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Logan dachte an all die Huren, die vor seiner Berührung zurückgeschreckt waren.

      »Wenn ich dich verzaubern könnte, wärst du jetzt ein Frosch, nur, dass du’s weißt. Eine stinkige Kröte.« Cian drehte sich um und streckte ihm die Hände hin. Sie waren schlank, mit langen, feinen Fingern. Auch sie bebten. Der Junge fürchtete sich vor Logan, vielleicht mehr als die Sutherlands es taten. »Dass ich es nicht tue, sollte als B-beweis reichen, dass ich keinerlei magische Kräfte habe.«

      »Oder, dass du sie alle aufgebraucht hast, um die Kerle da hinten umzubringen.« Logan schlang das Seil um die schlanken Arme, darauf bedacht, nicht zu tief einzuschneiden. Er wandte einen Knoten an, den er vor langer Zeit gelernt hatte. Eine Technik, die sogar band, wenn man sich in einen Wolf verwandelte.

      »Du bringst mich wirklich zum Kloster?«, fragte Cian. Er sah zu Boden. »Schwörst du es?«

      »Habe ich doch schon.«

      »Ja.« Der Junge stand schwankend auf. »Ich habe Hunger.«

      Logan wühlte in den Taschen, die er erbeutet hatte. Gleich drei hingen um seine Schultern. »Hier.«

      Er erwartete, dass der Junge sich über das stinkende Trockenfleisch beschweren würde, aber der öffnete den Mund. Etwas hüpfte in Logans Brust, als er das Stück Fleisch zwischen pralle Lippen schob. Cian kaute und stöhnte leise.

      »So gut, ja?« Logans Stimme war rau wie ein Mühlstein.

      »Ich habe schon so lange nichts mehr gegessen. Seit gestern Mittag nicht.«

      Logan erinnerte sich an einen Winter, in dem er mit leerem Magen durch den Wald gestreift war, frierend. Verzweifelt auf der Suche nach einem mageren Hasen, in den er seine Zähne schlagen konnte. Das war ganz am Anfang gewesen, als er den Wald noch nicht gekannt hatte. Als ihm nicht jede Lichtung zwischen Cairngorms und Ullapool zur Heimat geworden war.

      Er beschloss, dass der Junge etwas Nettes verdient hatte, und teilte den Wein mit ihm. Der Alkohol brachte Farbe in Cians Wangen, die ihm ausgezeichnet stand. Dann vernichtete er den Rest des Trockenfleischbeutels. Appetit hatte er immerhin.

      »Dunkle Magie zu wirken macht hungrig, was?«, fragte Logan.

      »Bin kein Magier.« Cian beugte sich zu ihm herüber.

      Er hatte darum gebeten, an einem Ort ohne Leichen zu essen, und Logan hatte zugestimmt. Er hatte sich sogar wieder angezogen. So saßen sie auf einer Lichtung, einige Meter entfernt vom Flussufer. Es gab Disteln im Gras und trotz der Kälte wurden sie von Mücken belästigt. Aber es war beinahe nett. Lange her, dass Logan Gesellschaft beim Essen gehabt hatte, und nie so schöne. Und gefesselte.

      Schon drückte sein Gewissen, wenn er Cian weitere Fleischbrocken in den Mund schob. Wenn der sich vorbeugte und sie artig aus seiner Hand aß. Wenn seine Lippen Logans raue Haut berührten, nur einen Augenblick lang. Es fühlte sich sündig an, auf eine Art, die er damals als unschuldiger Knabe gefühlt hatte. In einem anderen, weit entfernten Leben.

      »Das finde ich heraus«, sagte Logan. »Auf dem Weg zum Kloster ist ein Eisenstein. Wenn du die Probe bestehst, lasse ich dich frei. Du meinst das Kloster in Glenshee, oder?«

      Cian nickte. »Ich habe auf dem Weg keinen Eisenstein gesehen.«

      »Wir nehmen nicht den gleichen Weg. Ich kenne eine Abkürzung.«

      Katzenaugen beobachteten ihn. Selbst angestrengtes Kauen änderte nichts an Cian MacKays Zauber. »Kennst du den ganzen Wald? Ist das dein Revier?«

      »Ein Teil davon«, sagte Logan und klaubte das letzte Stück Trockenfleisch aus dem Beutel. Kauend betrachtete er Cian. »Warum bist du so weit von deinem entfernt? Was macht ein MacKay so weit im Süden?«

      »Das Kloster.« Cian schluckte. »Ich interessiere mich für Kräuter und ihre Heilwirkung. Im Kloster arbeitet Ailig Glas. Bruder Ailig hat ein neues Verfahren zur Wundheilung entwickelt, mit Beinwell und Kamillentinktur statt der üblichen Methoden.«

      »Aha.« Logan legte den Kopf schief. »Ist das alles?«

      Cian schwieg.

