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den Aufbau eines positiven Vorurteils ist die regelmäßige Wiederholung eines Vorgangs. Jemand, den ich am Montag mit Punkfrisur und Fetzenjeans antreffe, der mir am Dienstag glatt gegelt im Anzug entgegentritt, ergibt kein klares Bild. Solch radikaler Wechsel mag für Privatmenschen spannend sein, für eine Marke bedeutet es die Gefährdung ihrer Integrität und somit der monetären Existenzgrundlage. Selbst die flippigste Modemarke besitzt bei genauer Analyse Strukturen, die sich wiederholen – keine wirtschaftliche Unternehmung kommt ohne feste Elemente aus. Auch eine „wilde“ Hardrockmarke wie die Gruppe AC/DC verfügt über Strukturen, die sich bei jedem Auftritt wiederholen müssen: Wenn z. B. Lead-Gitarrist Angus Young, der seit den 1970er-Jahren Konzerte nur in Schuluniform bestreitet, dieses markentypische Element nicht mehr tragen würde, wäre die „Fankundschaft“ bitter enttäuscht.

       Erst Kontinuität gibt Orientierung

      Entscheidendes Charakteristikum einer Marke ist, dass sie in einer scheinbar unüberschaubaren Welt Kontinuität verspricht. Eine Marke ist das Gegenteil von Wandel, sonst ist sie nicht(s): Daher besitzt eine Marke die Pflicht zur Kontinuität, um als Marke überhaupt erkennbar zu sein, d. h., sie muss immer und überall typisch auftreten. Nur auf diese Weise kann sie Orientierung schaffen und erfüllt die Ankerfunktion für ihre Kundschaft: Das positive Vorurteil muss ständig und an jedem Kontaktpunkt zur Marke Bestätigung erfahren; dies geschieht in starkem Maße über Wiederholung.

       Wiederholung ist nicht Stillstand

      Wiederholung gilt heutzutage als Synonym für Stagnation und Erstarrung. All dies sind Begrifflichkeiten, welche direkt mit langweilig, altmodisch, unzeitgemäß assoziiert werden und daher im Geschäftsleben umgehend ins verbale Aus führen. Dahinter steckt ein großes Missverständnis: Wiederholung bedeutet für eine Marke in keiner Weise Stillstand – auch die innovativste Technikmarke braucht Wiederholung: Egal welche Erfindung den Markt erobert oder vom Unternehmen selbst vorgestellt wird, es ist die Pflicht der Marke, jede Neuerung markentypisch zu integrieren. Oder, wenn sie nicht ins Markenportfolio passt, sie möglichst früh auszusortieren. Eine anspruchsvolle Aufgabe, der sich jede Firma tagtäglich stellen muss, wenn sie ein positives Vorurteil etablieren möchte. Bei jeder Neuheit gilt es abzuwägen, ob und wie diese integriert werden kann. Das funktioniert am effizientesten, wenn zuvor definiert wurde, welche konkreten Erfolgsfaktoren konstituierend für die Marke sind.

       Der höchste Lohn: das Vertrauen der Kundschaft

      Als Dank für die konstante Wiederholung und typische Interpretation von Leistung erhält das Unternehmen die nachhaltigste Belohnung überhaupt: das Vertrauen der Kundschaft und die entscheidende Auswirkung davon – einen quasi automatisierten Einkaufsvorgang. Der Kunde weiß, er kann sich blind auf „seine“ Marke verlassen, sein Alltag wird an einem Punkt entlastet, er dankt es mit Treue. Solange die Marke ihm alles in gewohnter Qualität und Form zur Verfügung stellt, wird er über kein Konkurrenzangebot nachdenken. Der gern als Angstgespenst konstruierte Kunde, der jeden Tag alle Anbieter vergleicht, um sich minütlich neu für den billigsten zu entscheiden, ist ein Hirngespinst: Ein durchschnittlicher deutscher Haushalt kauft pro Jahr 466 verschiedene Artikel – 80 Prozent davon befanden sich bereits im Vorjahr im Einkaufswagen. Der Mensch ist immer ein Gewohnheitstier gewesen und wird es immer sein – Ausnahmen bestätigen zwar die Regel, aber von Ausnahmen kann keine Firma leben. Das mag der aufgeklärte Einzelne bedauern, aber es ist der Grund, warum eine Marke funktioniert und existiert. Und es ist ein Grund, warum die Marke in erster Linie ein soziologisches Phänomen ist.

Marke bedeutet Vertrauen in eine Leistung. Dieses Vertrauen kann nur über Konstanz in Handlung und Stil aufgebaut und vertieft werden. Egal wie antiquiert es klingt: Eine Marke benötigt ein hohes Maß an Wiederholung, sonst existiert sie nicht.

