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schmales, etwas blasses Gesicht, in dem die nachtschwarzen Augen, umrahmt von einem dunklen Wimpernkranz, besonders auffielen.

      Fasziniert schaute Paul die Frau an, die in kaum mehr als einer Woche mit ihm vor dem Traualtar stehen würde. »Du bist so schön, Monika, dass ich dich am liebsten als Bild über meinem Bett hängen hätte.«

      »Mich kann man net kopieren«, konterte die Frau sofort. »Mich kann man höchstens lieb haben oder hassen«, sagte sie und bot ihm ihre Lippen zum Kuss. »Wohin willst gehen?«

      »Ich hab’ gedacht, ich zeig dir den Wasserfall drüben am Wendelstein. Den hast noch net gesehen. Das ist net so weit von hier, und eine Bank gibt es da auch.« Zärtlich schaute er ihr in die Augen, und dann streichelte er zart über ihre Wangen, ihre Schläfe und dann über ihren Hals.

      Martina spürte kleine Schauer über ihren Rücken rieseln. Es war ein wundervolles Gefühl, das sie schon seit sehr vielen Jahren nicht mehr gehabt hatte. Fast war sie versucht zu glauben, dass dies alles, was sie in den letzten Wochen erlebt hatte, nur ein Traum gewesen war.

      »Es ist kein Traum, Schatzerl«, flüsterte Paul in diesem Moment, als hätte er ihre geheimen Gedanken erraten. »Das muss ich mir immer wieder sagen, denn sonst fürchte ich, einfach aufzuwachen und du bist verschwunden.« Seine Lippen näherten sich den ihren, und dann küsste er sie zärtlich.

      Es dämmerte bereits, als die beiden Liebenden Hand in Hand einen Bergweg hinaufgingen. Einzelne Vögel zwitscherten noch, doch deren Stimmen klangen bereits ein wenig verschlafen. Dann verstummten sie ganz.

      »Herrlich ist es hier«, schwärmte Monika verträumt und griff nach dem Arm ihres Verlobten. Glücklich legte sie ihren Kopf an seine Schulter. »So möchte ich bis an mein Lebensende mit dir gehen«, sagte sie leise, während sie einen Fuß vor den anderen setzte.

      »Bald sind wir da.« Paul blieb an einer Wegbiegung stehen. »Schau dir den Ausblick an. Von hier aus kannst du ganz St. Johann sehen. Siehst du die ersten Lichter, die sie bereits eingeschaltet haben? Aus dieser Entfernung könnte man glauben, es mit einer Spielzeugwelt zu tun zu haben. Ganz klein wird man da.«

      Monika nickte zustimmend. »Es ist wohl richtig, wenn man ab und zu solche Gefühle hat«, sagte sie leise. »So wird man wenigs­tens net übermütig, wenn einen das Glück überrollt, so wie das im Augenblick mit uns geschieht. Es kann sich genauso schnell auch wieder ins Gegenteil verwandeln.« Sie war sehr ernst geworden.

      »Da hast recht, Schatzerl. Man kann nix festhalten im Leben. Es kommt alles, wie es muss. Um so mehr hat man die Verpflichtung, den Augenblick zu genießen und für alles dankbar zu sein.« Er legte seinen Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich.

      »Weißt du, ich bin dem Himmel sehr dankbar, dass er uns über so viele Umwege zueinander geführt hat. Das hätten wir uns damals, als wir noch Kinder waren und zusammen in St. Vinzenz zur Schule gegangen sind, bestimmt net träumen lassen.« Monika redete leise, denn sie hatte plötzlich Angst, mit ihren Worten etwas zu zerstören, wenn sie sie zu laut aussprach.

      »Du hast mir damals schon gefallen«, antwortete er, ohne sie loszulassen. »Aber du hattest ja nur Augen für euren Sommergast Manfred. Du hast ihn ja dann auch bald geheiratet und bist mit ihm nach München gezogen.« Obwohl er es nicht wollte, klang doch ein kleiner Vorwurf in seiner Stimme mit. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er nächtelang um ihr Elternhaus geschlichen war in der Hoffnung, sie vor ihrer Abreise noch einmal zu sprechen. Er hatte versuchen wollen, sie von diesem Vorhaben abzubringen. Aber es wäre wohl ohnehin schon zu spät gewesen.

      »Du hast dann ja auch nimmer lang gewartet und dich in Anneliese verliebt, bist mit ihr nach St. Johann gezogen. Meine Mutter hat es mir später gesagt, als ich sie besuchte.« Sie lächelte kaum merklich vor sich hin.

