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Abgesoffen - Die Milliardenlüge. Hajo Maier
Читать онлайн.Название Abgesoffen - Die Milliardenlüge
Год выпуска 0
isbn 9783347310377
Автор произведения Hajo Maier
Жанр Отраслевые издания
Издательство Readbox publishing GmbH
Kapitel 5
Die perfekte Fassade. Das bodenständige Familienunternehmen
Seriös. Bescheiden. Ehrlich
Wenn man der zentralen Frage nachgeht, die heute noch zehntausende Anleger, die Ermittler, die Staatsanwälte, die Presse, beschäftigen mag, wie es P&R gelungen ist, so großes Vertrauen bei Anlegern und Behörden aufzubauen, dass Milliardeneinlagen möglich waren und niemand Anlass gesehen hat, bei Unstimmigkeiten nachzufragen, zu kontrollieren, dann spielt die Außendarstellung der P&R Gruppe eine zentrale Rolle. Eine bewusste Inszenierung des bescheidenen, bodenständigen und seriösen Mittelständlers. Einer für alle. Auch für die einfachen Leute. Für die braven deutschen Sparer, die niemals auf den Kapitalmärkten spekulieren. Ein wesentlicher Teil genau der Kern-Zielgruppe, die P&R schon lange als ideale Klientel für sich ausgemacht hat. Kleinanleger, Masse, wenig Investment-Knowhow. Damit ist es auch möglich, selbst Intransparenz in den wichtigsten Kriterien als maximale Transparenz zu verkaufen. Wobei es auch Großanleger gibt, die jeweils viele Millionen auf P&R setzen.
So firmieren alle deutschen Vertriebsgesellschaften in einem mehr als bescheidenen, an ein größeres Wohnhaus erinnerndes Firmengebäude in der Nördlichen Münchner Straße 8 in Grünwald. Viele Anleger stellen sich, das ist aus den Gesprächen bekannt, eine völlig andere Größenordnung dieser Firmengruppe P&R vor. Milliarden aktiv verwaltetes Vermögen. Mehrere Gesellschaften. Hier muss jede Gesellschaft doch mindestens zwei eigene Stockwerke haben und eine Vielzahl an Fachleuten, um alles zu stemmen. Die Vorstellung der Frankfurter Hochfinanz. Aber weit gefehlt. Fünfundzwanzig bis dreißig Mitarbeiter gesamt, plus externer Vertrieb. Und das vor Jahren renovierte und erweitere Bürohäuslein platzt aus allen Nähten. Drei Firmenschilder der aktiven Vertriebsgesellschaften, plus später die vierte neue Gesellschaft plus die AG am Eingang. Acht Parkplätze. Weitere, damals schon existierende P&R Schatten-Gesellschaften, sind für die Öffentlichkeit nicht sichtbar.
P&R wirkt wie ein großes Versicherungsbüro, eine Gebietsvertretung, eine Generalagentur vielleicht. Weit weg von der Außendarstellung der großen Investment-Unternehmen der Hochglanzfinanzwelt, der Börsen, der Kapitalmärkte, auch weit weg von einem großen Wettbewerber für Sachwertanlagen in Grünwald, der sich völlig anders, adäquat würde man sagen wollen, nach außen darstellt: Repräsentativer Firmensitz, modern, Glas, Stahl, großzügig, beidseitig der Hauptstraße am Ortsrand von Grünwald. Sehr viel mehr Mitarbeiter, die, wenn man sie einmal in der Mittagspause aus dem Gebäude laufen sieht, alle todschick angezogen wirken, einfach repräsentativ und näher an der Welt des Investmentbankings, wie man sie sich landläufig vorstellen mag.
Bei P&R ticken die Uhren anders: Ja – die Jungs tragen grundsätzlich Anzüge, meist Krawatte, Seriös. Nicht schick. Die Frauen im Unternehmen P&R sind ausschließlich auf Sachbearbeitungs- und Verwaltungsebene beschäftigt. Weibliche Führungskräfte auf Augenhöhe? Niemals unter Feldkamp. Nie geschehen. Und nicht vorstellbar. In ganz normaler Alltagskleidung. P&R – wer jemals dort war – wirkt nicht schick. Nicht beeindruckend. Man kann die Milliarden weder sehen, noch spüren, noch riechen. Alles wirkt eher gewollt und nicht gekonnt: Die Art von Spießigkeit, die entsteht, wenn tiefste Provinz gerne kosmopolitisch erscheinen will.
