Logik nicht ohne weiteres einander angleichen. Doch wie dem auch immer sei, eine Erzählung, die möglicherweise die erste ist, in der Thor in seiner wichtigen Rolle als Riesentöter erscheint, ist die Geschichte vom Baumeister. In diesem Mythos wird der mutmaßliche Ursprung des Konfliktes zwischen Göttern und Riesen beschrieben. Die einzige vollständige Erzählung dieser Geschichte finden wir in der ‚Gylfaginning’, wo unter dem Vorwand, die Abstammung von Odins Pferd Sleipnir zu erklären, die Verbindung zu Gylfi gezogen wird.
Die Episode findet kurz nach dem Krieg der Asen gegen die Wanen statt, als die Götter beschließen, Asgard zu befestigen. Während Thor gerade unterwegs auf einem seiner Feldzüge gegen die Riesen ist, beauftragen die Götter einen Steinmetz aus dem Lande der Riesen mit den Bauarbeiten. Als Lohn verlangt der Steinmetz die Sonne, den Mond und die Fruchtbarkeitsgöttin Freyja – ein Preis, der das Ende allen Lebens bedeuten würde. Im Glauben, diese Konsequenzen umgehen zu können, setzen die Götter eine Strafklausel in den Vertrag ein, nach der die Bezahlung verwirkt ist, wenn die Befestigung nicht binnen eines Winters fertig gestellt wird. Außerdem soll der Baumeister seine Arbeit ohne jegliche Hilfe verrichten. Loki macht ihm eine Art Zugeständnis, indem er sich damit einverstanden erklärt, dass der Steinmetz ein Pferd einsetzen darf. Die Götter schwören Eide darauf, dass dem Riesen nichts geschehen wird, sollte Thor zurückkommen. Doch das Pferd des Riesen stellt sich als der riesige Hengst Svadilfari heraus, und zum Entsetzen der Götter zeichnet sich ab, dass die Arbeiten doch zur gegebenen Frist vollendet werden können. Die Götter versammeln sich und geben Loki die Schuld an allem. Sie verlangen von ihm unter Androhung von Todesqualen, dass er eine Lösung finden solle. In seiner Verzweiflung verwandelt Loki sich in eine Stute, die den Hengst von seiner Arbeit weglockt, ihn verführt und später das achtbeinige Fohlen Sleipnir gebiert. Dadurch können die Bauarbeiten nicht fertig gestellt werden, und der Baumeister verfällt in eine rasende Wut, die seine wahre Bergriesennatur enthüllt. Seltsamerweise sieht es so aus, als hätten die Götter bis zu diesem Punkt die riesische Identität des Baumeisters nicht wahrgenommen, doch nun erwägen sie, ihre Eide und ihren Vertrag mit ihm für nichtig zu erklären. Daher wird Thor herbeigerufen, der zurückkehrt und den Riesen mit seinem Hammer Mjöllnir erschlägt.
Gelegentlich wird behauptet, die Erzählung vom Baumeister gehe eher auf europäische Wundermärchen zurück als auf die Mythen. Dieses Argument wird durch zwei isländische Saga-Episoden aus dem dreizehnten Jahrhundert gestützt, in denen von Widerspenstigkeiten berichtet wird, die in bäuerlichen Gemeinschaften im Zusammenhang mit der Errichtung von Mauern aufkommen.13 Auch wenn dies vermutlich in mancherlei Hinsicht stimmt, waren mythische Elemente offensichtlich schon vor Snorris Zeit bekannt. In dem seltsamen Gedicht ‚Hyndluljóð’ (Hyndlalied) aus dem zwölften Jahrhundert, welches die sogenannte ‚Kleine Völuspá’ beinhaltet, sich aber zum größten Teil mit einer genealogischen Herleitung beschäftigt, wird erzählt, dass Loki ‚Sleipnir empfing von Svadilfari’. Darüber hinaus wird das Alter des Gedankens, dass die Feindschaft zwischen Göttern und Riesen mit einem gebrochenen Vertrag in Zusammenhang steht, der die Göttin Freyja betrifft, durch Anspielungen in zwei Versen der ‚Völuspá’ bezeugt:
Zum Richtstuhl gingen die Rater alle,
heilige Götter, und hielten Rat,
wer ganz die Luft mit Gift erfüllt,
Ods Braut [Freyja] verraten Riesensöhnen.
