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den Buchstaben des Alphabets wird gewissermaßen ein Wort gebildet, nämlich das Protein. So hat jedes Eiweiß seine ganz eigene Aminosäurensequenz und -länge. Dieser Prozess spielt sich in bestimmten Zellstrukturen ab: dem Endoplasmatischen Retikulum.

      Damit ein Eiweiß aber seine ihm zugedachte Aufgabe übernehmen kann, muss es weiter verändert werden. Es wird gefaltet und es bilden sich Bindungen innerhalb des Moleküls aus. Dadurch erlangt es eine dreidimensionale Form, die sogenannte Tertiärstruktur, es ist gewissermaßen ein Knäuel. Zusätzlich bedarf es aber oft noch weiterer chemischer Veränderungen, der sogenannten posttranslationalen Modifikation.

      Genau hier kommt nun Vitamin K ins Spiel. Seine Aufgabe ist es – vereinfacht ausgedrückt –, als Coenzym dabei zu helfen, bestimmten Proteinen an bestimmten Stellen, den Glutamatresten, ein Kohlendioxid-Molekül (CO2, Carboxylgruppe) anzuheften. Dadurch wird das Protein dann aktiviert. Diesen Prozess nennt man Carboxylierung. Da die Veränderung an der sogenannten Gamma-Position des Glutamats stattfindet, handelt es sich um eine Gamma-Carboxylierung, und das dafür zuständige Enzym ist die Gamma-Glutamyl-Carboxylase (γ-Glutamyl-Carboxylase, GGCX). Dieses Enzym benötigt die Unterstützung eines Cofaktors und das ist Vitamin K.

      Die von Vitamin K abhängigen Proteine verfügen über drei bis dreizehn Glutamatreste, die alle carboxyliert werden müssen. Osteocalcin besitzt drei davon, MGP fünf und die von Vitamin K abhängigen Blutgerinnungsfaktoren sogar neun bis zwölf. Sie werden normalerweise alle in einem einzigen Durchgang modifiziert.

      Zwei oder drei der carboxylierten Glutamatreste binden gemeinsam ein Kalziumion, wodurch die räumliche Struktur (Tertiärstruktur) des Moleküls stabilisiert wird. Damit ist eine Konformitätsveränderung verbunden, die es dem Protein ermöglicht, an Zellen und extrazelluläre Strukturen zu binden.

      Osteocalcin besteht aus fünfzig Aminosäuren (vgl. Suttie 2009). Davon besitzen drei (rote Kugeln) Glutamatreste, die mithilfe von Vitamin K2 carboxyliert werden können. Dadurch wird das Protein aktiviert und kann Kalzium binden und es in Knochen und Zähnen einlagern.

      Im Anschluss an die Carboxylierung wird das aktivierte Protein meist mittels eines noch nicht identifizierten Transporters in den Golgi-Apparat entlassen und gelangt von dort an den Ort seiner Bestimmung (Blutplasma, Knochenmatrix usw.).

      Ist kein oder zu wenig Vitamin K vorhanden, unterbleibt diese zur Aktivierung notwendige Gamma-Carboxylierung oder sie findet nur an einigen Glutamatresten statt. Das Ergebnis sind uncarboxylierte (uncarboxylated) oder untercarboxylierte (undercarboxylated) Proteine, die inaktiv oder in ihrer Aktivität stark eingeschränkt sind. Sie werden teilweise abgebaut, gelangen zum Großteil aber ebenfalls ins Serum.

      Das an der Gamma-Carboxylierung beteiligte Enzymsystem ist in der Membran des Endoplasmatischen Retikulums verankert. Das sind die Gamma-Carboxylase, die Vitamin K2 (in Form von Vitamin-K2-Hydrochinon = KH2) als Cofaktor benötigt, und das durch Cumarine blockierbare Enzym Vitamin-K-Epoxid-Reduktase, das Vitamin K recycelt.

      Zwar ist der durch Vitamin K bewirkte Aktivierungsmechanismus überall identisch, da aber viele unterschiedliche Proteine von Vitamin K aktiviert werden, werden dadurch ganz unterschiedliche Stoffwechselprozesse wie Blutgerinnung, Atherosklerose, Osteoporose, Krebs usw. beeinflusst. Die meisten haben in irgendeiner Weise mehr oder weniger mit Kalzium zu tun.

      Da viele unterschiedliche Proteine von Vitamin K aktiviert werden, werden auch ganz unterschiedliche Stoffwechselprozesse beeinflusst.

      Auch wenn die Blutgerinnungsfaktoren die am besten bekannten Proteine sind, die von Vitamin K abhängen, handelt es sich bei der Gamma-Carboxylierung um ein uraltes Aktivierungsprinzip von Proteinen, das schon sehr früh in der Evolution entstand. Jedenfalls gibt es Hinweise darauf, dass die Blutgerinnung nicht die ursprüngliche Aufgabe der Proteine mit Glutamatresten ist, denn sie kommen auch bei früh entwickelten Tieren vor, die noch kein Blutgerinnungssystem haben (Bandyopadhyay 2008).

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