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weiß nicht genau.«

      »Ich habe gehört, dass Sie als Archäologin arbeiten.«

      »Stimmt. Zur Zeit sind wir in Mexiko-Stadt.« Siljes Augen begannen zu glänzen. »Am Templo Mayor. Er war der größte und wichtigste Tempel der aztekischen Hauptstadt Tenochtitlán, des heutigen Mexiko-Stadt.«

      »Ich habe es leider nur bis Pompej geschafft. Sie wissen schon, die Stadt bei Neapel, die 79 vor Christus vom Ascheregen des Vesuvs begraben wurde.«

      »Da habe ich auch schon gearbeitet.« Silje nickte versonnen. »Hoffentlich wird mein Knie wieder gut. Wenn ich nicht mehr arbeiten kann … Außerdem wollen Niko und ich in zwei Wochen heiraten. Deshalb bin ich zurückgekommen.« Ihr Atem ging schneller. Sie hustete.

      »Frau Johannson?« Schwester Camilla beugte sich über die Patientin. Sie legte die Hand auf ihre Stirn. Feucht und heiß fühlte sie sich an. »Ist alles gut?«

      »Ich weiß nicht«, keuchte Silje. »Mir ist auf einmal so kalt.«

      Camilla warf einen Blick auf die Geräte.

      »Sie haben Fieber.« Sie zog die Decke hoch und steckte sie unter dem Kinn der Patientin fest. »Versuchen Sie, ein bisschen zu schlafen. Ich hole inzwischen einen Arzt.«

      *

      In ihrer Eigenschaft als Pflegedienstleitung saß Schwester Elena am Computer in ihrem Büro und erfasste die geplanten Patientenaufnahmen und -entlassungen für den kommenden Tag. Sie war so vertieft in ihre Arbeit, dass sie nicht hörte, wie Dr. Lammers hereinkam.

      »Ich brauche Sie!«

      Elena zuckte zusammen. Presste die Hand aufs Herz und starrte Volker mit weit aufgerissenen Augen an.

      »Können Sie nicht anklopfen wie jeder andere normale Mensch auch?«

      »Stellen Sie sich nicht so an! Was ist jetzt? Helfen Sie mir oder nicht?«

      Elena atmete ein paar Mal tief ein und aus, bis sich ihr wild schlagendes Herz beruhigt hatte.

      »Worum geht es?«

      »Machen Sie einen Abstrich bei dem kleinen Norden. Außerdem brauche ich noch eine Blutprobe.« Er wandte sich ab und wollte das Zimmer wieder verlassen, als ihm noch etwas einfiel. »Und sehen Sie zu, dass die Norden nicht im Zimmer ist. Sonst haben Sie auch noch eine Wiederbelebung am Hals.«

      Jeden anderen hätte Elena für so eine Bemerkung ausgelacht. Bei Volker Lammers gruselte sie sich.

      »Ich verstehe nicht …«

      »Das wundert mich nicht. Deshalb sind Sie ja Schwester und kein Arzt.« Er meinte es ernst. »Das Blut muss ins Institut für Mikrobiologie. Oder verstehen Sie das auch nicht?«

      Elena war zu erschrocken, um sich gegen diesen Ton, diese Wortwahl zu wehren.

      »Was stimmt nicht mit Fynn?«, fragte sie atemlos.

      Lammers verdrehte die Augen gen Himmel.

      »Sie sind doch mit diesem penetranten Volk befreundet, oder? Dann sollten Sie wissen, dass Felix Bruchpilot aus Mexiko zurückgekommen ist. Mit demselben Flug wie unser Quarantänepatient.«

      »Die Schweinegrippe«, hauchte Elena.

      »Jetzt schauen Sie doch nicht wie eine Meise, wenn es blitzt.«

      »Schwalbe.«

      »Wie bitte?« Lammers sah sie an, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank.

      »Es heißt Schwalbe. Wie eine Schwalbe, wenn es blitzt.«

      »Meinetwegen«, brummte Lammers. »Im Augenblick ist es nicht mehr als ein Verdacht. Kein Wort zu niemandem. Haben wir uns verstanden?«

      Elena nickte stumm. Sie hätte sowieso nicht gewusst, was sie dazu sagen sollte.

      *

      »Die Leukos sind erhöht, aber ansonsten ist das Blutbild unauffällig«, erklärte Dr. Weigand auf dem Weg zu der Patientin. »Keine Ahnung, warum es ihr auf einmal so schlecht geht.«

      Die Chirurgin Christine Lekutat war bei ihm.

