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Bekenntnisse-Confessiones. Aurelius Augustinus
Читать онлайн.Название Bekenntnisse-Confessiones
Год выпуска 0
isbn 9783843800365
Автор произведения Aurelius Augustinus
Жанр Афоризмы и цитаты
Серия Kleine philosophische Reihe
Издательство Bookwire
Auch jene wissenschaftlichen Studien, die man für ehrenvoll hielt, hatten ihr Anziehendes für mich, besonders im Hinblick auf Rechtshändel, damit ich mich in ihnen je trügerischer, um so lobenswerter auszeichnete. So groß ist die Blindheit der Menschheit, dass sie sich sogar ihrer Blindheit rühmt. Schon glänzte ich in der Rednerschule, und stolze Freude erfüllte mich darob, und meine Hoffart nahm zu, wenn auch mehr Maß haltend – du weißt es, o Herr! – und zugleich fern von solchen Verwüstungen, welche anrichteten jene »Wüstlinge« – dies ist ihr Name, ominös und teuflisch gilt er gleichsam als Kennzeichen feiner Bildung. Unter ihnen lebte ich in schamloser Scham, weil ich noch nicht ihre Verderbtheit erreicht hatte; mit ihnen verkehrte ich und freute mich über ihre Freundschaft, und doch schreckte ich zurück vor ihren Taten, vor ihren wüsten Streichen, womit sie frech der Einfalt Unerfahrener nachstellten, die sie irrezuführen suchten und mit denen sie in teuflischer Schadenfreude ihr frevelhaftes Spiel trieben. Nichts ist den Taten der teuflischen Mächte ähnlicher, und mit vollem Rechte heißen sie »Wüstlinge«, selbst gänzlich verdorben und verkehrt durch die trugvollen Mächte, die sie unbemerkt verhöhnen und verführen, lieben sie es, nun auch andere auf gleiche Art zu verhöhnen und zu verführen.
Viertes Kapitel
Im Umgange mit solchen Menschen beschäftigte ich mich, der damals noch Unmündige, mit den Schriften der Beredsamkeit, in der ich mich auszuzeichnen strebte, in verwerflicher und eitler Absicht zur Frönung menschlicher Eitelkeit; in der herkömmlichen Folge geriet ich auf die Schrift eines gewissen Cicero, dessen Sprache, nicht dessen Geist wohl alle bewundern. Dieses Buch enthielt eine Ermahnung zur Philosophie und war »Hortensius« betitelt. Dieses Buch wandelte meinen Sinn, kehrte, o Herr, mein Gebet zu dir und gab meinen Wünschen und meinem Sehnen eine andere Wendung. Plötzlich sank zusammen all meine eitle Hoffnung, und mit unglaublichem Herzensdrang ersehnte ich unsterbliche Weisheit, und ich machte mich auf, zu dir zurückzukehren. Denn nicht um die Sprache zu verfeinern nahm ich dies Buch vor, wie es das Geld, welches die Mutter dafür ausgab – der Vater war nämlich zwei Jahre vorher gestorben –, für den nun neunzehnjährigen Jüngling bezweckte, nein, nicht deshalb benutzte ich jenes Buch, nicht der Stil, sondern der Inhalt war es, welcher mich gewann.
Von welch glühender Sehnsucht ward ich nun erfasst, o mein Gott, wie entbrannte ich, mich über den Staub der Erde zu erheben und aufzuschweben zu dir, und ich wusste nichts von deinem Ratschluss! Bei dir ist die Weisheit. Die Liebe zur Weisheit heißt nun in griechischer Sprache Philosophie, und jene Schrift feuerte mich dazu an. Menschen aber gibt es, die uns durch die Philosophie verführen, indem sie ihre Irrlehren mit einem großen, lockenden und ehrenvollen Namen färben und schmücken, und fast alle früheren und zeitgenössischen Philosophen werden in dem Buche aufgeführt und charakterisiert. Dies bestätigt deines Geistes heilsame Mahnung, die du aussprachst durch deinen frommen und getreuen Knecht: »Sehet zu, dass euch niemand beraube durch die Philosophie und lose Verführung, nach der Menschen Lehre und nach der Welt Satzungen und nicht nach Christo; denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.« Damals, du weißt es, Licht meines Herzens, freute ich mich besonders, da die apostolischen Worte mir noch nicht bekannt waren, über jene Mahnung, weil ich nicht diese oder jene philosophische Richtung, sondern die Weisheit selbst, in welcher Form sie mir auch entgegentrat, liebte, sie aufsuchte, verfolgte und fest und innig umschloss. Mächtig ergriffen ward ich durch jene Schrift, entzündet und entflammt war ich, nur dies stieß mich trotz solcher hohen Begeisterung zurück, dass der Name Christi nicht darin enthalten war. Denn nach deiner Barmherzigkeit, o Herr, hatte mein Herz in zarter Kindheit mit der Muttermilch den Namen meines Erlösers eingesogen und unvergesslich festgehalten, und was diesen Namen nicht enthielt, so gelehrt, so fein und wahr es auch immer sein mochte, es konnte mich nicht mit ganzer Seele erfassen.
