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der Germanen den Römern sozusagen einen Spiegel vorhält und gleichzeitig den römischen Sittenverfall kritisiert. Ein Beispiel mehr, wie schon bei Tacitus die Germanen als Projektionsfläche für die eigene Gesellschaft dienen sollen. Nur manchmal nahm eine Frau eine bedeutende Position ein, wie z. B. die Wahrsagerin Veleda von der Lippe beim Bataveraufstand um 69. In späterer Zeit sind Fälle bekannt, in denen die Frau (oder Tochter) eines verstorbenen Herrschers für ihren noch minderjährigen Sohn die Regentschaft übernahm. So regierte Amalasuintha, die Tochter Theoderichs des Großen, nach dessen Tod anstelle ihres Sohnes Athalarich. Brunichilde (s. Kap. Brunichilde) ist das beste Beispiel einer germanischen Powerfrau, die nach dem Tod ihres Mannes jahrelang stellvertretend zunächst für ihren Sohn und dann für ihren Enkel regierte. Sie war dann auch Vorbild der amazonenhaften Walküre Brunhild in der Nibelungensage. Und beim Stichwort Amazonen: Jordanes berichtet in seiner Gotengeschichte, dass die Amazonen der antiken Sagen gotische Frauen waren. Als deren Männer abwesend waren und sie von einem benachbarten Volk überfallen wurden, »widerstanden [diese Frauen], von ihren Männern darin gelehrt, tapfer und wehrten die Feinde, die über sie kamen, mit großem Anstand ab. Nachdem dieser Sieg erreicht war, ergriffen sie mit der Kühnheit größeren Selbstvertrauens die Waffen, ermunterten sich gegenseitig und wählten zwei besonders wagemutige, Lampeto und Marpesia, zu ihren Anführerinnen. Während diese beiden die Leitung übernahmen, um sowohl das Eigene zu verteidigen als auch das Fremde zu verwüsten, blieb Lampeto, die das entsprechende Los gezogen hatte, um das heimatliche Gebiet zu schützen, da. Marpesia aber führte, nachdem sie eine Schlachtreihe aufgestellt hatte, eine ganz neue Art von Heer nach Asien, wobei sie verschiedene Stämme im Krieg besiegte, andere aber in Frieden für sich gewann (…)« (Jordanes, Die Gotengeschichte, 49). Weiter berichtet Jordanes: »Weil diese fürchteten, dass ihre Nachkommen immer weniger würden, strebten sie nach geschlechtlichen Verbindungen mit den benachbarten Völkern und hielten einmal im Jahr Markt, um denen, die im nächsten Jahr am gleichen Tag wiederkamen, was auch immer an männlichen Kindern geboren worden war, den Vätern zurückzugeben; was aber an Töchtern geboren worden war, bildete die Mutter an Waffen aus.« (ebd., 56)

      Über die Religion der Germanen zur Römerzeit wissen wir wenig. Ausführlicher über Mythen, Sagen, Gottheiten und Helden werden wir erst durch die fast tausend Jahre spätere Edda informiert (vgl. ausführlich Kap. Snorri Sturluson). Aus der antiken Zeit kennen wir zwar einige der germanischen Götter, auch Opferriten, aber über Jenseitsvorstellungen oder den Ablauf von Kulthandlungen wissen wir nichts. Erschwerend hinzu kommt, dass es nicht »eine« einheitliche germanische Religion gegeben hat, sondern dass sich Gottheiten und Kult regional unterschieden. Erst durch die christlichen Missionare entstand die Vorstellung einer einheitlichen germanischen Religion. Die antiken Autoren nennen die römischen Götter Merkur, Herkules und Mars, die von den Germanen verehrt wurden. Der Gott Merkur wurde mit Wodan, dem Gott des Krieges und des Todes, Herkules mit dem germanischen Thor bzw. Donar, dem Gott des Donners, und Mars mit dem germanischen Kriegsgott Tyr gleichgesetzt. Genannt wird auch die Fruchtbarkeitsgöttin Nerthus. Daneben gab es viele regionale Gottheiten.

      Eine Besonderheit, nicht nur bei den Kelten, sondern auch bei den Germanen während der römischen Kaiserzeit, waren die sogenannten Matronen. Es handelte sich bei ihnen um Fruchtbarkeits- bzw. Muttergottheiten, die vor allem in der Zeit vom 2.–4. Jh. n. Chr. verehrt wurden. Insgesamt sind ca. 1100 Weiheinschriften und Bilddarstellungen erhalten. Diese Matronen sind stets als Gruppe von Dreien dargestellt, sitzend, mit Früchten, Ähren etc. in der Hand, verheiratet oder unverheiratet (ohne Haube und mit aufgelösten Haaren).

      Caesar betont, dass die Germanen keine Priester hatten, im Unterschied zu den Druiden der Kelten. Kultstätten waren heilige Wälder, Berge, Gewässer und Moore. An diesen Kultstätten hat man oft aus Holzpfählen geschnitzte Götterfiguren aufgestellt. Auch die von Karl dem Großen zerstörte Irminsul der Sachsen könnte eine solche Pfahlgottheit gewesen sein. Nach den antiken Quellen kannten die Germanen keine Tempel. Ausnahmen sind Sakralhütten aus Holz in Oberdorla, deren Spuren man gefunden hat, oder Empel am Niederrhein, wo die Bataver dem Kriegsgott Herculus Magusanus einen Tempel in griechisch-römischem Stil errichtet hatten.

