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wieder.

      Sie musste wahnsinnig sein!

      Eine Flucht war aussichtslos, wenn ein Helikopter über einem schwebte und mehrere Schnellboote in der Nähe waren.

      Leila konnte unmöglich glauben, mit dem Schlauchboot davonkommen zu können. Aber das hatte sie auch gar nicht vor, wie ich einen Augenblick später begriff.

      Leila packte einen der seitlichen Griffe der Kiste, in der die Druckplatten sein mussten. Sie zog daran. Ein kräftiger Ruck, der das Boot stark schwanken ließ. Die Druckplatten waren schwer. Aber sie war zäh und hatte Kraft. Sie zog die Kiste über den stramm aufgepumpten Gummirand des Bootes, hielt sich daran fest und stürzte zusammen mit der Kiste in die Tiefe.

      Ich dachte an den Mann, der sich Robert Brown genannt hatte. Leila schien eine ähnliche Konsequenz zu ziehen, wie jener Mann, der sich in seiner Zelle auf Riker's Island das Leben genommen hatte.

      Ich zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde.

      Dann tauchte ich hinab. Ich wusste, dass ich sehr schnell sein musste, wenn ich sie noch erreichen wollte. Ihren Fuß bekam ich einen Augenblick später zu fassen. Sie strampelte und versuchte mich abzuschütteln. Sie trat und schlug nach mir, während ihre Linke sich immer noch an der Kiste festklammerte. Unaufhaltsam sanken wir hinab. Meine P226 hatte ich bei der Rangelei längst verloren. Auch sie sank unaufhaltsam dem Meeresboden entgegen. Die Sekunden liefen mir davon. Ein Schwall von Luftblasen ging hinauf in Richtung Oberfläche.

      Ich packte ihr Handgelenk. Ihre Finger hatten sich geradezu an dem Griff der Kiste festgekrallt. Sie strampelte unkoordiniert um sich. Und mir war klar, dass ich es auch nur noch wenige Augenblicke unter Wasser aushalten konnte. Ihre Kräfte schien etwas nachzulassen. Ihre Bewegungen wurden weniger heftig und immer unkontrollierter. Kostbare Sekunden rannen dahin.

      Mit einem kräftigen Ruck riss ich an ihrem Unterarm. Die Kiste löste sich aus ihrer Hand und sank weiter in die Tiefe.

      Wir bekamen wieder Auftrieb.

      Langsam stiegen wir wieder empor an die Oberfläche.

      Ich schnappte nach Luft. Leila war bewusstlos. Ich sorgte dafür, dass ihr Kopf und Mund über Wasser blieben und schleppte sie hinter mir her. Das Boot war indessen ein ganzes Stück abgetrieben. Aber aus dem Helikopter heraus hatte man uns einen Rettungsring zugeworfen. An den klammerte ich mich, bis eines der Schnellboote herbeikam und uns an Bord nahm. Ich hatte immer noch das Gefühl, zu wenig Luft zu bekommen, als ich an Deck des Schnellbootes war. Meine Atemfrequenz lag mit Sicherheit um einiges über den Normalwerten. Einer der Männer an Bord kümmerte sich um Leila und führte eine künstliche Beatmung durch.

      Sie kam wieder zu sich.

      In ihren Zügen stand Unverständnis.

      "So einfach kommen Sie nicht davon", sagte ich. "Ich will, dass Sie für das, was Sie getan haben, vor Gericht stehen!"

      Sie antwortete mir nicht.

      Aus ihren Augen leuchtete ohnmächtige Wut.

      *

      Marinetaucher bargen einige Tage später die Kiste mit den Druckplatten. Und ganz in der Nähe wurde die Leiche von Aziz Al-Tarik entdeckt. Es sprach viel dafür, dass auch sein Tod auf Leilas Konto ging, nachdem er ihr zuvor geholfen hatte.

      Nachdem wir Al-Tariks Haus als eines von Leilas Verstecken enttarnt hatten, musste sie damit rechnen, dass der Besitzer uns früher oder später Rede und Antwort stehen musste. Das hatte sie wohl zu verhindern beabsichtigt. Der entscheidende Beweis - die vermutliche Tatwaffe - blieb irgendwo auf dem Grund des Meeres. Die Marinetaucher konnten sie nicht finden, was auch nicht verwunderlich war. Im Gegensatz zu der Kiste mit den Druckplatten handelte es sich um einen relativ leichten Gegenstand, der von der Strömung meilenweit weggeschwemmt werden konnte.

      Leila wartete inzwischen in der Untersuchungshaft auf ihren Prozess. Sie verweigerte jede Aussage, so wie auch ihre Komplizen. Der Staat, für den sie gearbeitet hatte, bestritt natürlich, dass Leila - oder wie immer sie auch in Wahrheit heißen mochte - überhaupt eine seiner Bürgerinnen war. Ein Mammut-Verfahren stand vor der Tür und das juristische Hin und Her würde sich über Monate hinziehen. Der diplomatische Schaden blieb jedoch gering. Alle Seiten schienen daran interessiert zu sein, den Fall nicht unnötig hochzukochen. Ein paar unfreundliche Statements wechselten zwischen Bagdad und Washington hin und her. Aber mehr geschah nicht. William Hamid sah ebenfalls einem Prozess entgegen. Die Anklage sammelte fleißig Indizien dafür, dass er mit Leila zusammengearbeitet hatte. Dasselbe galt für Hamids Neffen Alan, der für die Geschäfte von HAMID GLOBAL TRANSPORTS in New York City verantwortlich war. Charles Bykow, der Kapitän der SILVER QUEEN entschloss sich dazu, mit der Justiz zusammenzuarbeiten. Für die Hamids würde es nicht leicht werden, sich aus der Klemme herauszuwinden, in die sie sich selbst hineinmanövriert hatten. Auch gute Anwälte konnten ihnen da vermutlich nicht mehr heraushelfen.

      Wir kamen gerade aus dem Gerichtsgebäude, nachdem wir unsere Aussagen im Prozess gegen Leila gemacht hatten.

      Auf dem Weg zum Parkplatz kamen wir an einem Schnellimbiss vorbei und kauften uns einen Hotdog. Milo bezahlte mit einem Zehn-Dollar-Schein.

      Er sah dabei in meine Richtung.

      "Der Stoff, aus dem die Träume sind, Jesse", meinte er, während er seinen Hotdog in Empfang nahm.

      "Meinst du den Geldschein oder den Hotdog?", fragte ich mit einem Grinsen.

      Jetzt mischte sich der Mann am Imbissstand ein. "Auf jeden Fall ist ein richtiger Hotdog schwerer zu fälschen als eine Dollarnote", war er überzeugt.

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