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ich Richardson fertig. Mit dem ersten Schlag, zu dem ich ausholte, einer Rechten, schlug ich ihn nieder. Er hielt noch eine Minute durch, aber dann traf ich ihn mit einer schwungvollen Linken. So groß, wie er war, taumelte er davon und landete auf der anderen Seite des Rings. Conroy Nelson, der Jahre zuvor den kanadischen Titel an Trevor Berbick verloren hatte, war als Nächster dran. In Kanada war er noch immer die Nummer zwei im Schwergewicht. Er war ein zäher und erfahrener Bursche, mit einem großen Adonis-Leib. Alle Moderatoren meinten, dieser Typ würde mich einem ersten echten Härtetest unterziehen. Ich bearbeitete diesen Körper regelrecht in der ersten Runde. Unter meinen Körperschlägen ging er zwei oder dreimal fast zu Boden. In der zweiten verpasste ich ihm ebenfalls zahlreiche Körperschläge, brach ihm mit einer Rechten von oben die Nase und schickte ihn mit einem linken Kinnhaken zu Boden. Als der Ringrichter den Kampf abbrach, stolzierte ich durch den Ring und saugte mit ausgebreiteten Armen die Bewunderung der Fans in meiner Heimatstadt in mich auf.

      Mein nächster Kampf fand am 6. Dezember im Felt Forum im Madison Square Garden statt. Alle meine Kumpels aus Brownsville kamen. Aber ich war zu konzentriert, um das genießen zu können. Ich konnte es nicht erwarten, diese Kämpfe hinter mich zu bringen, um endlich – für Cus – die Chance auf den Titel zu bekommen. In der Nacht kämpfte ich gegen Sammy Scaff. Diesen trampeligen, gut 112 Kilo schweren Gesellen aus Kentucky traf ich mit zwei furchteinflößenden linken Haken so schwer am Kopf, dass sich sein Gesicht in eine blutige Maske verwandelte und seine Nase eine neue Gestalt erhielt. Länger als der Kampf selbst blieb mir mein Interview danach in Erinnerung. John Condon, der Box-Chef des Madison Square Garden, der als Ko-Kommentar auftrat, fragte mich nach dem typischen Tag im Leben des Mike Tyson.

      „Mike Tyson ist einfach ein hartarbeitender Kämpfer, der ein langweiliges Leben führt. Alle, die meinen, sie wären gerne an meiner Stelle, diese Hunderte von Leuten, die das behaupten, haben keinen blassen Schimmer. Wenn sie an meiner Stelle wären, würden sie wie Babys losschreien. Sie würden damit nicht fertig.“

      Mein nächster Kampf fand wieder in Latham statt, als Hauptveranstaltung in einer Arena, die vollgestopft war mit Fans von mir. Mein Gegner war Mark Young, ein zäh aussehender Bursche. Als wir zur Belehrung in die Mitte des Rings traten, spürte ich seine Ausstrahlung. Wenn ein Gegner bei der Belehrung zu Boden blickt, will das überhaupt nichts heißen. Es kann Augenwischerei sein. Man spürt die Energie, die sein Geist, seine Seele ausstrahlt, zieht sich in seine Ecke zurück und denkt: „Oh Scheiße“. Oder aber: „Dieser Kerl ist ein Schlappschwanz.“ In dieser Nacht dachte ich: „Oh Scheiße, der kämpft am Ende doch.“ Auch Kevin spürte das.

      „Verpass ihm harte Jabs und beweg deinen Kopf“, sagte Kevin. „Vergiss nicht, den Kopf zu bewegen, der kämpft.“

      Als der Gong ertönte, begann er sehr locker, wurde dann aber wild, worauf ich harte Jabs lancierte und den Kopf hin und her bewegte. Nach etwas mehr als einer Minute holte er zu einer wilden Rechten aus, worauf ich mich um ihn herum wand und ihm einen hinterhältigen bösen Aufwärtshaken verpasste: Peng! Er flog buchstäblich in die Luft und stürzte mit dem Gesicht nach vorn zu Boden. Der TV-Kommentator Ray Manicini war voll des Lobes für mein Können, meinte aber, es sei Zeit, dass mir mein Management endlich jemanden zum Kämpfen verschaffte.

      Aber Jimmy hielt an seinem Plan fest. Zwei Wochen später trat ich in Albany gegen Dave Jaco an. Er hatte eine Kampfbilanz von 19 Siegen bei 5 Niederlagen und 14 Knockouts, darunter ein technischer K.o. über Razor Ruddock. Jaco war ein großer, dünner weißer Bursche, der nicht viel hermachte, aber richtig zäh war. Immer wenn ich ihn niederschlug, stand er wieder auf. Nach drei Niederschlägen in der ersten Runde brach man den Kampf ab.

      In der Nacht feierte ich mit Freunden den Sieg. Am nächsten Morgen gegen acht Uhr klopfte ich an Camilles Tür. Als sie öffnete, ging ich hinein und setzte mich wortlos.

      „Wie hast du dich geschlagen?“, fragte sie.

      „Gut“, sagte ich. „Aber ich habe jemanden vermisst, der nicht da war.“ Tränen liefen mir die Wangen herunter.

      „Cus war nicht da. Alle sagen mir, dass ich gut sei. Ich bin auch gut, aber wenn ich schlecht bin, sagt mir das keiner. Egal, wie gut ich gekämpft habe: Cus hätte wahrscheinlich etwas gesehen, das ich falsch gemacht habe.“

      Ich ließ mich darüber aus, wie ich mich beim Interview für Sports Illustrated gefühlt habe.