Nur Thor schlug zu, zorngeschwollen:
Selten sitzt er, wenn er solches hört;
Da wankten Vertrag, Wort und Treuschwur,
alle Eide, die sie ausgetauscht.14
Hier können wir annehmen, dass sich das ‚sie’ in der letzten Zeile auf die Götter und die Riesen bezieht, und dass der Vertrag mit dem Baumeister Auswirkungen auf sämtliche künftigen Beziehungen zwischen beiden Geschlechtern haben werde. Die Unbesonnenheit der Götter, die Ruchlosigkeit Lokis wie auch Thors Präventivschlag – all das sorgt für Feindschaft für alle Zeiten. Der Vorwand, der in der ‚Gylfaginning’ dieser Erzählung vorausgeschickt wird, ist ebenso wichtig, da bestimmte Bildsteine aus dem achten Jahrhundert, die auf der schwedischen Insel Gotland gefunden wurden, ein achtbeiniges Tier mit Reiter abbilden. Diese Bilder wurden interpretiert als mythisches Symbol eines Sarges, der von vier Männern getragen wird (daher die acht Beine).15 Wenn Odin auf Sleipnir ein Symbol des Todes – besonders seines Todes als Anführer der Götter – ist, dann würde Odins Ende die Auslöschung von allem herbeiführen, was mit ihm verbunden wird.
Sowohl in ‚Baldurs Traum’ wie auch in der ‚Gylfaginning’ wird erwähnt, dass Sleipnir, in dem gescheiterten Bemühen, Baldur zu retten, zu Hel in das Totenreich geritten wird – ein Scheitern, das die hoffnungslose Verwundbarkeit der Götter vor Augen führt. In der Tat finden wir diese Verwundbarkeit auch im Zentrum der Erzählung vom Baumeister symbolisiert, da Asgards Wehrmauer niemals vollendet wird. Diese Idee von einer dauerhaften Bruchstelle in der Befestigung finden wir auch in den Überlieferungen isländischer Volksmärchen, in denen die Baufälligkeit einer Kirchenmauer damit erklärt wird, dass ein gefräßiger Troll, oder sogar der Teufel selbst, in den heiligen Raum eingedrungen sei und, vom für ihn furchtbaren Klang der Kirchenglocken erschreckt, bei seiner Flucht das Mauerwerk beschädigt habe.16 Die Kirche sei deshalb auch weiterhin anfällig für das Eindringen bösartiger, ungebetener Gäste. Was die Götter betrifft, sind ihre Tage langfristig gezählt, denn nicht nur die Riesen arbeiten auf ihre Vernichtung hin, sondern auch ihr Vermögen, sich selbst zu verteidigen, ist begrenzt. Thors Aufgabe ist daher definiert, und in Anbetracht dieser Andeutungen über die Sterblichkeit der Götter kann die Erzählung vom Baumeister als erster Schritt in Richtung Ragnarök gesehen werden.
Mjöllnir
Wenn es möglich wäre, eine vollständige Chronologie von Thors Rolle in der Mythologie zu erstellen, müsste in der Erzählung vom Baumeister eine Sache auf jeden Fall bedacht werden: nämlich, dass Thor sich bereits im Besitz von Mjöllnir befindet, da ein anderer Mythos berichtet, wie er den Hammer erhalten hat und dass dessen Hauptaufgabe darin besteht, Riesen zu bezwingen. Die Geschichte vom Ursprung Mjöllnirs wird ausführlich in Snorris ‚Skáldskaparmál’ erzählt, aber sie wird von den erhaltenen Eddaliedern nicht bestätigt. In einem typischen Anflug von Boshaftigkeit hat Loki Sif das Haar abgeschnitten. Thor gerät daraufhin in mörderische Wut und ist festen Willens, Loki zu erschlagen, bis dieser verspricht, Sif als Ersatz Haare aus purem Gold zu bringen, die wie gewöhnliches Haar wachsen sollen. So kommt es, dass Loki bestimmte Zwergenbrüder beauftragt, die Haare zu schmieden; und die Zwerge schmieden nicht nur diese, sie fertigen auch das magische Schiff Skidbladnir, das groß genug ist, alle Asen unterzubringen, und dennoch so zusammengefaltet werden kann, dass es in eine Tasche passt, und schließlich den Speer Gungnir, der den Ausgang von Schlachten vorherbestimmen kann und später Odin übergeben wird. Loki hingegen verlangt mehr und setzt seinen eigenen Kopf bei einer Wette mit zwei anderen Zwergenbrüdern ein, dass diese nicht im Stande seien, drei noch kostbarere Dinge herzustellen als diese. Die Zwerge akzeptieren