ТОП просматриваемых книг сайта:
Abgesoffen - Die Milliardenlüge. Hajo Maier
Читать онлайн.Название Abgesoffen - Die Milliardenlüge
Год выпуска 0
isbn 9783347310377
Автор произведения Hajo Maier
Жанр Отраслевые издания
Издательство Readbox publishing GmbH
Und dann die schon mehrfach erwähnte P&R Equipment & Finance Corp. in Zug in der Schweiz. Keiner der Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführung ist jemals dort gewesen – außer der damalige IT-Leiter. Aus wohl guten Gründen, wie sich später noch herausstellen wird. Aber darüber weiß niemand etwas. Über die Spinne im P&R-Netz, wie investmentcheck diese Roth-Gesellschaft im Juni 2016 bezeichnet.19 Diese unabhängige Schweizer P&R Gesellschaft war und ist bis heute für das Management der Containerflotten zuständig, die in Deutschland an die Anleger vertrieben werden, zuständig für die langfristige Vermietung und Vermarktung an Reedereien, wobei diese Vermietung offiziell ausschließlich über zwischengeschaltete Leasinggesellschaften läuft. Diese P&R in der Schweiz wird nur als Vertragspartner erwähnt. Als Sicherheit. Als Kompetenz-Beweis in vielen Werbemitteln im Allgemeinsten, wenn es darum geht zu zeigen, dass P&R Top-Spezialisten für den weltweiten Containermarkt am Start hat. Mehr muss kein Anleger wissen. Natürlich mag jedem aufmerksamen Investor auffallen: Ein Firmensitz im Schweizer Zug – ja – ein durchaus zweifelhafter Ruf. Oder ein hervorragender Ruf. Eine Frage der Perspektive.
Zug, Zentralschweiz, zirka fünf Kilometer südlich von Zürich gelegen, idyllisch am Zuger See, 30.000 Einwohner, davon rund dreißig Prozent Nicht-Schweizer. Warum wohl. Der Kanton Zug, die Steueroase der Schweiz, lockt mit Steuersätzen, die zirka nur die Hälfte des Schweizer Durchschnitts betragen. Kein Wunder also, dass viele multinationale Konzerne, unüberschaubar viele Holdings und eine nicht mehr bezifferbare Anzahl an Treuhandbüros und Domizil-Firmen dort gemeldet sind. Übrigens: Der Begriff Domizil-Firma ist ein wunderbarer Euphemismus: Ein so schöner Begriff für das, was man ansonsten Briefkastenfirmen nennt. Firmen, die aus Postfächern bestehen. Überwiegende Branchen: Rohstoffhandel und Finanzsektor. Wikipedia nennt 30.000 Einwohner und rund 24.000 Arbeitsplätze bei über 12.000 dort registrierten Firmen. Bedeutet statistisch: Auf zweieinhalb Einwohner kommt eine Firma. Auf eine Firma rund zwei Arbeitsplätze.
Auch die Schweizer P&R liegt in diesem Bereich. Sie beschäftigt damals nur insgesamt vier Mitarbeiter. Allerdings: Keine Briefkastenfirma. Dort wird gearbeitet. Hart. Dort werden Container vermarktet. Gehandelt. Mit dem Geld der deutschen Anleger. Dafür, dass dort Milliardenwerte bewegt werden, ist kaum vorstellbar, dass nur vier Mitarbeiter genügen sollen. Aber im Gesamtkontext des Wirtschaftsstandortes Zug doch stimmig, üblich und wohl möglich: Roth Senior als Verwaltungsratspräsident, meistens aber die vergangenen Jahre auf seiner Insel St. Barth in der Karibik lebend, Roth Junior geschäftsführend, als Verwaltungsrat oder Prokurist, später ersetzt durch Roths rechte Hand P. Baumann* (Name geändert), plus später zwei weitere Analysten, dazu eine Assistentin. Wie diese wenigen Menschen 1,5 Millionen Container managen sollen? Komplexität und Workload? Es ist ein globales, internationales Mega-Geschäft. Feldkamp in Deutschland versteht davon nichts. Absolut nichts. Feldkamp sammelt nur Geld ein. Dennoch wird die Schweizer P&R immer wieder wenigstens als Nachweis für die unvergleichbare systemimmanente Zuverlässigkeit genannt, Top-Spezialisten, quasi die Besten, für die deutschen Anleger. Denn Containerflotten werden weltweit häufig im Bieterverfahren erstanden. Diese Flotten müssen geprüft werden über hoch bezahlte Analysten, deren Geschäft darin besteht, die Handelspartner zu prüfen, die Container-Flotten zu analysieren, deren Wert, Alter, Zustand und Verfügbarkeit. Genau das leistet P&R / CH. Das macht den Unterschied. Das kann P&R besser als der gesamte Wettbewerb. Und: Bereits vor dem Kauf einer solchen Container-Flotte sind bereits entsprechende Mietinteressenten oder verbindliche Bestellungen durch die Leasinggesellschaften oder Reedereien vorliegend. Flottenerwerb erst nach Prüfung und wenn langfristige Mietverhältnisse für die zu erwerbenden Blechkisten wenigstens vorvertraglich festgelegt sind. Dazu die Unterstützung professioneller externer, scheinbar amerikanischer Dealmaker und Agenten. Schließlich – und das verdankt der Anleger eben diesen Schweizer Profis – verkaufen die deutschen Gesellschaften ja nur Container an Anleger, die bereits vor dem Kunden-Investment in langfristigen und damit kalkulierbaren Mietverhältnissen stehen. Einleuchtend: Nur dadurch sind Mieten auch in der Höhe für Anleger ja garantierbar. Und Rückkäufe nach Ablauf Vertragslaufzeit zu versprechen. Darin also liegt der enorme Wettbewerbsvorsprung: Nur bereits vermietete Kisten zur Investition auf den Markt zu werfen. Nur P&R beherrscht das. Darum ist P&R so sicher für die Anleger.
