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der Wohnstube herrscht eine gespenstische Ruhe. Ein Fremder würde vielleicht das Ticken der Pendeluhr wahrnehmen. Franz achtet nicht mehr darauf nach all den Jahrzehnten, die er auf der abgelegenen Bühlmatte verbracht hat. Reglos sitzt er am Tisch, in sich gekehrt. Mit der rechten Hand an der Stirn stützt er den Kopf ab. Die Finger vergraben sich in den Haaren, die wild wuchern und für einen 88-Jährigen noch erstaunlich voll und nur von wenigen grauen Strähnen durchzogen sind. Mit der linken Hand streicht Franz ab und zu über den Rücken der jüngsten seiner Katzen.

      Franz hat kaum geschlafen. Es waren die Worte des Arztes, die ihm den Schlaf raubten. Immer am Dienstag steigt er ins Dorf hinunter, um das Nötigste einzukaufen. Am vergangenen Dienstag hat er den Arzt wegen seines Lungenleidens, das ihm das Atmen zunehmend schwerer macht, aufgesucht. «Eines Tages wirst du dann einfach ersticken», hat dieser ihm in seiner direkten Art erläutert. Die Menschen auf dem Land nehmen die ärztlichen Prognosen meist gelassen hin. Ihnen ist bewusst, dass die Natur schliesslich stärker ist als alle menschlichen Anstrengungen.

      Franz aber, den sonst kaum etwas aus der Ruhe bringen kann, ist zunehmend ins Grübeln geraten. «… dann einfach ersticken», allein, ohne irgendeinen Menschen in der Nähe! Diese Vorstellung ängstigt ihn. Alle Ratschläge des Arztes oder des Pfarrers, doch ab und zu ins Wirtshaus zu gehen, oder einen Altersnachmittag zu besuchen, um Kontakte zu pflegen, hat er stets in den Wind geschlagen mit der Bemerkung: «Ich bin kein gesellschaftlicher Mensch.»

      Jetzt aber spürt er eine Sehnsucht in sich, den letzten Atemzug nicht abgeschieden und einsam tun zu müssen. Am Abend zuvor hat der Nachrichtensprecher im Radio für die kommenden Tage Schnee vorausgesagt. Franz hat sich sogleich ausgemalt, was das für ihn bedeuten könnte: Er wäre nicht mehr in der Lage, mit dem Schilter-Transporter den steilen Hang hinauf zu fahren – die Bühlmatte liegt in einer Art Mulde – und danach den Weg ins Dorf hinunter zu bewältigen. Und das könnte bedeuten: er würde, wenn die Zeit gekommen war, «… dann einfach ersticken».

      Franz holt so tief Atem, dass das Kätzchen vor ihm zusammenzuckt. Er gibt sich einen Ruck und erhebt sich vom Stuhl. Er geht durch jene Zimmer des in die Jahre gekommenen Bauernhauses, die er selber bewohnt hat. Einzelne Räume hatte er kaum mehr betreten seit dem Tod des anderen ledigen und zuhause gebliebenen Bruders vor fünfundzwanzig Jahren und dem Tod der Mutter vor neunzehn Jahren. Fast andächtig geht er in die Schlafstube – er könne diese von der Küche aus auf «gäbige zwölf bis vierzehn Grad heizen», hatte er dem Pfarrer erklärt. Er durchquert die «Butik» genannte Werkstatt in Richtung Küche und Wohnstube. Im Laufe der Zeit haben sich allerdings die Grenzen zwischen den einzelnen Räumen aufgeweicht: überall sind der Boden und die Möbel von Sägespänen bedeckt, liegen Werkzeuge herum oder ist irgendwelches Geschirr abgestellt. Sein Blick fällt auf den fast durchgerosteten Kühlschrank und den Elektroherd, die ihm Leute aus dem Dorf geschenkt haben.

      Mit Wehmut sieht er nochmals auf die paar «Bräntli», «Mälchterli» und Salzgeschirre, die er gefertigt hat. An der Wand erinnern einige Mitbringsel an Schwingfeste – das einzige, was Franz früher ab und zu vom Hof weglocken konnte. Mit Reissnägeln befestigt ist das Bild einer Schwingerkönigin aus der Region, das Franz einmal aus dem Gelben Heft herausgerissen hat. Es ist über dem Telefon angebracht – dem alten schwarzen Kasten mit Drehscheibe, neben dem das Telefonbuch hängt, Ausgabe 1978. Franz hat sich angewöhnt, das Telefon nur noch dann abzunehmen, wenn es ihm darum ist, weil er eigentlich damit rechnet, dass sich jemand verwählt hat oder man ihm irgendetwas andrehen will, das er nicht benötigt.

      Draussen ist es noch stockfinster. Die Uhr, die das ganze Jahr auf Winterzeit gestellt bleibt – Franz hat die Sommerzeit dem Vieh, als er noch zwei Kühe und zwei Kälber hatte, nie zugemutet –, die Uhr also zeigt ein paar Minuten nach fünf an. Franz steckt seine Pfeife und etwas Tabak ein und greift sich seine Zipfelmütze. Mehr würde er nicht mehr benötigen. Er stockt, geht zum Kalender, den ihm jemand von der Kirchgemeinde vorbeigebracht hat, und reisst pflichtbewusst ein Blatt ab: 3. Dezember. Dann zieht er die Türe hinter sich zu.

      Ein letztes Mal blickt er zum Haus zurück, das Aussenstehende als «verlottert» empfinden – sein «Paradiesli». Seine Eltern haben es erwerben können, um eine «Existenz» zu gründen. Zwölf Kinder haben darin das Licht der Welt erblickt. Franz hat nicht alle gekannt, da verschiedene von ihnen als Verdingkinder weitergegeben wurden. Selber hat er nach Ende der Schulzeit zwölf Jahre als Knecht und dann noch in einer Gärtnerei gearbeitet. Danach ist er auf die Bühlmatte zurückgekehrt, um zuhause mitzuhelfen und später zur Mutter zu schauen. Sein Vater war kurz nach Franz’ fünftem Geburtstag gestorben.

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