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Männer in sportlichen Kämpfen sich messen;

      Denn auch denen leistet die Göttin Beistand und Hilfe.

      Wer durch Kraft und Stärke gesiegt, den herrlichen Kampfpreis

      Trägt er leicht, voller Freude davon, der Stolz seiner Eltern.

      Gut ist ferner die Göttin den Reitern, denen sie wohl will,

      auch den Männern zur See, die in schlimmer Bläue sich plagen,

      wenn sie zu Hekate flehn und zum Erderschüttrer Poseidon.

      Mühelos reichen Fang gewährt die erhabene Göttin,

      leicht auch nimmt sie ihn fort aus dem Licht nach eignem Gefallen.

      Hilfreich wirkt sie mit Hermes im Stall, dem Vieh zu Gedeihen.

      Rinderherden und weithin weidende Ziegen und Scharen

      Wolliger Schafe, und sind sie noch so gering: Sie vermehrt sie,

      wie es ihr immer gefällt, und lässt sie auch wieder schwinden.

      Also, obwohl als einziges Kind ihrer Mutter geboren,

      steht sie dennoch in höchsten Ehren unter den Göttern.

      Darum legt auch Zeus ihr ans Herz das Gedeihen der Jungen,

      die das weithinschauende Licht des Morgens erblickten.

      Der Hymnus zeigt Hekate als Schicksalsgöttin, die das Schicksal der Menschen in Händen hält. Hervorheben möchte ich die enge Verbindung zu Hermes, die hier hergestellt wird, und die Rolle der Hekate als Hüterin der Jugend (V. 452, όυτως εξ ‘αρχης κουροτρόφος, houtôs ex archês kourotróphos), die auch sonst mehrfach belegt ist. Als „kourotrophos“ bezeichnet man griechische Statuen der Göttin, in denen sie als Mutter eines kleinen Kindes dargestellt wird (wie Isis mit Osiris und später Maria mit dem Jesuskind). Wie sollen wir uns diesen scheinbaren Widerspruch zu ihrem sonstigen Erscheinungsbild als „Hexengöttin“ erklären? Ich glaube, man muss berücksichtigen, dass der Hymnus die Göttin gnädig stimmen soll, der Dichter also bewusst den segensreichen Aspekt betont und das ungnädige Gesicht der Göttin verschweigt. Vers 443 und 447 sind aber verräterisch: „leicht auch nimmt sie ihn (den Fischfang) fort aus dem Licht nach eignem Gefallen“, „wie es ihr immer gefällt, und lässt sie (die Tiere) auch wieder verschwinden“. Es ist erstaunlich, dass kaum einer der bisherigen Kommentatoren hier an das bekannte Motiv der Göttin als „Herrin der Tiere“ (potnia therôn) gedacht hat. Die Göttin kann Leben und Reichtum geben, genauso schnell kann sie aber auch Leben und Besitz wegnehmen. Sie ist also auch Göttin des Todes. Wenn ihr zum Schluss von Zeus die Kinder ans Herz gelegt werden, können wir daraus unausgesprochen die Angst vor der Kindestöterin Hekate herauslesen, die durch gutes Zureden davon abgebracht werden soll, die Kinder vorzeitig zu sich zu nehmen – ein Aspekt, der uns bei anderen Göttinnen (Ischtar, Lilith, Hel, Holle) ebenfalls begegnet. Sehr gut passt hierzu, dass Hekate an anderen Stellen als Geburtshelferin erscheint, die von den Gebärenden um Beistand angerufen wird, wie wir weiter unten noch sehen werden.

      Ich komme daher zu dem Schluss, dass die Hekate-Episode bei Hesiod keineswegs im Widerspruch zu den sonstigen Zeugnissen steht, sondern die ambivalente Natur der Göttin sehr wohl erkennen lässt, obgleich ihre düsteren Züge nur vorsichtig angedeutet werden. Alle weiteren Informationen über Hekate ergänzen das Bild, das Hesiod zeichnet, aber widerlegen es nicht. Im Gegenteil, die Verbindung zu Hermes, die in V. 444 hergestellt wird, wird durch spätere Dokumente wie etwa die griechischen Zauberpapyri aus Ägypten nur bestätigt (s. unten). Insgesamt passt das Gesamtbild, das Hesiod von der Göttin zeichnet, gut zu einem mutmaßlichen Ursprung als kleinasiatische Sonnengottheit, die ähnlich ambivalent und ungezähmt ist wie die babylonische Ischtar und die phönizische Astarte.

      Die Menschen, schreibt Strabon in seiner „Erdbeschreibung“, seien den Göttern dann am ähnlichsten, „wenn sie glücklich sind. Dies aber bewirkt die Freude, das Feiern der Götterfeste, das Philosophieren und die Beschäftigung mit der Musik“. Dem antiken Menschen wurden die Götter in den Mysterien erfahrbar, in denen er durch Einweihung und kultische Feier zur Gottbegeisterung geführt wurde. Die wichtigsten Mysteriengottheiten waren Demeter, Dionysos, Apollo, die Musen – und Hekate: „Die meisten Hellenen nun haben dem Dionysos, dem Apollo, der Hekate, den Musen, ja vor allem der Demeter jede Art von Orgienfeier und Bakchischer Begeisterung, die Chortänze und das Geheimnisvolle der Einweihungsfeste beigelegt (...) Auch das Herumtragen geweihter Bäume, die Chortänze und die Einweihungen sind diesen Göttern gemeinschaftlich“ (Strabon, X,3,10). Die Mysteriengötter haben zwar ihre speziellen Zuständigkeitsbereiche und Symbole, wie das Getreide bei Demeter und der Wein bei Dionysos, sind andererseits aber doch so ähnlich, dass ihre Kulte sich gegenseitig überlappen.

      Hekate konnte daher eine Rolle in den Demeter-Mysterien von Eleusis spielen. Die homerische Hymne vom Raub der Persephone, die den Gründungsmythos der eleusinischen Feier erzählt, ist der zweite frühe Text, in dem Hekate uns in der griechischen Literatur entgegentritt.

      Hekate ist hier außer Helios die einzige Gestalt, die den Hilferuf der Kore vernimmt, aber nicht sieht, wer der Entführer ist (Vers 20 ff.):

      Aber kein Gott vernahm und keiner der Menschen ihr Flehen,

      auch nicht die Ölbäume in der Pracht der leuchtenden Früchte;

      nur die kinderliebende Tochter des Perses in ihrer

      Höhle, die Göttin Hekate mit dem schimmernden Schleier

      (λιπαροκρήδεμνος),

      und Fürst Helios, Hyperions stattlicher Sprössling,

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