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ihre eigene Identität aus Markenidentitäten beziehen.

      Das Ärgerliche am Thema „Marke“ ist, dass die wenigsten Menschen wissen, was „Marke“ wirklich bedeutet. Ähnliche Phänomene gibt es sonst nur bei Themen wie „Politik“ oder „Schule“: Weil wir irgendwann einmal eine Schule von innen gesehen haben, glauben wir Lehrer, Schule und Pädagogik bewerten zu können. Ähnlich ist es mit dem Thema „Marke“: Weil jeder von uns täglich mit Markenprodukten und Markenwerbung konfrontiert wird, liegt der Rückschluss nahe, dass wir wissen, was eine Marke ist – Nivea, Haribo, Rolex und Tesla. Eventuell noch Aldi. Aber da wird es bereits schwierig, weil eine Marke doch irgendwas mit Exklusivität oder zumindest mit viel Werbung zu tun hat …

      Eine Marke ist jedoch mehr als Popularität, Werbung oder ein paar hell erleuchtete Buchstaben auf dem Dach des Firmensitzes: Eine Marke ist der entscheidende Wettbewerbsvorteil hinter jeder langfristig erfolgreichen Unternehmung. Dieses Buch will die Grauzone „Marke“ erhellen und zu einem sowohl sachgerechten als auch sachlichen Umgang mit der Thematik aufrufen. Hinter dem Wirtschaftskörper „Marke“ steckt ein komplexer sozialer Vorgang, bei dem es um die Gewinnung von Vertrauen geht: zum Wohle der Ertragskraft. Eine Marke ist nie Selbstzweck, sondern maximiert die Wertschöpfung und bringt Menschen in Lohn und Brot. Doch keine Sorge: Der Mythos „Marke“ wird nicht entzaubert – aber die Gründe für die mythische Anziehungskraft vieler Marken sind Ihnen im Anschluss an die Lektüre bewusst.

      Mythen bilden keine seriöse Arbeitsgrundlage. Aus diesem Grund werden die universellen Mechanismen hinter dem Phänomen „Marke“ offengelegt – Sie können diese anschließend sofort für Ihre eigenen unternehmerischen Ziele nutzen. Ob Tagesgeschäft oder Gesamtstrategie, Sie erhalten Handlungsoptionen, die sowohl für den gezielten Aufbau einer neuen Marke als auch für die Führung und Stärkung einer bestehenden Marke direkt einsetzbar sind: „Machen“ Sie Marke! Es lohnt sich – denn wie schon Ludwig Erhard erkannte: „Nichts ist für eine Volkswirtschaft ärgerlicher als ein missratener Markenartikel.“

      Arnd Zschiesche und Oliver Errichiello

       1.Was ist eine Marke?

      Es gibt unzählige Marken auf der Welt. Einige kennt jedes Kind, andere kennen nur wenige Eingeweihte. Eines haben alle Unternehmen, die langfristig erfolgreich im Markt agieren und so zur Marke geworden sind, gemeinsam: Sie verfügen über eine Kundschaft, die regelmäßig ihre Markenleistung in Anspruch nimmt. Der einzige Grund dafür ist, dass Menschen die Leistung für gut befunden haben und anfingen, ohne Abwägen das Produkt regelmäßig zu kaufen. Eine „einfache“ Erfolgsstruktur, die grundlegend für jede Unternehmung ist und oft in Vergessenheit gerät. Doch genau so startet jede Marke.

       1.1Eine Marke ist ein positives Vorurteil

      Über den regelmäßigen Verkauf von Ware entsteht wirtschaftliche Sicherheit beim Anbieter. Mit der Existenz von Wiederkäufern erhält der Kaufmann eine Berechnungsgrundlage für das Geschäft. Erst die Stammkundschaft ermöglicht vorausschauendes Steuern und Handeln: Ob Eckkneipe im Dorf, solider Mittelständler oder globaler Konzern – eine Marke wird nicht ab einem prozentual festgelegten Popularitätsgrad wirksam. Sie wirkt ab dem Moment, an dem eine bestimmte Personengruppe zu Wiederkäufern wird, weil diese Menschen ein positives Vor-Urteil über eine spezifische Leistung besitzen. Sie geben dem Unternehmen ihr teuer verdientes Geld (im Voraus!), weil sie Vor-Vertrauen in eine Leistung entwickelt haben.

