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Anjuli Aishani. Janina Gerlach
Читать онлайн.Название Anjuli Aishani
Год выпуска 0
isbn 9783957442062
Автор произведения Janina Gerlach
Жанр Любовное фэнтези
Издательство Автор
Schlagartig verlangsamte sich mein Puls, ich atmete erleichtert auf und die Erinnerungen an meine Großeltern verblassten, sodass ich wieder klar denken konnte. Langsam öffnete ich die Augen. Solche Attacken hatte ich früher, kurz nach dem Geschehen, öfter gehabt. Ein weiterer Grund für meine Eltern umzuziehen und der Hauptgrund, der für Floresville gesprochen hatte. Eine kleine Stadt, weit weg von allem und ein Ort, an dem uns so schnell keiner mehr finden konnte.
Natürlich hatte mein Vater direkt danach unsere Nummer aus dem Telefonbuch streichen lassen und war jetzt extra vorsichtig. Es hatte sogar eine Zeit gegeben, in der er all meine Freunde, alle Telefonate und sogar meine Emails kontrolliert hatte. Erst als ich ihm später in einer heftigen Auseinandersetzung klar machte, dass das zu viel war, ließ er mir wieder ein Stück Privatsphäre. Dennoch war ich ihm dankbar dafür, wie er sich um unsere Familie kümmerte, und musste zugeben, dass ich mich mit der Alarmanlage und dem hohen Zaun um unser Haus schon um einiges sicherer fühlte.
Als ich wieder bei klarem Verstand war, stand ich auf, stützte mich an der Küchenablage ab, damit ich nicht gleich wieder das Gleichgewicht verlor, und wagte einen Blick auf die Uhr: 17:28 Uhr. Ich hoffte nur, dass der Auflauf heute besonders schnell fertig werden würde. Schnell stellte ich den Herd an und beschloss schon jetzt, dass ich gleich keinen Hunger haben würde. Die Angst, dass die Erinnerungen wieder kommen könnten, war einfach zu groß.
Langsam ging ich in das angrenzende Wohnzimmer, ließ mich auf die braune Ledercouch fallen und schaltete den Fernseher ein. Ich zappte einmal durch alle Kanäle, aber es kam leider nichts, dass mich auch nur annähernd interessierte. Ich war eher der Typ für kitschige, lustige Serien und die liefen leider nur abends. Also blieb ich bei irgendeiner beliebigen Talkshow hängen und verfolgte gelangweilt das Geschehen, während ich immer wieder den Kopf schüttelte und mich fragte, was für eine Art von Mensch sich im Fernsehen derart bloßstellen ließ. Mir war eigentlich egal, was ich mir anschaute. Hauptsache Ablenkung, denn ich wollte um jeden Preis verhindern, dass die Bilder zurückkamen. So verharrte ich also eine Weile im Wohnzimmer, bis ich endlich den Schlüssel im Schloss und kurz darauf die vertraute Stimme meiner Mutter hörte.
»Anjuli! Wir sind wieder da!«, rief sie den Flur hinauf und wirkte ein wenig überrascht, als ich ihr von der Couch aus antwortete. Eine Minute später stand sie in der Tür, runzelte leicht die Stirn und schaute mich fragend an. »Ist alles in Ordnung mit dir? Du siehst so blass aus?«
Meine Mum ist wirklich eine typische Mutter.
Eine von denen, die immer direkt bemerken, wenn etwas nicht stimmt – egal wie gut man es zu verbergen versucht. Mir blieb also nichts anderes übrig, als ihr kurz und knapp zu schildern, was passiert war. Direkt kam sie auf mich zu, setzte sich mit besorgter Miene neben mich und nahm mich in den Arm.
»Mein armer Schatz, das tut mir leid. Ich hatte gar nicht daran gedacht, wollte nur dein Lieblingsessen für dich machen. Geht es dir denn jetzt besser?«
»Ich weiß, das war auch echt nett von dir, Mum.« Ich lächelte sie dankbar an. »Mir geht‘s auch schon wieder besser. Ich mache mir einfach gleich was anderes.«
Nachdem sie noch drei Mal nachgefragt hatte, ob auch wirklich alles okay war, verließ sie endlich den Raum, schloss die Tür hinter sich und schon kurz darauf hörte ich Geschirr klappern und wusste, dass meine Eltern bereits am Essen waren.
Inzwischen leicht genervt von der Talkshow, schaltete ich den Fernseher aus und ging auf die Fensterfront zu. Ich öffnete den Riegel der Terrassentür, setzte mich nach draußen in einen der gemütlichen Sessel und legte die Füße hoch. Von hier aus hatte man einen wundervollen Ausblick auf den Englischen Garten, der hinter dem Haus angelegt worden war.
Wenn es im Sommer so richtig heiß in der Region werden würde und man es draußen fast nicht mehr aushalten konnte, würden die vielen Weiden mit ihren riesigen Baumkronen angenehmen Schatten spenden und die Hitze ertragbar machen.