      „Ich vermisse Cus schrecklich. Er war mein Rückgrat. All diese Dinge, die wir uns erarbeitet haben, kommen jetzt so gut raus. Aber wen interessiert das schon, wenn’s drauf ankommt? Ich mag meinen Job, bin nach dem Sieg aber nicht glücklich. Ich reiß mir im Kampf den Arsch auf und gebe mein Bestes, aber wenn es vorbei ist, sagt mir kein Cus mehr, wie ich war. Und ich kann keiner Mutter meine Zeitungsausschnitte zeigen.“

      Doch ich ließ meine Gefühle beiseite und hielt mich selbst auf Trab. Am 24. Januar 1986 trat ich gegen Mike Jameson an, einen großen Iren, der Entscheidungskämpfe gegen Tex Cobb und Michael Dokes gewonnen hatte. Fünf Runden brauchte ich, um ihn zu stoppen: Der gerissene Veteran wusste, wann er klammern musste, und sorgte so für einen lustlosen Kampf. Diese Taktik hievte mein nächster Gegner auf eine höhere Ebene. Am 16. Februar traf ich in Troy, New York, auf Jesse Ferguson. Der Kampf wurde von ABC übertragen und war mein erster landesweiter TV-Auftritt. Er war mit einem Sieg über Buster Douglas fünf Monate zuvor ESPN-Champion geworden. Bei diesem Kampf hatte ich ihn hinterher durch die Arena spazieren sehen. Diesen Gürtel wollte ich ihm unbedingt abnehmen.

      Ich wusste, dass es ein harter Kampf werden würde. Während der Belehrung schaute er mir nicht in die Augen und nahm eine ganz demütige, ja unterwürfige Haltung ein. Aber ich spürte in seiner Ausstrahlung keinen Funken Angst oder Schüchternheit; von dem Scheißgetue, dass er mir nicht in die Augen schaute, ließ ich mich nicht täuschen. Ich spürte, dass er es nicht erwarten konnte, mich richtig zu vermöbeln.

      Ich hatte jedoch den Heimvorteil – in mehrfacher Hinsicht. Jimmy hatte meinen ersten nationalen Auftritt zu meinen Gunsten vorbereitet. Er verpasste uns 8-Unzen-Handschuhe, leichtere als üblich. Wir kämpften in einem kleineren Ring als normal. Alle Offiziellen waren in unserer Ecke. Ich startete den Kampf mit einem barbarischen Angriff auf den Körper. Aber Ferguson war klug genug, mich zu umklammern. Die ersten vier Runden ging das so weiter. In der fünften drängte ich ihn allerdings in die Ecke ab, verpasste ihm einen rechten Aufwärtshaken und brach ihm dabei die Nase. Er schaffte es kaum durch die Runde und geriet in der sechsten wieder in Bedrängnis. Unverfroren umklammerte er mich immer wieder und ignorierte das Trennkommando des Ringrichters, bis der den Kampf schließlich abbrach. Dummerweise schien eine Disqualifizierung meine K.o.-Serie zu unterbrechen. Aber am nächsten Tag wandelte die örtliche Box-Kommission das Ergebnis in einen technischen K.o. um.

      Als ich mich nach dem Kampf mit den Reportern traf, sorgte ich für eine Kontroverse. Auf den Treffer mit dem Uppercut angesprochen, der Ferguson wohl fertiggemacht hatte, sagte ich: „Ich wollte ihm nochmals auf die Nase hauen und ihm das Nasenbein ins Gehirn treiben … Ich habe mir immer die Schlussfolgerungen der Ärzte angehört. Sie sagten, immer wenn sich das Nasenbein ins Gehirn bohre, seien die Folgen, wenn er gleich wieder aufstehe, ziemlich klar.“

      Die Reporter lachten, allerdings wohl eher aus Nervosität. Ich sagte ihnen, was Cus mir Wort für Wort immer wieder eingeschärft hatte. Ich glaube nicht, dass ich etwas Falsches gesagt habe. Cus und ich hatten ständig über die Wissenschaft gesprochen, jemanden zu verletzen. Als Champion wollte ich streitsüchtig und boshaft sein. Ich schaute mir im Fernsehen die Zeichentrickserie X-Men an. Einer meiner Lieblinge war die Figur Apocalypse. Er sagte: „Ich bin nicht boshaft, ich bin einfach ich.“ Wenn es nach Cayton und Jacobs ging, sollte ich zu allen freundlich und umgänglich sein, aber jemand, der zu allen freundlich ist, ist sich selbst ein Feind.

      Am nächsten Tag war die Kacke wegen meines Kommentars am Dampfen. Die New Yorker Zeitungen titelten: „Ist das der wahre Mike Tyson? Ein Gangster?“ Ein Journalist rief sogar meine ehemalige Sozialarbeiterin Mrs. Colemen an. Sie gab mir den Rat, mich wie ein Mensch, nicht wie ein Tier zu benehmen. Aber mir war das egal. Ich hatte eine Mission zu erfüllen. Mike Tyson würde nicht Weltmeister im Schwergewicht werden, wenn er einfach nur nett war. Ich machte das für Cus. Meine Gegner sollten wissen, dass sie es vielleicht mit ihrer

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