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In einem der Sessel saß ein Mann, den ich erst auf den zweiten Blick erkannte, so schrecklich hatte man ihn zugerichtet. Aber es handelte sich zweifellos um George Al-Malik. Er war an Armen und Füßen gefesselt und hing zusammengekrümmt in dem Sessel. Jackett und Oberhemd hingen ihm in blutdurchtränkten Fetzen vom Leib. Sein Gesicht war fast bis zu Unkenntlichkeit entstellt.

      Er sah mich mit einem trüben Blick an.

      Seine Augen waren blutunterlaufen. Er öffnete die aufgeplatzten Lippen, brachte aber keinen Laut hervor. Nicht einmal ein Ächzen.

      Am Fenster lag ein Toter, der mit glasigen Augen in unsere Richtung starrte.

      "Da sind also die beiden G-men", säuselte eine Frauenstimme.

      Aus dem Nachbarraum trat eine schlanke Gestalt in einem blauen Kleid. Auch wenn sie ihr Outfit abermals völlig geändert hatte - sie musste Leila sein. Oder Rebecca Smith.

      Mochte der Teufel wissen, wie viele Identitäten sie noch hatte. Sie war wie ein Chamäleon. Immer in der Lage, sich perfekt anzupassen, eine andere Rolle spielen, ein Leben vorzutäuschen, das nicht das ihre war.

      "Sie sind Leila", sagte ich. Ich weiß nicht, warum.

      Vielleicht um ihre Reaktion zu sehen oder um überhaupt irgend etwas zu sagen. Denn mir schien, dass Milo und ich im Augenblick für jede Verzögerung dankbar sein mussten.

      Ein grausames Lächeln stand auf ihrem Gesicht und ließ ihre makellos weißen Zähne blitzen.

      Ihre dunklen Augen musterten mich abschätzig.

      "Woher wissen Sie diesen Namen?", fragte sie.

      "Von Walid Kerim."

      "Ah, ich verstehe. Der arme Walid..."

      "Ja, er kann froh sein, dass er noch lebt."

      "Etwas, dass er Ihnen zweifellos bald voraushaben wird, G-man." Sie zuckte die Achseln. "Ursprünglich hatten wir vor, hier etwas aufzuräumen und die Toten in den Dünen zu vergraben. Aber Ihr Auftauchen lässt eine andere Möglichkeit zu..."

      "Darf ich raten?", erwiderte ich. "Am Ende wird man zwei diensteifrige FBI-Agenten tot auffinden, die sich mit ein paar Gangstern eine Schießerei lieferten, bei der unglücklicherweise alle Beteiligten ums Leben kamen!"

      "...nachdem sie zuvor im Übereifer einen Verdächtigen zu Tode gefoltert haben, der offenbar einfach keine Lust hatte, Ihnen irgendwelche Auskünfte zu geben", vollendete Leila süffisant. "Ja, so ähnlich habe ich mir das gedacht. Leider haben sich meine Leute nicht zugetraut, Sie beide ohne Handschellen hier her zu bringen. Die Druckstellen werden die Gerichtsmediziner etwas irritieren, aber wie heißt es so schön? Nobody is perfect." Sie wandte sich an den Narbigen.

      "Gib mir eine ihrer Kanonen!"

      Der Mann mit der Narbe warf ihr eine der P226-Pistolen zu.

      Sie fing sie auf.

      "Ein ausgezeichnetes Fabrikat", murmelte sie und strich beinahe liebevoll über den kalten, glatten Stahl.

      "Worauf warten Sie noch?", fragte ich.

      "Auf einen Anruf, der uns Gewissheit darüber verschafft, dass dieser Gentleman hier uns nicht angelogen hat", hauchte sie und deutete dabei mit dem Pistolenlauf auf Al-Malik.

      "Es geht um die Druckplatten, nicht wahr?"

      "Sie scheinen nicht so beschränkt zu sein, wie man es Staatsbediensteten im Allgemeinen nachsagt, G-man! Zu schade, dass Ihr Land in Zukunft auf Ihre Dienste wohl oder übel verzichten muss. Und nach dem, was man hier vorfinden wird, wird es wohl nicht einmal für ein Begräbnis mit Ehrensalut reichen."

      Das war nun wirklich meine geringste Sorge. Ich blickte mich um, sah kurz zu Milo herüber und schätzte die Lage ab.

