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flehte die Götter an, ihn von der Tortur zu erlösen. Er sehnte sich nach Ruhe, nach Gefühllosigkeit und Stille, ja, sogar nach dem Tod, der mit einem Mal so verlockend süß erschien, würde er ihm doch Frieden schenken.

      Eine Sekunde später endete die Ewigkeit. Die Schmerzsonnen explodierten und schickten eine letzte Welle der Pein durch Ologbons Körper. Rasch ebbte sie ab.

      Nur das Hämmern im Kopf blieb. Das Organoid pulsierte in seinem Hirn, als stünde jemand hinter ihm, der ihm wieder und wieder und wieder in den Nacken schlüge.

      Nur langsam schälte sich die Welt um ihn aus dem Schmerz. Zuerst der Alarmton, laut, schneidend, durchdringend, wie er immer nach einem Sprung dröhnte – und abrupt verstummte.

      Danach die blecherne Stimme: »Transit...sidd...sssiddd...« Die Meldung brach mit einem Knarzen ab.

      Und zuletzt kehrten die optischen Reize zurück: die Visualsäule, die schematische Darstellung des Schiffs auf dem Rundummonitor, das blaue Blinken in sämtlichen Systemen.

      Er hatte überlebt. Das war die gute Nachricht. Allerdings die einzige.

      Ologbon rief sich die antrainierte Routine ins Gedächtnis.

      Erster Schritt: die Lider schließen und zweimal tief durchatmen. Vergiss es. Keine Zeit dafür.

      Zweiter Schritt: sich einen raschen Überblick verschaffen. Und der sah erschreckend aus. Alle wichtigen Systeme waren ausgefallen, der Antrieb – und damit die Möglichkeit mittels Gegenschub zu bremsen – war tot.

      Er versuchte, die Triebwerke neu zu starten.

      Nichts geschah.

      Noch einmal.

      Ohne Ergebnis. Das Systemsymbol blinkte in hämischer Gleichmäßigkeit blau.

      Tut uns das nicht an! Nicht so kurz vor dem Ziel!

      Die Götter ignorierten ihn, genauso wie der Antrieb seinen dritten Startversuch ignorierte.

      Ologbon sackte in sich zusammen. Es war aussichtslos. Der Sprung hatte das Schiff in einen Haufen Schrott verwandelt, der durchs All raste.

      Er betrachtete das Symbol für die Steuerung der Sensorwannen. Ausgefallen, was sonst? Die Behälter funktionierten noch, der Rest der Mannschaft war also wohlauf, allerdings ließen sich die Deckel nicht mehr öffnen.

      Ologbon könnte sie zwar manuell entriegeln und die Kameraden wecken. Nur wozu? Selbst zu elft, ach was: elfmal mehr würde es ihnen nicht gelingen, die GLUTOBAT III zu reparieren. Nicht mit dem Material, über das sie an Bord verfügten – und schon gar nicht in der wenigen verbleibenden Zeit.

      Denn die schrecklichste Erkenntnis war diese: Sie hatten den Sprung zwar geschafft und ihr Ziel überraschend gut getroffen, sodass sie in der Nähe von Ollfa in den Normalraum getreten waren, allerdings raste das Schiff auf Konoll zu, den äußeren der beiden Monde. Ohne Möglichkeit zu bremsen oder auszuweichen.

      Seine Kameraden und Freunde zu wecken, würde bedeuten, ihnen erst Hoffnung zu schenken und sie dann mit dem unausweichlichen Tod zu konfrontieren. Lieber sollten sie schlafen, als die letzten achteinhalb Minuten ihres Lebens in Angst und Verzweiflung zu verbringen.

      Nun fand Ologbon die Zeit, die Augen zu schließen. Er vergaß die Routine und den üblichen Ablauf. Warum auch nicht? Er konnte nichts tun, als auf den Tod zu warten. Allein in der Zentrale, ohne Onigboia, die die Ladhonen entführt hatten, ohne Ofilor, dessen Erwachsenwerden er nun nicht miterleben durfte. Immerhin war er in seiner Nähe, näher jedenfalls als vor dem Sprung.

      Wieso musste auch unbedingt das Positionsbestimmungssystem noch arbeiten, die Schiffsbewegung mit der des Mondes abgleichen und die Dauer bis zum Einschlag herunterzählen?

      Er dachte an seine Reisen durchs All, an viele wunderbare und einige nicht ganz so wunderbare Begegnungen auf fernen Planeten, an ...

      Ein Knacken erklang vom verwaisten Platz des Funkers.

