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Als Oma noch mit Kohlen heizte. Willi Fahrmann
Читать онлайн.Название Als Oma noch mit Kohlen heizte
Год выпуска 0
isbn 9783766642134
Автор произведения Willi Fahrmann
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Weißt du, Tilla“, sagte Christian, „ich habe überhaupt noch keine Rheinbrücke gesehen. In Köln soll es eine geben und irgendwo in Holland auch. Hat mir jedenfalls mein Onkel erzählt. Und der muss es wissen. Er fährt nämlich schon sein Leben lang als Matrose auf einem Rheinkahn.“
„Ich würde gern auf einer Brücke über den Rhein laufen“, schwärmte Tilla.
„Das ist ein teures Vergnügen, Kind. Mein Onkel sagt, jeder, der über die Brücke in Köln gehen will, der muss Brückengeld bezahlen.“
„Ich habe etwas gespart, Christian. Ich würde all mein Geld geben, wenn ich über eine Brücke laufen dürfte.“
Christian lachte. „Du bist doch sonst so sparsam“, neckte er sie.
„Ganz, ganz langsam würde ich gehen, Christian. Das Wasser fließt unter mir her. Herrlich muss das sein.“
Christian sah, wie Tilla sich tiefer in ihren Mantel kuschelte. „Kalt?“, fragte er besorgt.
„Ja“, antwortete Tilla. „Aber Christian, könntet ihr nicht ...“
„Was könnten wir, Kind?“
„Ich meine, alle Männer aus dem Dorf, ihr könntet doch?“
Christian verstand das Mädchen nicht. Er schaute sie erwartungsvoll an.
„Ihr könntet doch eine Brücke quer über das Eis bauen, Christian.“
„Wie stellst du dir das denn vor, Tilla?“ Um Christians Mund zogen sich kleine Spottfalten. „Das ist unmöglich.“
„Ist nicht unmöglich“, behauptete Tilla. „Ihr schlagt die Eisspitzen mit dem schweren Hammer und mit der Hacke ab, füllt mit den Eisstücken die Spalten aus, bis alles eben ist, und baut so eine Straße von Ufer zu Ufer, breit genug, dass gerade ein Pferdewagen darüberfahren kann.“
Christian lachte laut auf. Tilla aber redete sich in Begeisterung. Sie malte ihm aus, wie die Straße Meter um Meter zum anderen Ufer hin wachsen würde.
„Zum Schluss“, sagte sie, „hackt ihr ein Loch in das Eis, holt mit einem Eimer Wasser empor und gießt es über die Eisstraße. Die wird dann glatt und fest. Und da, wo die Brücke anfängt, da baut ihr aus Eisblöcken links und rechts einen Pfeiler und ...“
„Hör auf, hör auf“, sagte Christian. „Mir wird schon ganz schwindlig bei all deinen Hirngespinsten.“
„Warum nennst du das Hirngespinste, Christian? Eine Brücke ist eine Brücke. Und jede Brücke war zuerst in irgendeinem Kopf da, ehe sie gebaut wurde.“
Christian zündete sich eine Pfeife an. Er musste mehrmals ein Streichholz anreißen, bis der Tabak endlich glühte. Hart pfiff der Wind. Die blauen Tabakswolken wurden ihm vom Munde weggerissen.
„Meinst du wirklich, das geht?“, fragte er nachdenklich.
„Ja, Christian, das meine ich wirklich.“
„Selbst wenn ich es wollte, Tilla, ich werde keinen Menschen finden, der mir dabei hilft. Das ganze Jahr über müssen alle hier im Dorf hart arbeiten. Im Sommer geht es schon in aller Frühe aus den Federn, und ins Bett kommen wir mit den Hühnern. Und die verschwinden bekanntlich erst im Stall, wenn es anfängt, dunkel zu werden. Nur im Winter, da haben wir es etwas besser, da gibt es auf den Höfen nicht viel Arbeit. Jeder Mensch braucht auch mal eine ruhigere Zeit. Und so eine Eisbrücke zu bauen, Tilla, das kostet viel, viel Schweiß.“
„Wär aber schön, wenn die Leute trockenen Fußes übers Wasser gehen könnten. Wär wie bei Moses und den Israeliten.“
„Lass Moses aus dem Spiel, Kind.“ Christian starrte eine Weile auf das Eisfeld und gab zu: „Schön wär’s wahrhaftig.“
„Von weit her würden die Leute kommen“, spann Tilla den Faden weiter.