So spielt es keine Rolle, dass die Schweizer Gesellschaft in der Öffentlichkeit im Grunde gar nicht stattfindet. Keine Internetpräsenz, keine Nennung der handelnden Personen, keine Nachrichten. Man kann selbst diesen Umstand damals, wenn man so will, als Teil eben der P&R-Kultur bewerten, nicht lautstark und unsympathisch mit Größe, Internationalität und Leistungsfähigkeit, mit den Milliarden, die man bewegt, zu protzen. So ist eben nicht Intransparenz die öffentliche Wahrnehmung, sondern Bescheidenheit des volksnahen Mittelständlers, der nicht als Konzern nach draußen prahlt. Diese gewollte Wahrnehmung des netten Mittelstandes von nebenan wird bis zum bitteren Ende sehr klug und erfolgreich vermittelt. Der Großteil der Anleger hat dieses oder wenigstens ein ähnliches Bild von P&R gewinnen müssen. Vertrauenerweckend. Konservativ. Skandalfrei. Verlässlich. Bescheiden. In über 35 Jahren. Tatsächlich aber:
Der Standort Schweiz ist schlau gewählt innerhalb des länderübergreifenden Geschäftsmodells, das die Schweizer Container-Management-Gesellschaft und die deutschen Vertriebsgesellschaften aufs engste und wie wir heute wissen, auch auf fatale Weise, verbindet. Weit über das Thema Steueroase hinausgehend bietet dieser Standort dem Heinz-Roth-Personenkonzern P&R natürlich unbezahlbare Vorteile: Die Schweiz ist kein EU-Land, weitestgehend autonom auch in ihren gesetzlichen Compliance-Vorgaben, als zentraler Finanzschauplatz lebt sie von ihrem bis heute praktizierten, schon sehr speziell ausgeprägten und interpretierten Bankengeheimnis als wesentlichem Teil der Schweizer Wirtschafts-DNA und ist dadurch gerade für international und außerhalb der EU operierende Unternehmen ein Eldorado in jeder Hinsicht: Steuern, Bankgeheimnis, Gesetzgebung. Für P&R und deren wahres Geschäftsmodell, den Milliarden-Schneeball, also nicht nur nützlich, sondern dann ab 2007 sogar notwendig, wie wir Jahre später erfahren müssen – jedenfalls im Gesamtkontext eines Anlegerbetruges, der über zehn Jahre lang betrieben wird: Es gibt keine Pflicht zur Veröffentlichung irgendwelcher Informationen und Zahlen der Schweizer P&R für die deutschen Anleger. Obschon P&R / CH der Dreh- und Angelpunkt der so eng verbundenen Geschäfte ist. Obwohl dort die Container der deutschen Anleger gekauft, verkauft, vermarktet werden. Niemand hat bis 2017 Einblick in selbst die einfachsten Zahlen der Schweiz: Den Containerbestand und seine Zusammensetzung. Es ist die gefährlichste Zahl. Der Standort Zug ist ein wesentlicher Grund, warum der Milliardenbetrug mehr als zehn Jahre lang funktionieren kann.
Nach außen und nach innen also der äußerst übersichtlich organisierte Mittelständler P&R: Drei deutsche P&R Gesellschaften, die solide Container-Investment-Angebote an die Anleger vertreiben und für eine zuverlässige Bedienung aller vertraglich vereinbarten Verpflichtungen und Forderungen sorgen, nämlich Mieten und Rückkäufe. Und dann eben eine Schweizer Gesellschaft, die mit der Erfahrung und dem Netzwerk Heinz Roths aus Jahrzehnten für die Beschaffung und langfristige Vermarktung der Anleger-Container sorgt. Dennoch – Feldkamp bleibt übervorsichtig: Er verbietet auch dem neuen Marketing die vorgeschlagene grafische Darstellung der Firmengruppe. Er begründet damit, dass Heinz Roth das nicht will. Er selbst will es nicht. Heinz Roth sicher ebenfalls nicht. Das Phantom. Roth sen., so wirkt es für die Mitarbeiter, zieht dennoch die Fäden, so wird erzählt. Man weiß über seine Millionenvilla im schicken Grünwald, sein Haus in St. Johann, Nähe Kitzbühel, und eben sein Anwesen auf der Millionärs-Karibikinsel St. Barth. Roth ist ein Phantom. Ein Mythos. Die wenigen, die ihn früher kennen