       1.3Die Marke ist der „Hard fact“

      Warum Menschen bereit sind, für qualitativ vergleichbare Produkte völlig unterschiedliche Preise zu bezahlen, ist mit betriebswirtschaftlichen Kennziffern nicht zu erklären. Für eine Jeans bezahlen wir 39 Euro, für eine andere 69 Euro oder 149 Euro, bei gleichwertig ausgestatteten Fahrzeugen werden Tausende Euro mehr bezahlt, damit den Kühler ein spezielles Symbol krönt. Die Preisdifferenz ist Markenkraft. Wenn Sie bei Sixt ein Auto mieten, dürfen Sie mit einem Audi, BMW, Jaguar oder Porsche nicht in die meisten Länder Osteuropas fahren. Mit einem Alfa Romeo, Citroën, Ford oder Opel dagegen schon – die Differenz macht die Markenkraft deutlich und (be-)greifbar. Obwohl in keiner Bilanz gelistet, ist die Zugkraft der Marke oft der größte Unternehmenswert. Warum sonst erlösen einige Unternehmen beim Verkauf das Zigfache ihres Buchwerts?

      Die Marke ist der entscheidende – neudeutsch – „Hard fact“ im Unternehmen; sie entscheidet über das wirtschaftliche Wohl und Wehe – egal ob Hose, Hotel oder Poké Bowl. Speziell in Krisenzeiten ist sie der letzte Rettungsanker: Wenn alles an Personal und Service durch externe Berater teuer „gesundgeschrumpft“ wurde, die Absatzzahlen als Folge davon im Keller sind, dann erinnern sich Firmen daran, wofür sie einst standen, und leiten die Radikalkur ein: was nichts anderes als eine radikale Besinnung auf die eigenen Kernwerte bedeutet. Ab jetzt geht es um die Dinge und Fragen, die relevant sind – endlich: Der Blick wendet sich zwangsläufig nach innen und es wird erstmals(!) ernsthaft über eigene Leistungen argumentiert. Ärgerlich, dass es in der Praxis vielerorts eine existenzielle Krise braucht, damit ein „normales“ Vorgehen in Bezug auf das Thema „Marke“ möglich ist. Zuvor gilt eine solche Auseinandersetzung vielen Verantwortlichen als nettes Workshop-Extra, wenn zu viel Zeit und Geld da sind. Dabei sorgt erst die gut geführte Marke dafür, dass stets genug Geld für die netten Workshops reinkommt.

       Eine Marke ist kein Marketing-Luftschloss

      Die Erfolgsbausteine einer Marke sind keine schmissigen Begriffe vom letzten Abteilungs-Brainstorming, sie liegen im Unternehmen und sind faktisch belegbar. Ihre Hebung erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit den eigenen Leistungen und der eigenen Geschichte – das ist anstrengend und kostet Zeit, die im Tagesgeschäft fehlt. Es kommt noch schlimmer: Eine Marke verspricht keinen „saspo“ messbaren Return on Investment und ist daher nur in inhabergeführten Firmen oder dort, wo das Management nicht alle zwei Jahre wechselt, seriös darstellbar. Jeder Verantwortliche, der sich entschließt, aus seinem Produkt eine Marke zu machen, wird betriebswirtschaftlich davon profitieren – nicht heute, nicht morgen, aber in jedem Fall auf lange Sicht! Eine Marke ist das Ergebnis jahrelanger, manchmal jahrhundertelanger Arbeit und darf nicht mit kurzfristigen Maßstäben gemessen werden: Die Bank of Scotland wirbt mit „Vertrauen seit 1695“ – das soll ihr mal eine andere Bank „schnell nachmachen“!

       Eine Marke lebt von Fakten

      Wer einmal auf der Suche nach einer neuen Waschmaschine von einem echten Fachverkäufer beraten wurde, der weiß, dass der Verkaufsexperte den Kunden mit Fakten von einem Produkt zu überzeugen weiß. Ob die Marke Bosch in ihrer Werbung emotionalere Motive zeigt als Miele, interessiert den Kunden bei der Kaufentscheidung nicht – für ihn zählt einzig und allein, welche Waschmaschine ihm mehr persönliche Vorteile bietet. Das Geld soll gut investiert sein, zudem muss die Entscheidung am Abend vor der Familie sinnvoll begründet werden. Der Satz „Die Frau in der Werbung war wunderschön“ reicht meist nicht oder wirkt kontraproduktiv für den Familienfrieden.

      Jede Marke basiert auf Fakten: spezifische Leistungen, die bei Menschen auf Resonanz stoßen. Egal ob Ihre Marke Miele, Bosch oder PC-Klinik heißt, egal ob sie Heftklammern herstellt oder Senf produziert – Aufgabe ist es,

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