Ich schloss die Augen, als mir ein leichter Sonnenstrahl ins Gesicht fiel und lauschte den Geräuschen der Natur. Unser Haus lag so abgelegen am Rande von Floresville, dass man von Autos, Baustellen oder sonstigem Lärm nichts mitbekam. In meinen Ohren klangen die verschiedensten Gesänge von Vögeln, das Summen einer Biene, die von Blume zu Blume flog, und im Hintergrund das leise Plätschern des Bachs, welcher sich am Rande unseres Grundstücks durch die Weiden schlängelte und die vielen Pflanzen darum am Leben erhielt.
Als ich die Augen wieder öffnete und auf den riesigen Garten blickte, kam es mir vor, als würde ich in einem Bilderbuch blättern. Überall sprießten weiße Lilien und die blauen Blüten der Blue Bonnets aus dem Boden. Von der Terrasse aus führte ein schmaler weißer Kiesweg durch den Garten, am Bach und den herrlichen Blumenbeeten entlang zu einer alten Holzbank an unserer Grundstücksgrenze, die sich unmittelbar vor dem angrenzenden Waldrand befand. Auf dieser Seite des Grundstücks war kein Zaun errichtet worden, da man dachte, der Bach und der Wald würden als natürlicher Schutz genügen. Ein großer Fehler, wie sich nur wenig später herausstellen sollte.
Diese ganze Umgebung war vollkommen fremd für mich. Obwohl es in Texas sehr trocken war, bereiteten sich kleine Triebe und bunte Blumen den Weg durch den Boden. Hinzu kamen das Zwitschern der Vögel, der Duft nach Moos und Erde, … das alles war in Portland sehr selten gewesen. In dem Viertel, in dem wir gewohnt hatten, roch es eher nach Autoabgasen und Müll und man konnte sich glücklich schätzen, wenn man zwei Quadratmeter Rasen hinter seinem Haus hatte.
Für gewöhnlich brauchte ich relativ lange, um mich an neue Dinge zu gewöhnen, doch diesmal war ich mir sicher, dass es anders kommen würde. Schon jetzt genoss ich die Ruhe, die es mir ermöglichte, meine Gedanken schweifen zu lassen und mich zu entspannen. Ich beschloss, am Wochenende einen Spaziergang zu machen, um mir die Umgebung genauer anzuschauen.
Ich atmete noch einmal tief ein, stand schließlich auf und begab mich wieder ins Haus. Meine Eltern hatten bereits gegessen und freundlicherweise das Fenster geöffnet, sodass der Geruch des Auflaufs schon verflogen war. Mein Vater hatte sich wahrscheinlich bereits in sein Arbeitszimmer zurückgezogen, denn meine Mutter saß alleine am Küchentisch und las in einer ihrer Zeitschriften. Sie blickte auf, als ich den Raum betrat und lächelte mich an, wobei sie immer noch ein wenig besorgt dreinblickte.
»Hast du noch Hunger, Schätzchen? Ich hab dir die Nudeln von gestern nochmal warm gemacht.« Sie deutete zur Mikrowelle.
»Danke, Mum, aber ich hab echt keinen Hunger mehr«, beschwichtigte ich und verließ den Raum, nachdem sich meine Mutter nach einem Achselzucken wieder ihrer Zeitschrift zugewandt hatte.
Als ich den Flur betrat und die Küchentür hinter mir schloss, hörte ich, dass mein Vater in seinem Arbeitszimmer heftig mit jemandem am Telefon diskutierte. Er arbeitete wirklich rund um die Uhr. Eigentlich war es schon zur Gewohnheit geworden, dass er nicht wirklich an unserem Familienleben teilnahm, aber es tat mir auch weh zu sehen, wie sich meine Eltern immer mehr auseinanderlebten. Angst stieg in mir hoch, als ich daran dachte, dass sie sich jemals trennen könnten. Ein seltsames Gefühl umklammerte meinen Brustkorb und machte es mir schwer zu atmen. Das darf auf keinen Fall passieren!
Schnell verwarf ich den beklemmenden Gedanken wieder, holte einmal tief Luft und schlich schließlich leise die Treppe zu meinem Zimmer hinauf, um meinen Vater nicht zu stören.
Da ich nichts mehr zu tun hatte und auch nicht wieder verschlafen wollte, machte ich mich fürs Bett fertig und legte mich schlafen.
In Gedanken ließ ich den heutigen Tag noch einmal Revue passieren und versank schließlich ins Reich der Träume.
Zur gleichen Zeit in der Unterwelt:
Die langen knochigen Finger des Königs wandern ungeduldig auf der Stuhllehne auf und ab. Er hat sich in der Mitte des Raums auf seinem Thron niedergelassen, wartet.
Ein wenig Sonnenlicht bahnt sich den langen Weg von der Decke des Saals nach unten und beleuchtet die sonst düstere Umgebung. Ausdruckslos starrt der Seelenlose in die Ferne. Er ist alleine im Raum, hat alle anderen weggeschickt.