      »Anneliese war ein liebes Madl. Sie besuchte ihre Großtante, die im Sterben lag. Ich kannte die alte Frau flüchtig. Sie lebte schon lange in St. Vinzenz, war immer allein und hauste zurückgezogen auf einer Alm. Keiner von uns wusste, dass sie eine reiche Schriftstellerin war, die ein gutes Stück Land hier in St. Johann besaß. Anneliese sollte es erben, obwohl sie die Großtante noch nie zuvor gesehen hatte.«

      »Und dann habt ihr euch verliebt.«

      »Net gleich. Anneliese lernte ihre Großtante kennen, und sie mochte sie auf Anhieb. Über ein Vierteljahr blieb sie in St. Vinzenz. In dieser Zeit lernten wir uns näher kennen und verliebten uns. Als die alte Tante starb, war Anneliese im dritten Monat mit Klaus schwanger. Wir haben geheiratet und sind nach hier gezogen.«

      »So genau hast du es mir noch nie erzählt. Deine Geschichte klingt fast wie ein Roman«, meinte Monika etwas betroffen. »Du hast Anneliese wirklich geliebt.«

      »Ja, das hab’ ich«, stimmte Paul zu. »Aber Anneliese starb vor über zehn Jahren, und seitdem leb ich allein und ziemlich einsam.«

      »Das stimmt so net. Du warst zwischenzeitlich noch einmal mit einer Frau zusammen, sogar mit ihr verlobt«, berichtigte sie ihn.

      »Verlobt schon, aber eigentlich nur, weil wir uns beide net richtig kannten. Carola versprach sich von unserer Ehe viel Geld, schöne Reisen und möglichst wenig bis keine Arbeit. All diese Träume konnte ich ihr net erfüllen, denn ohne Arbeit kein Geld und keine Reisen. Aber das wollte sie net einsehen. Also haben wir uns nach zwei Verlobungsjahren wieder getrennt. Sie ging nach Berlin, hat inzwischen wieder einen Lebensgefährten, wie ich gehört hab’. Einen, der ein bissel mehr an den Hacken hat.«

      Monika schmiegte sich innig an ihn. »Armer Klaus. Kein Wunder, dass er uns gegenüber so miss­trauisch ist. Ich glaub, es wird net gerade einfach sein, die Freundschaft deines Sohnes zu gewinnen. Er hält uns für Glücksritter, die es nur auf das Geld des Vaters abgesehen haben.«

      »Ganz so schlimm wird es schon net sein«, versuchte er sie zu beruhigen. »Klaus wird schon bald einsehen, dass ihr beiden mein Glück vollkommen macht, und dass auch er davon profitieren kann, wenn er sich in die Gemeinschaft einfügt. Man muss ihm halt noch Zeit lassen.«

      »Ich versprech dir, dass ich ihn net bedrängen werde. Ich mag Klaus, und ich hoffe, dass ich ihn irgendwann davon überzeugen kann, es net auf das Geld seines Vaters abgesehen zu haben. Das haben weder Martina noch ich nötig. Wir haben beide in all den Jahren viel gearbeitet und uns ebenfalls ein kleines Vermögen angespart. Die Wohnung in Starnberg gehört Martina, sie hat sie sogar schon ganz bezahlt.«

      »Davon erzähl Klaus aber noch nix«, bat Paul. »Ich möchte, dass er euch unabhängig von allem Finanziellen lieben lernt, dass er sein Misstrauen besiegt und merkt, dass net alles im Leben mit Geld zu kaufen ist.«

      »Du hast recht, Schatzerl. Was bekomme ich doch für einen klugen Mann.« Sie trat vor ihn und schaute ihm in die Augen. »Weißt du eigentlich, Paul Anstätter, dass ich dich unendlich lieb hab’?«

      Er legte beide Handflächen an ihre Wangen. Langsam näherten sich seine Lippen den ihren. Sein Kuss war sanft und fordernd zugleich. Fest hielt er die Frau in seinen Armen, und am heftigen Pochen ihres Herzens konnte er erkennen, dass sie aufgeregt war wie ein junges Mädchen beim ers­ten Kuss.

      Blutrot versank die Sonne hinter den Bergen. Der Himmel war klar, und bald würde er voller Sterne sein. In der Ferne konnte man das leise, gleichmäßige Rauschen des Wasserfalls hören wie einen kleinen Gruß aus der Ewigkeit.

      *

      Sebastian Trenker hatte sich an diesem Samstagabend mal wieder die Zeit genommen, seinen Freund Paul zu besuchen. Immerhin gab es noch eine Menge zu besprechen vor der Hochzeit am nächsten Wochenende.

      »Nun willst du also einen dritten Versuch starten?«

      »Ich war mit Carola nur verlobt«, antwortete Paul sofort. »Aber das wissen S’ doch, Hochwürden.«

      »Das hab’ ich auch net gemeint«, antwortete der Pfarrer lächelnd. »Ich wollte damit sagen, dass diese Ehe unauflösbar ist. Diese Verbindung zählt jetzt – vor Gott und der Welt.«

      Paul nickte. Die beiden Männer befanden sich allein in der guten Stube, denn Monika und ihre Tochter machten noch einen Spaziergang

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