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Tales of Beatnik Glory, Band II, (Deutsche Edition). Ed Sanders
Читать онлайн.Название Tales of Beatnik Glory, Band II, (Deutsche Edition)
Год выпуска 0
isbn 9783862870967
Автор произведения Ed Sanders
Жанр Документальная литература
Серия Tales of Beatnik Glory - Deutsche Edition
Издательство Bookwire
Und die Moresca tanzte das Phantom, als Carol Mulligan mit ihrem Sohn On the Road kam. Carol war die Erste und Einzige von ihnen gewesen, die buchstäblich ausgeflippt war. Und jetzt war sie wieder da! Sie hatte etwas zugenommen, was nur gut war, so beängstigend mager, wie sie während ihrer schlimmen Zeit gewesen war.
Ihr Mann Bart war ein »apokalyptischer Bop-Prosa-Spontaneitäts-Avatar«, mit anderen Worten ein Romancier und Dichter, der in der postkerouacschen Tradition schrieb: so schnell und so viel wie möglich, nach der Maxime: Der erste Gedanke ist auch der beste. Bart hatte einige Zeit davor eine Lyrikertagung in Kalifornien besucht und war mit einer Frau namens Ocea the Other — oder schlicht Other — zurückgekehrt. Ocea the Other hatte einige Jahre eifrig Karriere an der Lower East Side gemacht, bevor sie zurück nach Berkeley gegangen war, um ihren Doktor zu absolvieren. Sie war fest entschlossen, als Lyrikerin von der New York School akzeptiert zu werden, und so füllte sie — wie ein Mädchen, das erst mit dem Kopf nickt, bevor es beim Seilhüpfen ins Doppelseil springt — ihren Rucksack mit den richtigen, sprich: angesagten Büchern und machte sich, um mitspielen zu können, mit der ganzen Skala der Themen vertraut.
Familie Mulligan hatte vor dem Flug nach Kalifornien auf dem Drahtseil der Wohlfahrt getanzt. Als Bart zurückkam, bestand das Sozialamt darauf, dass er sich Arbeit suchte, egal welche, und obwohl er das Gelübde abgelegt hatte, »vom Wort zu leben«, als man ihnen die Leistungen zu streichen drohte, kapitulierte er dann doch und die Leute von der Wohlfahrt gaben ihm das Geld für einen Anzug sowie ein Hemd mit Button-down-Kragen nebst Schlips; damit sollte er in den Bürogebäuden uptown auf Jobsuche gehen.
Bart Mulligan fuhr mit dem Geld rüber an die West Side und fand einen waschechten Zoot Suit mit rasantem breitem Revers und ein Hemd mit Entenschwanzkragen, und darin stolzierte er mit Ocea the Other auf dem Kopfsteinpflaster der Lower East Side von Café zu Café — Mann, apokalyptische Pop-Prosa-Spontaneität, echt, Mann, ich meine, mit der nächsten Edna St. Vincent Millay durchs Viertel zu schlendern, Wahnsinn, Mann, irre, echt.
Bei Carol und On the Road ließ er sich immer seltener sehen, und noch seltener sahen sie Geld. Schließlich strich man ihnen die Sozialhilfe, und er versuchte letztendlich mit zwei Frauen zu leben, in zwei Wohnungen, ein Verhältnis so ärmlich wie das andere.
Carol Mulligans Philosophie war die der sofortigen Rache gewesen — Auge um Auge, Fick um Fick. Kaum hatte sie von einer seiner Eskapaden erfahren, hatte sie bei Stanleys oder im House of Nothingness einen Kerl aufgegabelt und ihn gebumst. Dieses Mal war es anders. Sie war am Boden zerstört. Carols Markenzeichen waren lange schwarze T-Shirts, die die Garben ihrer langen, glatten, hellblonden Haare besonders zur Geltung brachten. Ihre Wangen waren dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr gerötet, und ihre hellgrauen Augen schienen stets feucht; wenn sie aufgeregt war, flatterten ihre Lider. Zu Abend aß sie mit den Alkoholikern in der Suppenküche des Catholic Worker.
Obwohl der Mongolenausschuss half, wo immer es möglich war, musste Carol fast alles verkaufen; das ging so weit, dass sie zu ihrer Demütigung einen Karton voll Kram wie Besteck und Salzstreuer ins Treppenhaus stellte, in der Hoffnung, einer der anderer Mieter würde etwas kaufen.
Schließlich wurde es ihr einfach zu viel — ihre Augen hatten Ringe von fauvistischem Rot, und sie hatte sich in eine Art Stupor geweint. Eines Abends hatte Bart versprochen, Lebensmittel und Geld zu bringen, aber um Mitternacht war er noch immer nicht da. Das reichte. Carol Mulligan öffnete die Schranktür, ging in die Hocke, lehnte sich mit dem Rücken gegen die hintere Wand, seufzte zum Abschied leise und versank dann Zentimeter für Zentimeter in dem Chaos aus Sandalen, Schuhspannern, Büchern und Hukaschläuchen auf dem Schrankboden, das eines Duchamp würdig war. Dort blieb sie sitzen, bei geschlossener Tür, und On the Road brachte ihr einige Tage lang Brot und Wasser, bis Bart ganz zufällig die Schranktür öffnete und sie dasitzen sah.