„Schon möglich“, sagte Christian.
„Und jeder würde das Brückengeld bezahlen, Christian.“
Christian horchte auf. „Brückengeld?“
„Hast du selber gesagt, Christian. In Köln muss jeder, der über die Brücke will, Brückengeld bezahlen.“
„Ja, das stimmt. Aber hier in Alsum? Und über eine Eisstraße? Die Leute werden uns was husten.“
„Werden sie nicht, Christian. In Lehrer Pannbeckers’ Buch steht ...“
„Hör auf mit deinem Buch!“, unterbrach Christian sie. „Das Buch macht dich noch ganz verrückt.“
„Ihr könntet eine Menge Geld verdienen“, beharrte Tilla.
„Möglich wäre es“, überlegte Christian halblaut. Er zog sich die Schirmmütze tief in die Stirn und schaute hinüber zum anderen Ufer. „Ist breit, der Rhein“, wandte er ein. „Und dann kommt das Tauwetter, und aus ist es mit unserer Brücke.“
„Kann sein“, gab Tilla zu. „Aber wenn der Frost nur ein paar Tage anhält, dann könnt ihr viel Geld kassieren.“
„Brauchen könnten wir’s schon“, sagte Christian. Sie schwiegen eine Weile. Der Wind wurde schärfer. Er wehte vom Strom her auf das Dorf zu.
Tilla spürte die Kälte am ganzen Körper.
„Ich friere, Christian“, sagte sie. Doch der war in die Brückengedanken so eingesponnen, dass er sie nicht hörte. Er brummte vor sich hin: „Mensch, Tilla, der Lehrer hatte Recht:
... unter ihrem blonden Zopf
in dem klugen, hellen Kopf
wohl tausend und mehr Ideen sind.“
Er packte das Mädchen, drehte sie zweimal, dreimal schnell im Kreise und rief: „Kalt wie ein Eisberg bist du, Kind. Aber ich versuch’s. Ich gehe in den ‚Goldenen Schwan‘. Ich versuch’s. Ich rede mit den Knechten.“
Sie rannten den Deich hinab. Christian betrat die Gaststube und Tilla ging nach Hause. Sie war durchgefroren bis aufs Mark. Selbst als sie neben ihrer Schwester im Bett lag, konnte sie vor Kälte lange nicht einschlafen.
Der Christian aber hat sich im Gasthaus „Zum Goldenen Schwan“ an den langen Tisch zu den Knechten gesetzt und hat eifrig von dem Brückenbau geredet. Erst haben die Knechte gedacht, der Christian ist übergeschnappt. Aber als vom Bauerntisch der Bauer Drevenaar und der Lehrer aufstanden, zu den Knechten an den Tisch traten und gespannt zuhörten, was der Christian ihnen lang und breit vortrug, da merkten sie, dass an dem Plan doch etwas dran war.
„Und dann machen wir es wie bei der Engelsbrücke in Rom“, rief Christian. „Und auch wie bei der Rheinbrücke in Köln. Wir verlangen von jedem, der auf die andere Rheinseite will, ein Brückengeld.“
„Eine Silbermark fordern wir von jedem“, schrie Hein Kaldewitt, ein kleiner blonder Knecht vom Leyschen Gut.
„Unsinn“, widersprach Christian. „Wenn wir so viel Geld haben wollen, dann kommen nur wenige. Ich denke, einen Groschen hin und einen weiteren für den Rückweg verlangen wir. Das ist nicht zu teuer und wird viele Menschen locken, über die Brücke zu gehen.“
„Und für Kinder zwei Pfennig“, schlug Peter Basner vor. „Kleinvieh macht auch Mist.“
„Wenn’s aber schiefgeht?“, wandte Hein ein. „Ich meine, wenn’s Tauwetter gibt oder wenn gar keiner rüberwill? Dann haben wir uns den Buckel krumm geschuftet und alles war für die Katz.“
„Wenn, wenn, wenn“, sagte Christian ungeduldig. „Mit so vielen Wenn und Aber wäre die Karlsbrücke in Prag niemals fertig geworden.“
„Ich finde den Plan nicht schlecht“, mischte sich Lehrer Pannbeckers ein. „Ich habe da ein Buch ...“
Der