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Weizenfeld krachte. Der Einschlag ließ den Boden erzittern und hinterließ eine Grube von etwa einem Meter Tiefe.

      Wenig später eilten die vom Spektakel alarmierten Stadtbewohner herbei. Fast augenblicklich fielen sie über den mysteriösen Stein her, wohl in der Annahme, es handle sich um ein Zeichen Gottes. Sie schabten, kratzten und brachen Teile davon ab und stopften sie in ihre Taschen, vermutlich in der Hoffnung, der Stein besäße wundersame Heilkräfte, könne für magische Rituale oder als Talisman dienen. Behördenvertreter schritten schließlich beherzt ein, untersagten das wilde Treiben, ließen den Stein in die Stadt schaffen und dort sicher verwahren. Heute sind noch 56 Kilo davon übrig, das ursprüngliche Gewicht dürfte rund 135 Kilo betragen haben. Es handelte sich somit um einen durchaus stattlichen Brocken – und zugleich um den ersten sorgfältig dokumentierten Meteoritenfall in Europa.

      Kurz nach der Bergung des wundersamen Steins machte der römisch-deutsche König Maximilian I. Station in Ensisheim, damals ein Verwaltungssitz der Habsburger. Maximilian führte seine Armee gerade Richtung Frankreich und inspizierte bei seinem Zwischenstopp auch den mysteriösen Felsen. Grundsätzlich vertrat man die Ansicht, dass derartige Gegenstände ein böses Omen darstellen. Wenn der Allmächtige die Erde mit Steinen bewirft, sei dies als sicheres Zeichen dafür zu werten, dass er grollte – und womöglich auch noch Seuchen, Missernten oder Hungersnöte schickt. In dem Fall allerdings einigten sich Maximilian und die lokalen Autoritäten nach eingehender Beratung darauf, den mächtigen Stein lieber als wohlwollende Botschaft des Himmels zu betrachten, als Signal, Gott werde Maximilian in der nahenden Schlacht zur Seite stehen. Derart optimistisch gestimmt, säbelte Maximilian selbst zwei Stücke vom Meteoriten ab, eines für sich, eines für einen Freund, den österreichischen Landesfürsten Sigismund.

      Um der Angelegenheit noch mehr Würde zu verleihen und deren Tragweite für die Nachwelt zu erhalten, verfasste der berühmte Schriftsteller und Poet Sebastian Brant ein aufwendig gestaltetes Flugblatt, das sowohl den Fall des „Donnersteins von Ensisheim“ beschrieb und illustrierte, als auch dem König Mut zusprach. Die Schrift in Latein und Deutsch war recht flott fertig: Bei dem Meteoriten von Ensisheim handelte es sich immerhin um das erste derartige Exemplar seit der Erfindung des Buchdrucks.

      Vielleicht zog Maximilian mit all dem Zuspruch und spirituellen Beistand im Rücken besonders zuversichtlich in die Schlacht. Jedenfalls gewann er sie, und in späteren Gedichten pries Brant den vom Himmel gefallenen Stein als Beweis der göttlichen Gnade, die Maximilian zuteil geworden war. Brant fertigte aber auch sachlichere Notizen an. Zum Beispiel listete er auf, in welchen umliegenden Regionen die Menschen den Knall gehört hatten. Aufgrund seiner Angaben ließ sich rekonstruieren, dass die Explosion über ein Areal von rund 40.000 Quadratkilometern wahrnehmbar gewesen sein könnte.

      Ein Zeuge war womöglich ein 21-jähriger Maler namens Albrecht Dürer, der sich am fraglichen Novembertag in Basel aufhielt, nur 40 Kilometer südlich von Ensisheim. Gesichert ist nicht, ob Dürer von dem Meteoritenfall wusste, doch malte er zwischen 1494 und 1496 ein kleines Bild auf die Rückseite seines Gemäldes „Büßender Hieronymus“, das heute zum Schatz der National Gallery in London zählt. Es ist ein düsteres, reichlich abstraktes Werk, in dessen Zentrum knallrot und bizarr gezackt das Schema einer Explosion zu sehen ist – und ein steinförmiges Objekt inmitten dieser Apokalypse.

       Der sagenhafte Tisch des Eisens

      Ziemlich exakt 100 Jahre später beschäftigten sich Menschen auf der anderen Seite unseres Planeten ebenfalls mit Steinen, die angeblich vom Himmel fielen. Der Gouverneur der Provinz Tucumán im nördlichen Argentinien hatte die Geschichte schon oft gehört: Immer wieder erzählten Indianer von geradezu fantastischen Eisenvorkommen in einer Gegend, die sie „Campo del Cielo“ nannten, das Himmelsfeld. Die Ureinwohner gewannen das Metall und bauten Waffen daraus. Und sie behaupteten, die gewaltigen Eisenmassen seien einfach vom Himmel gefallen. Sie gaben jenem Landstrich, in dem das Metall zum Liegen gekommen war, den Namen „El Mesón de Fierro“: Tisch des Eisens.