Das Geschäftsgebäude ist eben ein Versicherungswohnhaus: Keller, EG, OG. Komplett besetzt mit den fünfundzwanzig bis dreißig Angestellten, ein Besprechungsraum, ein Druckerraum im Keller und ein Archiv. Nach außen flache Hierarchien, nach innen aber erneut Zeichen und Symbolik: Der erste Stock ist, trotz Platzmangels, der Geschäftsführung vorbehalten. Ein gesamtes Stockwerk für Harald Roth, den Junior-Chef und Feldkamp plus Assistentin. Erdgeschoss und Souterrain mit Keller müssen sich alle anderen Mitarbeiter teilen. Alles recht schmucklos, ein wenig modernisiert, teure Büromöbel – dennoch wirkt alles einfach dörflich. Weit weg von einem Milliardenkonzern oder der klischeehaften Vorstellung davon. Interessant dabei auch die Standortwahl in Grünwald, dem Promi- und Millionärsvorort Münchens: Kleine Unternehmen mit zwanzig Firmenadressen auf dem Briefkasten – Immobilien, Projektentwicklung, Kapitalanlagen, Beteiligungen. Vor allem weit weg von den zentralen Hafen-Standorten in Deutschland, die man dem Containergeschäft zuordnen würde.
Die gesamte Außenwirkung ist, bewusst gesteuert, auf Bescheidenheit und Bodenständigkeit ausgerichtet. Noch auffallender innerhalb Grünwalds, dem Millionärsvorort Münchens, dessen Sozialisation, so scheint es oberflächlich, nur besteht aus Fußballprofis des FC Bayern, Sugar Daddys mit ihren Brustimplantatgetunten jungen Gespielinnen im Maserati, steinreichen älteren Witwen mit dicken Perlenketten beim Mittagscafé, einem Edelitaliener mit Ferrari als VIP-Taxi. Andererseits als Ortschaft beschaulich, kreuzlangweilig, dörflich. Wenn wir einmal von den vielen Multi-Millionärsvillen absehen, die links und rechts der Hauptstraße auf ihren Parkgrundstücken hinter hohen Mauern eben nicht zu sehen sind. Gut. Jede Großstadt, wenn wir München einmal freundlich so nennen wollen, hat sein Grünwald.
Diese Außendarstellung des P&R Imperiums jedoch ist wesentlich für den Erfolg bei den Kleinanlegern. Eine exzellent inszenierte Fassade. Die das gesamte komplexe monströse Firmengeflecht, wie es sich später darstellen wird, vor den Anlegern, vor der Presse und damit vor der Öffentlichkeit bewusst verbirgt. Es gibt, sichtbar, nur drei simple Vertriebsgesellschaften für drei Produkte. Und dann noch irgendeine Schweizer P&R. Schon das bescheidene, Wohnhaus-ähnliche Firmengebäude ist eine perfekte Farce der Bodenständigkeit und Seriosität, die niemals den Verdacht aufkommen lassen kann, dass hier ein Jahrhundertbetrug am Laufen ist. Ein Milliardengrab. Schlau! Denn öffentliche Beobachtung wäre sehr viel früher entstanden, wenn P&R und seine Geschäftsführer agiert hätten wie es schon viele Finanzbetrüger taten: Größenwahnsinnig im demonstrierten Luxus-Leben, wie es später bei S&K sichtbar sein wird, die rund 250 Mio. an Schaden verursacht haben soll, wie sich 2013 herausstellt. Die dabei
…wüste und teilweise bizarre Partys gefeiert haben. Da wurde auch schon mal ein Elefant eingeflogen oder eine Badenixe in einem überdimensionalen Champagnerkelch drapiert. Obst aßen die Partygäste von nackter Haut. Die Chefin eines Escort Services berichtete, sie könne ihre Mädels nicht mehr in die Villa nach Offenbach zu S. schicken, weil sie dort für Nichtigkeiten hohe Geldbeträge erhielten und später nicht mehr woanders arbeiten wollten.18
Genau gegenteilig, mit eben der Demonstration von Bescheidenheit, Bodenständigkeit, Integrität, kokettiert P&R auch in allen Werbemitteln, Verkaufsprospekten, Kundenbriefen und Pressemitteilungen. Wir sind keine Bank, wird später in einer Pressemeldung als Beweis für Bescheidenheit und Bodenständigkeit formuliert werden. P&R grenzt sich bewusst ab von Banken, von Fondsanbietern, von den großen Playern. Und ist doch selbst einer davon. Einfach. Ertragreich. Sicher. Der Slogan. Alles wird beschrieben und vorgelebt, wie die vielfach unerfahrenen