      »Ich würde ja nichts sagen, wenn ich ihr aus Versehen das Bein abgenomen hätte.« Ihr Lachen erinnerte an das Grunzen eines Schweins.

      Matthias schickte einen Blick in den Himmel. So kompetent die Kollegin auch war, so schwer war manchmal ihr seltsamer Sinn für Humor zu ertragen. Er konzentrierte sich wieder auf das Klemmbrett mit den Notizen in seiner Hand.

      »Keine Rötung, keine Schwellung. Die Wunde sieht auch ganz gut aus.«

      »Trotzdem stimmt was nicht.« Christine hielt ihm eine Tüte Gummibärchen hin. Er schüttelte den Kopf. »Sonst hätte sie ja wohl kein Fieber.« Sie warf sich eine Handvoll Bären in den Mund.

      Matthias wunderte sich, dass sie noch nicht an Diabetes litt angesichts der Zuckermengen, die sie in sich hinein stopfte.

      Zum Glück war das nicht sein Problem. Die Sorgen um seine Patienten genügten ihm.

      »Wir erweitern auf jeden Fall die Antibiotikatherapie und schließen die Pseudomonadenlücke.«

      Christine betrachtete die nächste Ladung Gummibärchen in ihrer Hand.

      »Pseudomonaden.« Sie verzog das Gesicht. »Können Sie sich vorstellen, dass sich diese Bakterien quasi überall tummeln? Sogar auf diesen unschuldigen Gummibären?«

      »In diesem Fall sollten Sie vielleicht darauf verzichten.«

      Für diesen Rat erntete er belustigtes Lachen.

      »Sie machen wirklich gute Witze, Kollege Weigand.« Christine ließ die Süßigkeiten im Mund verschwinden. »Und jetzt geben Sie schon her! Ich übernehme das. Ist ja schließlich meine Patientin.« Sprach’s und verschwand mit dem Klemmbrett in Silje Johannsons Zimmer.

      *

      Der Mann hatte den Kopf auf die Arme am Bettrand gelegt und schlief. Ein Schnauben weckte ihn.

      »Was machen Sie denn um diese Uhrzeit noch hier?«

      Nico Arzfeldt rieb sich die Augen.

      »Ich will einfach bei Silje sein. Wir haben uns so lange nicht gesehen.« Er richtete sich auf und lockerte die Schultern. Legte den Kopf nach links und rechts.

      »Haben Sie Urlaub gemacht?« Christine hatte die Bettdecke zurückgezogen und begutachtete die Operationswunde. Keine Schwellung, wie Weigand gesagt hatte.

      »Silje ist beruflich viel unterwegs.«

      »Warum fahren Sie nicht mit ihr?«, fragte die Lekutat, als wäre es die natürlichste Sache der Welt.

      »Wie stellen Sie sich das vor? Ich arbeite als Ägyptologe am Ägyptischen Museum in München. Außerdem halte ich Vorlesungen an der Universität. Da kann ich nicht einfach monatelang nach Südamerika verschwinden. Mal abgesehen davon, dass ich dort keine Beschäftigung hätte.« Niko sah der Ärztin dabei zu, wie sie sich mühte, einen weiteren Beutel an den Infusionsständer zu hängen. Ein schwieriges Unterfangen, klein und beleibt, wie sie war. Er haderte mit sich. War es verletzend, seine Hilfe anzubieten? »Wissen Sie schon, was meiner Frau fehlt?«

      »Moment.« Christine hatte es auch allein geschafft. Sie ließ die Arme fallen. Auf ihrer Stirn glänzten feine Schweißperlen. »Sie lügen. Sie sind nicht verheiratet.«

      Statt beschämt die Augen zu senken, lächelte Niko.

      »Wir heiraten in zwei Wochen. Sie können also Gnade vor Recht ergehen lassen und mir sagen, was Silje fehlt.«

      »Selbst wenn wir es wüssten, dürfte ich es Ihnen trotzdem nicht sagen. Geplante Hochzeit hin oder her.« Sie stöpselte die Infusion an Siljes Zugang am Arm an. Die Patientin hustete im Schlaf. »Aber machen Sie sich keine Sorgen. Ihr Herzblatt hat eine anstrengende Operation hinter sich. Da ist Fieber nichts Ungewöhnliches.«

      »Und der Husten?«

      Die

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