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im „Neuen Werkbund Österreich“, einer konservativen Abspaltung von dem seit 1913 bestehenden Österreichischen Werkbund. 1933 war Josef Hoffmann (1870–1956), damals arrivierter Architekt, Designer und Professor an der Kunstgewerbeschule, nach einem Konflikt aus dem Werkbund ausgetreten. Im Zentrum dieses Konflikts war die schwindende Bedeutung des handwerklichen Kunstgewerbes gegenüber dem Industriedesign gestanden, der auch ein Konflikt zwischen Individualismus und Kollektivismus, Kunsthandwerk und Serienproduktion, Patriotismus und internationaler Öffnung war. Hoffmann folgten die Vertreter der konservativen Fraktion, unter anderem Max Fellerer, Eduard Josef Wimmer, Michael Powolny, Carl Hagenauer und Clemens Holzmeister, die die Förderung des Kunstgewerbes als eine der „vornehmsten und eigentlichen Aufgaben des Werkbunds“ sahen.113 Bald nach den Februarkämpfen 1934 präsentierte sich der von Hoffmann, Holzmeister und Max Fellerer gegründete „Neue Werkbund Österreich“, der die Rückkehr zu Heimatkunst und Handwerk auf seine Fahnen schrieb und der nichts weniger als das „Kulturgewissen Österreichs“ sein wollte.114 Max Fellerer, ein enger Mitarbeiter Holzmeisters, wurde 1934 zum Rektor der Kunstgewerbeschule ernannt; auch die wichtigen Künstlervereinigungen, wie Secession, Künstlerhaus und Hagenbund, folgten bald willig dem politischen Mainstream. Die österreichische Architektenvereinigung installierte 1933 ein neues regimetreues Organ, die Zeitschrift „Profil“, die bis 1938 bestand, und der 1934 begründete Große Österreichische Staatspreis ging fast durchwegs an politisch genehme Künstler.115 Solche Künstler waren es auch größtenteils, die die Aufträge für österreichische Repräsentationsbauten im internationalen Kontext – Weltausstellungsbeiträge, Ausstellungseinrichtungen, Kulturinstitutsbauten – erhalten sollten.

      Von den Verbänden, die rund um den Katholikentag 1933 präsent waren, muss noch die neue Einheitspartei, die Vaterländische Front, erwähnt werden. Ihre damals noch spärlichen Mitglieder bildeten zusammen mit den paramilitärischen Heimwehren und anderen Wehrverbänden die Folie für Dollfuß’ Trabrennplatzrede. Im Frühjahr 1933 von Dollfuß selbst gegründet, sollte die Partei ein Sammelbecken des Regierungslagers sein, getragen von „Vaterlandsliebe, Vaterlandsbewusstsein und Heimatstolz“ für die „Erfüllung seiner [Österreichs, d. A.] Stellung im mitteleuropäischen Raum zum Wohle des gesamten Deutschtums.“ Am 21. Mai 1933 erfolgte der offizielle Aufruf zum Beitritt; als Symbol der Vaterländischen Front wurde das Kruckenkreuz gewählt, als Symbol christlichen Deutschtums und als Gegenpol zum heidnischen Hakenkreuz.116 In der Folge diente die Vaterländische Front als Hintergrundmasse bei den ästhetisierten Spektakeln von Politik und Kirche, aber auch als Promotorin des Dollfußkults. Ihr eigentliches Denkmal, das Haus der Vaterländischen Front, von Clemens Holzmeister im Herzen der Macht am Wiener Ballhausplatz projektiert, sollte nicht mehr zur Ausführung kommen. Eine wichtige Rolle in der Organisation spielte Ernst Rüdiger Starhemberg, der gleichnamige Nachfolger eines Türkenverteidigers von 1683, Heimwehr-Führer und von 1934 bis 1936 Bundesführer der Vaterländischen Front sowie Vizekanzler.117 Auch seine Mutter, Fanny Starhemberg, trat in mehreren politischen Funktionen auf.

      Personen, Institutionen, Daten und Orte des Katholikentags 1933 und die mit ihm assoziierten politischen und militärischen Veranstaltungen bilden den „roten Faden“, entlang dessen sich Erinnerungs- und Symbolkultur des Austrofaschismus und damit seine baulichen Interventionen organisieren sollten. Einige dieser Interventionen stehen in Traditionen, die lange in die Zeit vor 1933/1934 zurückreichen, so dass sich zahlreiche Spannungsfelder zwischen Kontinuitäten und Brüchen eröffnen.

       DAMNATIO MEMORIAE UND „GEWOLLTE“ DENKMALE

      Rasch durchführbare Maßnahmen zur Sichtbarmachung einer Ideologie im Stadtraum sind einerseits die Tilgung und Ersetzung von mit dem politischen Gegner assoziierten Namen und Bezeichnungen im öffentlichen Raum, andererseits dessen Inbesitznahme durch öffentliche Manifestationen, die das alte politische Ritual durch ein neues überschreiben, das neue Feiern, Feste, Gedenktage und Rituale etabliert. Beides geschah in rascher Folge nach dem Februar 1934 und nach der „Legitimierung“ des Regimes durch die oktroyierte Verfassung vom 1. Mai 1934.