       Gute Leistungen schaffen positive Vorurteile

      Dieser soziale Vorgang ist entscheidend für die Markenbildung: Eine gute Markenleistung sorgt dafür, dass sich ein positives Vorurteil bildet. Menschen haben ein Produkt gekauft oder einen Service in Anspruch genommen und waren mit der Leistung zufrieden. So zufrieden, dass sie wiederholt zugegriffen haben und wiederholt nicht enttäuscht wurden. Die Folge: Eine Anzahl Menschen redet positiv über eine Leistung und tätigt voller Erwartung den nächsten Kauf. Jede Marke funktioniert über ein solches Voraus-Urteil. Auch ein Zwischenhändler, der öffentlich gar nicht in Erscheinung tritt, existiert nur, weil seine Handelspartner ein positives Vorurteil über seine Leistung besitzen.

       Positive Vorurteile lenken den Alltag

      Jeden Tag können wir Einfluss und Lenkkraft der Marken-Vorurteile an uns selbst überprüfen: Auch wenn wir weder Dermatologe noch Chemiker sind, gehen wir fest davon aus, dass in der blauen Niveadose keine bösartigen Stoffe darauf warten, unsere Haut zu zersetzen. Unbedenklich konsumieren wir Produkte, greifen im Supermarkt nach Danone-Joghurt oder dem Saft von hohes C. Marken schenken Vertrauen und reduzieren somit die Komplexität des modernen Alltags. Eine dankbare Aufgabe: Stellen Sie sich vor, Sie möchten ein Auto kaufen, wissen aber rein gar nichts über Automarken. Rolls-Royce, Peugeot oder Dacia? Die Recherche wäre so umfangreich, dass bis zur Kaufentscheidung nur noch Raumgleiter über dem Boden schweben.

       Positive Vorurteile als Fundament der Marke

      Die Tatsache, dass negative Vorurteile extrem widerstandsfähig sind, hat unzählige Tragödien begünstigt. Oft wird daher die schiere Unüberwindbarkeit von negativen Vorurteilen beklagt. Kostspielige Aufklärungskampagnen verlaufen im Sand, weil Vorurteile kulturell tief verankert sein können. Albert Einstein stellt dazu fest: „Ein Vorurteil ist schwerer zu spalten als ein Atom.“ Für Marken ist die Widerstandskraft von Vorurteilen dagegen ein wirtschaftlicher Segen: Denn positive Vorurteile sind ebenso schwer spaltbar und langlebig wie negative. Das bedeutet, dass eine Marke, der es gelungen ist, ein positives Vorurteil zu etablieren, schon einiges „leisten“ muss, um das gute Urteil zu attackieren: Es braucht einen medial ausgeschlachteten Schleudertest, um das positive Vorurteil über die Sicherheit eines Mercedes-Pkw zum Wackeln zu bringen. Der Begriff „Elchtest“ wird noch über Jahrzehnte hinweg negativ mit Mercedes in Verbindung gebracht werden und VW wird über lange Zeit mit „Dieselgate“ zu kämpfen haben – egal wie akkurat danach gearbeitet wurde. Als volumenstärkster Autobauer der Welt, einst weltberühmt für die Solidität und Zuverlässigkeit seiner Produkte wird VW seit 2017 mit ganz anderen „(Negativ-) Leistungen“ in Verbindung gebracht. Bedenken Sie: Auch wenn Ihre Firma deutlich kleiner und jünger als der Wolfsburger Konzern ist, der Mechanismus wirkt immer auf die gleiche Weise!

       Marke bedeutet Verpflichtung

      Es ist deutlich erkennbar, warum sämtliche Energien eines Unternehmens darauf gerichtet werden müssen, das positive Vorurteil zu erhalten und es jeden Tag neu zu bestätigen: Vorurteile sind der Beton, auf dem Marken stehen, und dürfen nie ins Wanken geraten. Ihre Existenz schränkt jedoch die Optionen der Verantwortlichen ein: Von dem Moment an, in dem ein positives Vorurteil über die Marke existiert, ist das Unternehmen dahinter in seinem Handeln nicht mehr frei. Ab diesem Zeitpunkt hat es die Verpflichtung, immer genau so zu agieren, dass die Erwartungshaltung der Kundschaft bestätigt wird. Juristisch gesehen besitzt ein Unternehmen „seine“ Marke. Doch sobald ein solides Vorurteil existiert, gehört sie der Kundschaft: Diese trägt das Wissen und das Bild von der Marke – und sie zahlt dafür.

Eine Marke ist ein positives Vorurteil über eine Leistung. Menschen haben über ihre gute Erfahrung mit einer Leistung Vertrauen aufgebaut: Kundschaft ist entstanden. Wichtigste Aufgabe des Unternehmens ist es, dieses Vorurteil und damit das Vertrauen in die Markenleistung konsequent zu bestätigen.

       1.2Eine Marke lebt von Wiederholung

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