      Ologbon riss die Augen auf. Ein Blick auf die Visualsäule: Das Symbol für die Normalfunkanlage war von Blau zurück auf Rot gesprungen. Der Hyperfunk war nach wie vor defekt. Der Countdown bis zum Einschlag zeigte sechs verbleibende Minuten.

      Ein neuerliches Knacken ertönte, gefolgt von einer Stimme.

      »Hier spricht Sirne Caliko von der YAMANA. Ich rufe das Schiff, das auf den Mond von Ollfa zurast.«

      Ologbon sprang auf und hetzte auf allen vieren zur Funkstation. Er griff zur Konsole, und fünf Tolnoten fielen aus seiner Handfläche. Sie hatten die Transition nicht überstanden.

      Also mit der anderen Hand. Auch aus ihr regneten drei tote Wurmleiber herab, aber die restlichen reichten aus, den Kanal zu öffnen.

      »Unsere Maschinen sind ausgefallen«, rief er. »Ich kann weder bremsen noch navigieren. Bitte, helft uns!«

      »Verstanden. Wir tun, was wir können. Bleib auf Empfang.«

      Einige Sekunden vergingen, dann fuhr ein Ruck durch das Schiff, der Ologbon quer durch die Zentrale schleuderte. Auch der Andruckabsorber arbeitete nur noch unzuverlässig. Aus den Wänden des Schiffs drang ein jämmerliches Ächzen und Knacken.

      Er rappelte sich hoch, warf einen raschen Blick auf die Visualsäule – noch fünf Minuten bis zum Einschlag – und rannte zurück zur Funkstation. Sein Rücken schmerzte. Blut rann ihm aus dem Riechspalt.

      »Wir haben ein Problem«, sagte die Stimme von Sirne ... Er hatte den Rest des Namens vergessen. »Dein Schiff ist zu stark beschädigt. Wenn wir es mit einem Traktorstrahl zu schnell abbremsen, könnte ... nein: wird es zerbrechen.«

      Bei Olu! War die Hoffnung auf Rettung vergebens? »Verstanden. Immerhin habt ihr es versu...«

      »Wie groß ist eure Besatzung?«

      »Zehn ... elf ...« Mit einem Mal konnte er sich nicht mehr erinnern. »Nicht groß. Die Ladhonen haben ...«

      »Legt Raumanzüge an. Oder begebt euch in Rettungskapseln oder Medotanks. Oder was immer ihr an Bord habt, das eine Zerstörung des Schiffs überstehen könnte.«

      »So etwas haben wir nicht. Außerdem liegt der Rest der Mannschaft in ...« Den Sensorwannen! »Ich korrigiere: Gebt mir eine Minute.«

      Inzwischen schmerzte der Rücken so stark, dass Ologbon nur noch humpeln konnte. Aber er humpelte schnell. Hin zur nächstgelegenen Sensorwanne. Manuell desaktivierte er die Schlaffunktion. Er wollte alles mitbekommen: die Rettung oder den Untergang. Anschließend leitete er den Funkverkehr in den Behälter um und ließ sich hineinsinken. Der Deckel über ihm schloss sich.

      »Ich bin bereit.«

      Ein kleiner Monitor an der Deckelinnenseite versorgte ihn mit den wichtigsten Daten von der Visualsäule. Zeit bis zum Einschlag: drei Minuten und zwölf Sekunden.

      »Wir fliegen nicht weit hinter euch«, sagte Sirne. »Der Traktorstrahl hat euch erfasst. Wir bremsen, so sanft es geht. Aber es bleibt nicht viel Zeit für sanft.«

      »Ich weiß. Tut es einfach.«

      Drei Minuten.

      Ein erneuter Ruck ging durch das Schiff. Es schüttelte sich, dröhnte, krachte, wehrte sich mit aller Kraft gegen die Misshandlung.

      Ologbon wurde schwindlig. Sein Kreislauf drohte zusammenbrechen. Nur die dämpfende Wirkung des Organoids hielt ihn bei Bewusstsein.

      Zwei Minuten dreißig.

      Die Sensorwanne neben ihm löste sich aus der Verankerung, flog wie ein Blatt im Sturm durch die Zentrale und zerschellte an der gegenüberliegenden Wand. Ologbon erlaubte sich einen Augenblick der Erleichterung, als er sah, dass kein Körper zum Vorschein kam. Die Wanne war leer gewesen.

      Noch immer flog die GLUTOBAT zu schnell. Und das andere Schiff – die YAD... YAL... er erinnerte sich nicht, und das Denken fiel ihm zunehmend schwerer – folgte dichtauf mit der gleichen Geschwindigkeit.

      Zwei Minuten.

      »Ihr

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