      Aber die MPi-Läufe, die in unsere Richtung zeigten, machten jeden Gedanken an Widerstand absurd. Zumal unsere Hände nach hinten gefesselt waren. Wir hatten keine Chance. Im Grunde waren wir schon so gut wie tot, auch wenn die Kugeln, die uns zerfetzen sollten, noch in den Patronenkammern steckten.

      Leila legte die P226 auf den Wohnzimmertisch.

      Sie wandte sich herum, ging einen Schritt an Al-Malik vorbei und trat auf die Leiche am Fenster zu. Ich vermutete, dass es sich um einen von Al-Maliks Leuten handelte. Einen Leibwächter oder dergleichen. Sie bückte sich und nahm ihm die Waffe aus der Hand. Es war gar nicht so einfach, die Finger hatten sich regelrecht festgekrallt.

      Dann kehrte sie zurück.

      Ihre Absicht war mir vollkommen klar.

      Mit der Waffe des Toten würden Milo und ich erledigt werden, während die Kugeln aus unseren Waffen bei Al-Malik zu finden sein würden.

      Einem von uns musste man dann noch die Waffe in die Hand drücken, mit der der Leibwächter Al-Maliks getötet worden war.

      Das Telefon klingelte.

      Der Mann im schwarzen Anzug nahm ab.

      Er sagte kein einziges Wort, sondern legte nach etwa zehn Sekunden einfach wieder auf.

      "Was ist?", fragte Leila.

      "Unsere Leute haben die Platten."

      "Gut", sagte Leila.

      Sie nahm die P226 vom Tisch, richtete sie auf Al-Malik und trat einen Schritt zurück. Dann drückte sie zweimal kurz hintereinander ab. Al-Malik stöhnte kurz auf. Ein Ruck ging durch seinen gequälten Körper, dann sank er in sich zusammen.

      Sie legte die Waffe zurück auf den Tisch. Zweifellos würde man sie später einem von uns in die Hand drücken und vor allem die Fingerabdrücke sorgfältig beseitigen.

      Leila nahm die Waffe des Toten.

      Die Pistole, deren Patronen für uns bestimmt waren.

      Sie fasste die Waffe mit beiden Händen. In ihren dunklen Augen blitzte es grausam.

      Ich blickte der Mündung entgegen.

      Jede Sekunde erwartete ich, dass das Mündungsfeuer herausblitzte und eine Kugel vom Kaliber 45 mir den Schädel wegblies.

      *

      "Nimm Ihnen die Handschellen ab", zischte sie dem Narbigen zu. "Die Druckstellen sind schon tief genug und wenn sie sich jetzt noch den Arm verrenken, wenn sie zu Boden fallen, ist das ein Fingerzeig zu viel für die Pathologen."

      Der Mann mit der Narbe gehorchte.

      Unsere Hände waren wieder frei.

      Aber unsere Chancen am leben zu bleiben verbesserte das angesichts der zahlreichen Waffen, die auf uns gerichtet waren, nur unwesentlich.

      Leila trat einen Schritt vor. Sie setzte mir den 45er direkt an die Stirn.

      "Eine Sache noch..."

      "Vergessen Sie's", sagte ich.

      "Nicht so voreilig, G-man! Wie sind Sie auf diese Adresse gekommen?"

      "Warum sollte ich Ihnen das sagen?", erwiderte ich kühl. "Sie werden uns ohnehin erschießen. Ich kann nichts gewinnen..."

      Sie lachte.

      Dann bewegte sie leicht den Kopf seitwärts. "Sehen Sie sich Al-Malik an, G-man! Man kann auf unterschiedlich schnelle Weise sterben. Also antworten Sie schon!"

      Ich konnte schon verstehen, warum ihr diese Frage so wichtig war. Sie wollte wissen, wie weit wir ihr auf den Fersen waren. Ohne Vorwarnung bekam ich mit dem Lauf einer MPi einen brutalen Schlag in die Nieren. Ich ächzte.

      "Das war nur ein Vorgeschmack", sagte Leila. "Und nachdem wir dann mit Ihnen fertig sind, nehmen wir uns Ihren Kollegen vor."

      "Was wird dann aus Ihrem so kunstvoll arrangierten Tatort?", fragte ich.

      Leila

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