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Unsichtbare Architektur. Inge Podbrecky
Читать онлайн.Название Unsichtbare Architektur
Год выпуска 0
isbn 9783706561020
Автор произведения Inge Podbrecky
Жанр Документальная литература
Серия Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte
Издательство Bookwire
Abbildung 14: Clemens Holzmeister, Zeichen der Berufsstände (Profil 1935, 418)
Für den Festzug am 1. Mai 1934 beschäftigte Holzmeister unter anderem Gudrun Baudisch, Lotte Hahn, Oswald Haerdtl, Otto Hurm, Eduard Wimmer, Franz Zülow und Josef Wenzel, Künstler aus dem Umfeld des Neuen Werkbunds, mit denen er häufig zusammenarbeitete.130 Solche Inszenierungen mögen Holzmeister besonders gelegen gewesen sein; in seiner Autobiografie beschreibt er seine Theaterleidenschaft,131 die sich unter anderem in seiner Tätigkeit für das Festspielhaus und die Fauststadt in Salzburg niederschlug.
Auf Anordnung des Stadtschulrats wurden immer wieder zahlreiche Kinder zu „Kinderhuldigungen“ abkommandiert. Auch diese hatten ein Vorbild in der Propaganda- und Festkultur der Ära von Bürgermeister Lueger: Am 24. Juni 1898 hatte zum 50. Regierungsjubiläum des Kaisers auf der Ringstraße ein Kinderfestzug mit 70.000 mittelalterlich kostümierten Kindern stattgefunden, der bildlichen Niederschlag in einem Wandgemälde im Rathauskeller fand.132 Diese Rückwärtsorientierung der austrofaschistischen Festkultur hatte eine Parallele in der sich erst konstituierenden Festpraxis des frühen Nationalsozialismus: Auch der Münchner Festzug zur Grundsteinlegung des Hauses der Deutschen Kunst 1933, der nur kurz nach dem Katholikentag Mitte Oktober 1933 stattfand, orientierte sich an den Festzügen des 19. Jahrhunderts und thematisierte unter dem Motto „Glanzzeiten deutscher Geschichte“ zahlreiche historische Bezüge zum Mittelalter.133
Bei den jährlich wiederholten Festen im Stadion wurden eigens verfasste „Weihespiele“ aufgeführt, die unter anderem vom linientreuen Rudolf Henz, dem Chef des österreichischen Rundfunks und Clemens Holzmeisters Vorgesetzter im Kulturreferat der Vaterländischen Front, verfasst wurden. Bei diesen Spielen wurden im Sinn des von den Austrofaschisten stark geförderten Laienspiels Sprechchöre unter Beteiligung des Publikums einbezogen, die im Sinn des zeitgenössischen Theaters das Dargestellte, den imaginierten austrofaschistischen Idealstaat, unter der Regie der Machthaber durch aktive Beteiligung der Betroffenen zu deren aktueller Lebenswelt machten und durch historische Bezüge zu legitimieren versuchten.134 Hier manifestierte sich der Einfluss der katholischen Reformliturgie, die die Gläubigen durch gemeinsames Sprechen, Singen und Bewegen (Stehen, Knien, Sitzen) aktiv an der an der Messe beteiligte. Zugleich waren die in diesen Weihespielen durch einen Regisseur vorgeschriebenen Aktivitäten der Masse eine sinnbildliche Darstellung des autoritären Prinzips.
Auch sonst mangelte es nicht an Gelegenheiten für Inszenierungen. Der 27. Mai wurde zum „Tag der Jugend“ proklamiert und 1934 unter der Regie von Holzmeister und unter Mitarbeit von Ceno Kosak, Eduard Wimmer, Albert Paris Gütersloh, Oswald Haerdtl und weiteren Mitgliedern des Neuen Werkbund Österreich gestaltet.135 Überhaupt entstand vor allem nach Ermordung von Kanzler Dollfuß ein dichtes Geflecht an bezugsreichen Jubiläums-, Erinnerungs-, Weihe- und Namenstagsterminen: Geburtstag und Sterbetag Dollfuß’, Befreiung Wiens von den Türken und von der Sozialdemokratie, Vollendung des Stephansdoms, Tag der Verfassung, Namenstage von Kanzler, Bürgermeister etc.
Das Wiener Rathaus, erbaut als Monument der bürgerlich-liberalen Ära, Sitz der sozialdemokratischen Stadtverwaltung und bereits 1934 durch die Aufbahrung des ermordeten Bundeskanzlers Dollfuß symbolisch „umgedreht“,136 wurde nun durch den „Ball der Stadt Wien“ besetzt, dessen Ausstattung 1935 Holzmeister besorgte: „Rot-weiße Fahnen in gedämpften Tönen, 68 goldene Schabraken [sic!] mit den Ständezeichen und ein riesiger Wandbehang hinter der Ehrentribüne, der den goldenen Adler der Stadt Wien auf grauem Grunde zeigt, schmücken den Saal.“137 Das Ambiente war festlich, aber wie die meisten Inszenierungen des Ständestaats von würdig-getragener Grundstimmung.