Bart fand die Geschichte mit dem Schrank gar nicht komisch, ebenso wenig wie Ocea the Other. Carol hatte die Augen fest geschlossen und schien bewusstlos zu sein. Schließlich rief ihr Gatte in der Klapse an, und die schickten die Weißkittel los. Der Ausschuss setzte sich mit ihrer Familie in Idaho in Verbindung, und sie flog nach Hause. On the Road blieb bei Marie Colson.
Am Abend vor dem Picknick waren Carol und On the Road wieder vereint und jetzt hielten sie triumphierend auf dem Spielplatz Einmarsch, unter Applaus.
On the Road, das Gescheiteste der Kinder, hatte einen Arm voll Publikationen dabei — Der Niedergang der Ehe meiner Eltern, eine Novelle, die er geschrieben hatte und die einige wirklich gute Schilderungen von Ehestreitigkeiten unter Beatniks enthielt. Während seine Mama sich in Idaho ausgeruht hatte, ließ On the Road sich von Marie Colson mit dem Manuskript zum Peace Eye Bookstore bringen. Marie und ich tippten die Matrizen und zogen sie ab, die Zeichnung auf dem Cover klaute er aus einer Mappe seiner Mutter, und damit war On the Road im Alter von sechs Jahren gedruckt.
Er war ein ausgesprochen frühreifes Kind. Hätte man ihm gesagt: »Komm her, On The Road, jetzt lernen wir ein bisschen Akkadisch«, er hätte nach ein paar Tagen in feuchten Lehm mit einem Griffel in Keilschrift geschreieben.
Später brachte er sein Buch im Eighth Street Bookshop und im Gotham Book Mart an den Mann, und schließlich wurde On the Road geradezu eine Sensation. Die Village Voice brachte einen Artikel über das literarische Wunderkind, und es kamen Anfragen von Verlagen aus der uptown, sehr zum Verdruss und zur Besorgnis seines Vaters.
Während des Picknicks verkaufte On the Road das Buch an Passanten. Taktvoll warb er dafür: »Mein Papa ist bis ganz nach Kalifornien getrampt, und ich habe ein Buch darüber geschrieben! Nur fünfzig Cent!« In einer halben Stunde verkaufte er an die fünfundzwanzig Stück. On the Road würde es noch weit bringen.
Die Stimmung im Park näherte sich an jenem Vormittag einem »Unmaß an Frohsinn«, wie Samuel Pepys es ausgedrückt hat. Gedämpft wurde dieser Frohsinn jedoch durch die Ankunft von Marianne Bonfiglie, die sich die Nacht auf der Suche nach ihrem Freund Llaso um die Ohren geschlagen hatte, der sang- und klanglos verschwunden war und dabei ihren Fernseher, den Plattenspieler, Schmuck und Geld hatte mitgehen lassen, von ihrem heiß geliebten Büffelhaut-Tomtom ganz zu schweigen. Sie erzählte die Geschichte und meinte dann lachend: »Meine Mutter hat’s mir prophezeit.« Eine andere, angesäuselt von Aufputschpillen und Wein, sagte zu Marie, Marianne hätte sich das ja vielleicht selbst denken können, schließlich hieß Llasos bekannteste Gedichtfolge Ich bin ein Soziopath.
Am meisten ärgerte Marianne der Verlust ihrer Trommel, da sie in einer merkwürdigen Personalunion Dichterin, Schauspielerin und Trommlerin war. Schlagzeugerinnen waren in der ersten Hälfte der Sechziger eher dünn gesät — Marianne Bonfiglie wurde später bekannt, als sie bei Velvet Underground vorspielte und beinahe genommen wurde. Die Miete verdiente sie sich mit Nacktfilmen. Manchmal stand sie mit Llaso in den Skizzensitzungen des Mongolenausschusses Modell. Die beiden hatten passende Muttermale, seines auf dem Penis, ihres über der rechten Brust. Während der heißen Monate ihrer gemeinsamen Zeit hatten sie in ihnen Vermählungszeichen gesehen.
Marianne verließ die Party schließlich, um ihre Suche fortzusetzen, und einige Augenblicke später kam On the Road Mulligan angelaufen und berichtete, er habe Llaso beim Entladen eines Taxis gesehen; er schleppe allen möglichen Kram in den Laden von Fence Lady an der Ecke Tenth und B. Fence Lady hatte einen jener Läden für Antiquitäten, Schmuck und Haushaltskram, wo Junkies geklautes Zeug verhökern konnten. Sie nahm auch Bestellungen entgegen. So konnte man zum Beispiel eine IBM-Schreibmaschine ordern, und Llaso oder Andrew Kliver brachen dann in der Universität oder irgendeinem Büro ein, um eine zu klauen. Berühmt war der Duft des Ladens: Fence Lady rauchte Asthmazigaretten auf Belladonnabasis um den Geruch des Grases zu kaschieren, das die Jungs aus der Nachbarschaft manchmal bei ihr durchzogen.
Eine der Frauen blieb bei den Kindern, und die anderen elf liefen aus dem Park, um Llaso zu stellen. Der trug den Aufzug, in dem er seine offiziellen Geschäfte tätigte: ein großes Silberkreuz an einem Band und eine Art Klerikerkragen, enge schwarze Levi’s, die eine Handbreit zu kurz waren,