      Nach der Machtübernahme der Austrofaschisten im Februar 1934 galt es, Erinnerungsorte und Denkmäler mit sozialdemokratischer Prägung rasch umzugestalten oder abzubauen. Oberste Priorität hatte das den Konservativen verhasste Republikgründungsdenkmal an der Ringstraße (Abbildung 13). Die Porträtbüste des sozialdemokratischen Bürgermeisters Jakob Reumann auf einer Stele in der Mittelachse des Reumannhofs in Wien-Margareten wurde 1934 abgenommen, die Inschrift durch eine Fahne mit dem Christusmonogramm XP (Chi Rho), dem Emblem der Ostmärkischen Sturmscharen, ersetzt. 1934 wurde auch das Ferdinand-Hanusch-Denkmal im 3. Bezirk entfernt.118 Unberührt blieb das Stadiondenkmal, ein Monument, das zum zehnjährigen Bestehen des Wiener Stadions und der Ersten Republik aufgestellt worden war, ebenso das Denkmal Anton Hanaks für die Opfer des Justizpalastbrands und das pazifistische Kriegerdenkmal am Zentralfriedhof.

      Abbildung 13: Republikgründungsdenkmal

      Außerdem erfolgten Straßen- und Gebäudeumbenennungen, allerdings nicht sehr konsequent. Zahlreiche Wohnbauten des Roten Wien, kurz zuvor als Schauplätze des Widerstands im Februar 1934 von der Exekutive beschossen, waren nach marxistischen Theoretikern, Führern und Funktionären benannt. Dementsprechend wurde der Karl-Marx-Hof zunächst nach einem an seiner Eroberung im Februar 1934 beteiligten Heimwehrmitglied inoffiziell in „Biedermannhof“ umbenannt, bevor er zum unverfänglicheren „Heiligenstädter Hof“ wurde. Der Matteottihof, benannt nach dem von Faschisten ermordeten italienische Sozialisten Giacomo Matteotti, wurde zum „Giordanihof“, benannt nach einem von den Kommunisten ermordeten Faschisten.119 Aus dem an sich neutralen Azaleenhof, im Volksmund „Indianerhof“, wurde – nach dem gleichnamigen Heimwehrführer – der „Emil-Fey-Hof“. Neutrale Benennungen wie „Goethehof“ wurden teilweise beibehalten,120 bei Höfen, die nach lokalen sozialdemokratischen Funktionären benannt waren, wurden die Tafeln abmontiert. Jedenfalls scheint es, als hätte man alle Persönlichkeiten, die mit dem gesellschaftlichen Fortschritt zu tun gehabt hatten, aus dem Stadtbild getilgt.121 Unverständlich ist jedoch, wie der nach dem ersten sozialdemokratischen Bürgermeister Jakob Reumann benannte Hof die ganze austrofaschistische Periode hindurch seinen Namen behalten konnte, ebenso der Schuhmeierhof in Ottakring, benannt nach einem 1913 ermordeten Gegenspieler Luegers, Volksredners und SP-Politikers, dessen Denkmal allerdings 1934 entfernt wurde.122 Außerdem erfolgte die Tilgung der Namen von George-Washington-Hof, Herwegh- und Heinehof, Kronawetter- unf Jodlhof sowie Robert-Blum-Hof.123 Die wenigen kommunalen Wohnbauten, die die Austrofaschisten selbst in den folgenden Jahren in Wien errichten sollten, erhielten die Namen von Heiligen: St. Engelbert nach dem Kanzler, St. Richard nach Bürgermeister Richard Schmitz, St. Elisabeth, St. Josef und St. Anna nach den Schutzpatronen der Familie usw.124 Die historische Benennung der Familienasyle, die im Eigentum der Gemeinde Wien blieben, wurden zu einem unbekannten Zeitpunkt – wohl schon zwischen 1938 und 1945 – bis auf eine einzige Tafel in der Hauseinfahrt von St. Elisabeth entfernt.

      Die Straßenumbenennungen hielten sich in Grenzen: Der republikanisch benannte „Freiheitsplatz“ mit Bezug auf die Republikgründung, mit der Votivkirche auch ein wichtiger habsburgischer Erinnerungsort, wurde zum „Dollfußplatz“, bis er 1938 in „Hermann-Göring-Platz“ umbenannt wurde. 1945 hieß er wieder „Freiheitsplatz“, um 1956 in „Rooseveltplatz“ umbenannt zu werden.125 Ein Teilstück der Wollzeile wurde zur Weiskirchnerstraße, benannt nach dem christlichsozialen Bürgermeister von 1912 bis 1919,126 und Teilstücke des Rings wurden nach Bürgermeister Lueger und nach dem christlichsozialen Bundeskanzler und Priester Ignaz Seipel umbenannt.127

      Einer der wichtigen sozialdemokratischen Erinnerungsorte war der Wiener Prater. Die Maiaufmärsche der SDAP hatten zwischen 1890 und 1918 auf der Prater Hauptallee stattgefunden.128 Das Stadion, ein sozialdemokratisches Monument, wurde auch nach dem Katholikentag 1933 immer

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