      Im Jahr 1576 beauftragte der Gouverneur den Capitán Hernán Mexia de Miraval, der Sache auf den Grund zu gehen. Mit acht Mann brach Miraval auf. Indianer führten den Trupp durch unwegsames Gelände, vorbei an gefürchteten Volksstämmen, die man des Kannibalismus verdächtigte. Nach einem beschwerlichen Marsch erreichten die Männer tatsächlich den Mesón de Fierro. Miraval verfasste einen ausführlichen Bericht, in dem er, gestützt auf das Urteil eines Schmieds, die ungewöhnliche Reinheit des Materials lobte. Außerdem verlieh er seiner Vermutung Ausdruck, man sei womöglich auf eine sagenhafte Eisenmine gestoßen. Dann schickte er einen detaillierten Bericht seiner Expedition ab. Das Schreiben landete in einem Archiv in Sevilla. Dort packte es jemand in eine Lade, und darin blieb es liegen – ungelesen und vergessen für die folgenden 340 Jahre.

      Im Lauf der nächsten beiden Jahrhunderte wurden weitere Expeditionen in die Region entsandt. Denn die Erzählungen der Indianer kursierten nach wie vor, und die Spanier hofften nicht zuletzt, einer reichhaltigen Mine auf der Spur zu sein. Mitunter war sogar von Silbervorkommen die Rede, was sich jedoch als Irrtum entpuppte. 1783 zum Beispiel brach ein Leutnant der Königlichen Armada namens Rubin de Celis mit 200 Mann in die Region auf. Don Rubin war ein gebildeter, rational denkender Mensch des 18. Jahrhunderts. Er glaubte nicht an außerirdische Steine, fand aber auch keine überzeugenden Hinweise auf eine Mine. Die Masse von El Mesón de Fierro schätzte er auf etwa 15 Tonnen. Sein Bericht unterschied sich teils erheblich von den Schilderungen anderer Entdecker, und heute wissen wir auch, warum: Nicht ein einzelner Brocken ging vor ungefähr 4.000 Jahren über dem Campo del Cielo nieder, sondern ein ganzer Meteoritenschauer. Allein im Zentrum des Areals fanden Forscher inzwischen fast zwei Dutzend Einschlagskrater, jeweils 20 bis 100 Meter im Durchmesser. Damit zählt Campo del Cielo zu den größten Meteoritenstreufeldern unseres Planeten. Die historischen Berichte bezogen sich auf unterschiedliche Teile des Eisenmeteoriten an verschiedenen Fundorten.

      In späterer Zeit gestaltete es sich außerordentlich schwierig, die Trümmer wieder aufzuspüren. Viele Suchen verliefen erfolglos, und zwar selbst mit Methoden der Bodenprospektion. Die Ursache dafür war vermutlich, dass die Gegend auch reich an natürlichen irdischen Eisenvorkommen ist und das extraterrestrische Metall deshalb in den Analysen nicht deutlich genug hervorstach. Auf das erste Bruchstück, nach jüngsten Vermessungen 29 Tonnen schwer, stießen Forscher 1969. Es trägt heute die Bezeichnung „El Chaco“. Über die Jahre legten Wissenschaftler immer mehr Teile frei. Erst im September 2016 wurde neuerlich ein gewaltiger Eisenmeteorit am Himmelsfeld entdeckt, gut 30 Tonnen schwer.

       Das wirft die stärkste Kuh um

      In Europa setzte bereits ab Mitte des 18. Jahrhunderts eine äußerst fruchtbare Zeit für die Meteoritenforschung ein. Zum einen kam es in dichter zeitlicher Abfolge, mitunter im Jahrestakt, zu spektakulären Sichtungen von Boliden und herabstürzenden Gesteinsbrocken. Zum anderen machte die Untersuchung der geborgenen Objekte beachtliche Fortschritte – angetrieben vom zunehmend naturwissenschaftlich orientierten Blick auf die Welt sowie den allmählich besseren Methoden und Instrumenten der Forscher.

      Die Serie begann mit einem Meteoritenfall im Oktober 1750 in Nicorps, Frankreich. Gut ein halbes Jahr später, am 26. Mai 1751, sahen sieben Zeugen, wie ein Feuerball bei Hraschina in Kroatien niederging. Noch während das Objekt über den Himmel zog, teilte es sich in zwei Stücke, die wie durch eine brennende Kette miteinander verbunden schienen. Es folgte eine Explosion, dann donnerte eine vorerst undefinierbare Masse auf ein frisch gepflügtes Feld und ließ den Erdboden erzittern. Anfang Juli 1753 verfolgten Menschen in Tabor, unweit von Prag, wie einem Gewitter plötzlich ein Stein entsprang. So wuchs die Sammlung der Berichte über derartige Vorkommnisse ständig, und die zugehörigen Schilderungen wurden mit der Zeit sachlicher, präziser und detailreicher.

      Das Muster der Überlieferungen ist naturgemäß stets relativ ähnlich: zunächst ein Zischen, Pfeifen, Grollen in der Luft, dann eine mächtige Explosion, schließlich scheinen die Wolken eine Art Felsen auszuspucken. Solcherart nahm man auch den Meteoritenfall von Albareto bei Modena Mitte Juli 1766 wahr. Gegen fünf Uhr Nachmittag traf der Körper aus dem All mit solcher Wucht auf den Erdboden, dass eine Kuh von den Beinen gerissen

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