      Als Opfer wurden Tiere dargebracht, aber auch Menschen. Nach dem Sieg des Arminius über den Varus opferten die Cherusker römische Krieger auf Altären, die sie im Wald errichtet hatten. Geopferte Tiere gab man auch einem toten Fürsten oder König als Grabbeigabe mit. So fand sich im Umfeld des Grabes von Childerich, dem Vater von Chlodwig, eine Reihe von Pferden als Beigabe. Auch Waffen und Rüstungen des Feindes opferte man, indem man sie unbrauchbar machte oder verbrannte. In Bad Pyrmont (Weserbergland) hat man im Brunnen einer Mineralquelle eine Menge von Fibeln, mit denen man Kleider verschloss wie heute mit Knöpfen oder Reißverschluss, gefunden, die dort wohl geopfert worden waren.

      Ab dem 3. Jh. n. Chr. verbreitete sich die germanische Runenschrift. Interpretierte man früher die Runen als magische, heilige Zeichen, so sieht man in ihnen heute durchaus eine Schrift in unserem Sinne, d. h. ein Mittel zur Kommunikation.

      Diese Ausführungen zu germanischen Geschichte und Kultur sollen im Folgenden anhand von beispielhaften Biografien veranschaulicht werden. Es ist eine Auswahl von Persönlichkeiten, deren Nachwirkung bis in unsere Zeit und Kultur reicht.

      2. ARIOVIST

      Ariovist († 54 v. Chr.) ist der erste Germane, über dessen Person wir einige, wenn auch wenige Informationen erhalten. Caesar besiegte Ariovist, der sich mit dem Stammesverband der Sueben in Gallien niedergelassen hatte, und berichtet von diesen Ereignissen im »Gallischen Krieg«. In diesem Werk beschrieb Caesar auch erstmals die Germanen sowie die Kelten als Volk und prägte damit das Germanenbild. Caesar »erfand« so die Germanen, denn seine Beschreibung der Germanen entspricht nicht immer der historischen Wirklichkeit, sondern diente der Erreichung bestimmter Ziele.

       Caesars »Gallischer Krieg« und die Erfindung der Germanen

      Die Lektüre von Caesars Werk »Der Gallische Krieg« gehört bis heute zum Lateinunterricht in den Schulen. Eine Mitschuld daran trägt nicht zuletzt der Germanenführer Ariovist. Denn dessen Widerstand ist letztlich nach Darstellung Caesars einer seiner Gründe für sein Eingreifen in Gallien und für den Gallischen Krieg. In seinem »Gallischen Krieg« (Commentarii de bello Gallico) beschreibt Caesar die Ereignisse und seine Eroberungen in Gallien während der Jahre 58–50 v. Chr. Das Werk ist in acht Bücher eingeteilt, die thematisch jeweils die Ereignisse eines Jahres oder auch zweier Jahre behandeln. Es ist nicht nur die wichtigste Quelle und ein Augenzeugenbericht über die Gallier, die Kelten in Gallien, sondern beschreibt auch erstmals ausführlicher die Germanen.

      Gallien, dessen Gebiet ungefähr dem heutigen Frankreich, Belgien und einem Teil von Westdeutschland entspricht, hatte einiges zu bieten: Es war bekannt für sein Gold, für eine florierende Landwirtschaft und gute Handelswege. Für den jungen hochverschuldeten Politiker Gaius Julius Caesar (100–44 v. Chr.) buchstäblich ein Objekt der Begierde. Caesar stammte aus der Familie der altrömischen Adelsfamilie der Julier und schlug die Ämterlaufbahn ein. Nicht nur in Gallien, auch in Afrika unternahm Caesar erfolgreiche Feldzüge. Im Jahr 46 v. Chr. übernahm er als Diktator die Alleinherrschaft in Rom. Das war das Ende der Römischen Republik. Daran änderte sich auch nichts mit der Ermordung Caesars 44 v. Chr. durch eine Gruppe von Senatoren. Denn mit Caesars Nachfolger Octavian, bekannter als Kaiser Augustus, beginnt die römische Kaiserzeit. Caesars Bericht über den »Gallischen Krieg« ist die erste Beschreibung der Germanen und wurde prägend für das Germanenbild bis heute. Mit seiner Unterscheidung von Kelten und Germanen war dieses Germanenbild mehr künstlich als dass es historisch zutraf, sodass man überspitzt sagen kann, dass Caesar die Germanen »erfand« – wie weiter unten noch ausführlicher darzustellen ist. Zum anderen war es Caesar, der als erster römischer Feldherr den Rhein überquerte und Expeditionen ins rechtsrheinische Germanien unternahm, allerdings ohne die Absicht, das Gebiet dauerhaft zu erobern. Erst unter seinem Nachfolger Augustus versuchten die Römer, das germanische Gebiet rechts des Rheins gezielt zu erobern.

      Zurück zum Jahr 59 v. Chr., das Jahr, als Caesar Konsul und Provinzverwalter wurde von Gallia Cisalpina und

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