Ein weites Feld boten die zahlreichen kirchlichen Feiertage. Fronleichnam, schon von den Habsburgern als gemeinsame Demonstration von Kirche und Staat im öffentlichen Raum inszeniert,138 wurde von den neuen Machthabern wieder aufgewertet. Schon 1934 witterte die Zeitschrift „Profil“ hier ein weites Betätigungsfeld für die Künstler, denn es hätte bis dahin ein „künstlerischer Gesamtplan (Spitze des Zuges, vorbereitender Teil mit konsequenter Steigerung der Bedeutung und kräftigen formalen Cäsuren zwischen den einzelnen Abteilungen, etwa Fahnen- oder Figurengruppen, Höhepunkt und formvollendeter Schluss)“ gefehlt, und „nur vollendete künstlerische Gestaltung“ sei einer „Feier der heiligen Eucharistie gemäß“.139 Keine Gelegenheit zum Zelebrieren kirchlicher Feste wurde ausgelassen. Religion wurde keineswegs heiter und positiv betrieben; Feiern und Ambiente waren würdig, ernsthaft und sorgfältig inszeniert. „Ein katholischer Kulturmief, gespreizt und gravitätisch, moralisierend und pathetisch, machte sich überall breit“, schrieb Ernst Hanisch zum Klima, das in den 1930er Jahren in Österreich vorherrschte.140 Dadurch unterschied sich die austrofaschistische Festkultur deutlich von der zukunftsoptimistischen der vorhergegangenen sozialdemokratischen Manifestationen, aber auch von jener des Nationalsozialismus, die, wie S. Behrenbeck schrieb, eine „Erzeugung […] zuversichtlich gestimmter Gefühle oder zielgerichteter Aggressionen“ und die Vermeidung „introvertierter Besinnlichkeit oder trauriger Niedergeschlagenheit“ anstrebte.141
Abbildung 15: Lichtensteg 2/Rotgasse, Mosaik
Eine weitere rasch und günstig durchführbare Maßnahme zur Überformung des Stadtraums war das Anbringen von zeichenhafter Kunst-am-Bau. Hier fand die austrofaschistische Geschichts- und Vergangenheitsfixierung, die aktuelle Identität durch ideologisch günstige Geschichtsbezüge vermitteln wollte, ein weites Betätigungsfeld in einer langen Reihe von Kleindenkmälern, Haus- und Straßenzeichen, Figuren und Brunnen. „Künstlerische Denkzeichen zur Erklärung der Namen von Straßen und Plätzen“ sollten auf die lokale Geschichte verweisen.142 Diese Projekte setzten mit der Kunst-am-Bau und den oft weithin sichtbaren Inschriften an den sozialdemokratischen Gemeindebauten einen anderen, wenn auch viel weniger politisch deutlichen Subtext im öffentlichen Raum entgegen.
Eine Reihe dieser Zeichen bezog sich auf das historische Stadtbild, wie das bis vor einigen Jahren am Haus Lichtensteg 2 („Zum Römertor“) sichtbare Mosaik, das den Standort der Porta principalis dextra von Vindobona markierte (Abbildung 15).
Unweit davon wurde nahe dem Standort des Rotenturmtors an einem Haus in der Rotenturmstraße ein Mosaik mit einer stilisierten Darstellung des mittelalterlichen Torbaus von Reinhold Klaus angebracht. Ein Bild am Haus Ungargasse 7, eine Arbeit von Oskar Thiede, erinnerte an eine Herberge an der alten Hauptverbindung nach Ungarn, und in der Verbauung der Operngasse zeigt eine Darstellung des alten Freihauses die Vorgängerbebauung des Viertels (Abbildung 16).
Abbildung 16: Operngasse 36, Plan des alten Freihauses
Diese Darstellungen sind vorwiegend symbolisch-schematisch gehalten. Ein Wandbildentwurf von Ferdinand Kitt für einen Durchgang an der Bäckerstraße zeigte neben einer entsprechenden Inschrift recht konventionelle gegenständliche Bäckerdarstellungen,143 die an Buchillustrationen erinnern (Abbildung 17), und eine Inschrift an der Karmeliterkirche in der Taborstraße sollte lehrbuchhaft auf deren Vergangenheit verweisen. Die beschäftigten Künstler waren unter anderem Ferdinand Kitt, Josef Riedl, A. Kautzky, O. Schottenberger, J. Rezac,