Fünftes Kapitel
Daher beschloss ich, mich an die Heilige Schrift zu wenden, um ihr Wesen und ihren Wert zu ergründen. Und siehe, ich erblicke in ihr, was nicht erforscht von den Hoffärtigen, nicht enthüllt ist den Unmündigen, sondern was niedrig beim Eingang, erhaben beim Fortgang und verschleiert ist von Geheimnissen; ich aber war nicht also beschaffen, dass ich hätte in die Tiefe eindringen oder den Nacken hätte beugen können, um ihrer Spur zu folgen. Denn ich fühlte damals nicht, als ich die Schrift las, wie ich jetzt rede; die Schrift schien mir unwürdig, mit der ciceronianischen Würde nur überhaupt verglichen zu werden. Meine Aufgeblasenheit scheute ihr Maßhalten, und mein Scharfblick drang nicht ein in ihre Tiefen. Und doch war sie derart, dass sie mit den Kleinen wachsen sollte; ich aber verschmähte dieser Kleinen einer zu sein, und geschwollen von Stolz, dünkte ich mich groß zu sein.
Sechstes Kapitel
Ich geriet deshalb unter Menschen voll wahnsinniger Überhebung, voll Fleischeslust und Geschwätzigkeit, in deren Munde Schlingen des Teufels waren und ein Vogelleim, bereitet aus einer Mischung toter Buchstaben deines Namens und des Herrn Jesu Christi und unseres Trösters, des Heiligen Geistes. Diese Namen wichen nicht von ihren Lippen; aber es war nur leerer Schall und Wortgeklingel, und ihr Herz war ohne die Wahrheit. Und doch war »Wahrheit« und immer wieder Wahrheit ihr Losungswort, und viel sprachen sie nur von ihr, aber Wahrheit war nicht in ihnen. Lügen sprachen sie nicht nur von dir, der du wahrhaftig die Wahrheit bist, auch von den Elementen dieser Welt, deiner Schöpfung, über welche ich auch die wahren Ansichten der Philosophie verlassen musste, aus Liebe zu dir, mein höchster und bester Vater, Schönheit alles Schönen. O Wahrheit, Wahrheit, wie sehnte sich damals mein Geist in seinen innersten Tiefen nach dir, wenn jene mir mit Wort und Schrift ohne Aufhören von dir redeten. Lockspeisen waren es nur, die mir, da ich nach dir Hunger hatte, statt deiner Sonne und Mond reichten, deine schönen Werke, doch deine Werke nur, nicht du selbst noch deine erstgeschaffenen. Denn vor jenen körperlichen Geschöpfen, wie herrlich sie auch am Himmel erglänzen, waren deine geistigen. Ich aber hungerte und dürstete auch nach jenen erstgeschaffenen Werken nicht, sondern nach dir allein, der du die Wahrheit bist, bei welchem keine Veränderung ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis. Hirngespinste wurden mir in jenen Lockspeisen dargeboten; besser noch wäre es gewesen, jene Sonne zu begehren, die wenigstens vor unseren Augen wirklich scheint, als jene Truggebilde, die unsere Seelen durch das Auge berücken. Und doch genoss ich damals, dieweil ich dich meinte, nicht gierig davon, da du nicht schmecktest in meinem Munde, wie du wirklich bist; du warst nicht in jenen Truggebilden begriffen, keine Nahrung gewährten sie mir, sie erschöpften mich nur mehr und mehr. So ist die Speise, die wir im Traume genießen, der Speise, die wir im Wachen zu uns nehmen, ganz ähnlich, und doch werden die Schlafenden nicht davon gesättigt; sie schlafen eben. Jene Gebilde aber waren dir, wie du mir jetzt geoffenbart bist, ganz und gar unähnlich; denn es waren sinnliche Vorstellungen, schöne Bildungen auf Grund jener wahren Körper, die wir mit leiblichen Augen sehen und die viel zuverlässiger sind, sie mögen nun hier auf der Erde sich befinden oder am Himmel. Wir erblicken sie ebenso wie die Tiere und die Vögel, und sie haben größere Wirklichkeit, als wenn wir sie uns denken. Und wiederum denken wir sie uns mit größerer Wirklichkeit, als wenn wir aus ihnen andere größere, ja unendliche Wesen uns ableiten, die überhaupt nicht sind. Mit solchen nichtssagenden hohlen Begriffen ward ich damals abgespeist und doch nicht gespeist. Du aber, meine Liebe, für die ich schwach bin, damit ich stark sei, hast deinem Wesen nach nichts mit jenen Körpern gemein, die wir sehen, obgleich sie am Himmel sind, noch mit denen, die wir dort nicht sehen, weil du sie geschaffen hast, noch zählst du sie zu deinen höchsten Schöpfungen. Wie weit entfernt bist du nun gar von jenen meinen Hirngespinsten, jenen Scheingebilden, die gar nichts sind. Eine größere Gewissheit bilden die Vorstellungen von Körpern, welche sind, und gewisser noch als diese sind die Körper selbst, an denen jedoch dein Wesen unteilhaft ist; selbst die Seele bist du nicht, die das Leben des Körpers ist, wenn auch dies Leben der Körper besser ist als der Körper selbst. Du aber bist das Leben der Seelen, das Leben der Leben; du lebst dich selbst in steter Gleichheit, Leben auch