      »Es ist also nicht alles.«

      »Warum sollte ich dir davon erzählen, Tier?« Katzenaugen funkelten ihn an. »Wir sind keine Freunde. Du bist der Mistkerl, der mich im Stich gelassen und nun gefesselt hat.«

      »He, immerhin habe ich dich zweimal gerettet.«

      »Du hast mich nicht gerettet, das hast du selbst gesagt. Du hast Sutherlands getötet.«

      »Das kann ich halt am besten.«

      »Ohne meine Hilfe hättest du die letzten nicht geschafft.« Trotzig hob Cian das Kinn. Er wirkte weniger ängstlich, seit er etwas im Magen hatte. Oder war es der Wein, der ihm Mut verlieh? »Warum hasst du die Sutherlands?«

      »Warum warst du im Kloster?«

      Cian schob die Unterlippe vor. »Ist noch Wein da?«

      Wortlos hob Logan den Schlauch an seine Lippen. Sah die helle Kehle hüpfen und stellte sich vor, es sei sein Prügel an Cians Lippen und sein Saft, den der Junge schluckte.

      »Schau mich nicht so an«, murmelte der Goldene, als Logan den Schlauch wieder an sich nahm.

      »Wie schaue ich dich an?«, knurrte Logan und schüttelte den Schlauch. Leer.

      »Als wolltest du mir die Kehle aufschlitzen.« Mürrisch betrachtete Cian seine Knie. »Andererseits schauen andere Männer mich an, als wollten sie mir den Kilt hochreißen und mich reiten, bis der Mond heult. Ich schätze, deine Blicke sind mir lieber. Sie sind ehrlicher.«

      Logan wollte etwas sagen, aber alles, was ihm einfiel, war unsagbar dumm. Also stand er auf. »Gehen wir. Sind noch zwei Stunden bis zum Eisenstein und eine bis zum Kloster.«

      Cian stöhnte. Logan packte ihn unter die Achseln und riss ihn hoch.

      »Was wirst du tun, wenn ich auf den Eisenstein reagiere?«, fragte der Junge. »Wirst du mich töten?«

      »Ja.« Dabei wusste Logan nicht, ob er in der Lage dazu sein würde. Allein die Vorstellung, dass seine Schwertspitze die milchweiße Haut durchbohren könnte, kam ihm wie ein Sakrileg vor. »Warum? Hast du Angst, Hexenbalg?«

      »Nein.« Cian hob die Nase in die Luft. »Warum auch?« Er machte einen wankenden Schritt und wäre fast gestolpert. Ein schiefes Lächeln erhellte sein Gesicht. »Ups.«

      »Bist du betrunken, MacKay?«

      »Anscheinend.« Das Lächeln wurde breiter. »Fühlt sich lustig an. Zu Hause durfte ich höchstens verdünnten Wein trinken. Und im Kloster gab es nur Tee. Lass dir von niemandem erzählen, dort gäbe es fröhliche Sauforgien. Das ist eine Lüge.«

      »Werd’s mir merken.« Kopfschüttelnd hängte Logan sich den leeren Beutel um und ging voran. Cian folgte ihm auf unsicheren Füßen. Weder die Fesseln noch sein eckiger Gang änderten etwas an der Eleganz seiner Bewegungen. Bei den ersten Schritten stöhnte er.

      »Muskelkater?«, fragte Logan.

      »Ja, und meine Füße tun weh«, stöhnte der Junge. »Ich bin diese körperliche Anstrengung nicht gewohnt. Bin ich froh, wenn ich zurück im Kloster bin. In Sicherheit.«

      Er stolperte über einen im Gras verborgenen Stein und schrie auf. Logan fuhr herum und konnte ihn gerade noch fangen. Der Junge zuckte, als Logans Pranken seinen Arm packten.

      »Ich hätte mir fast den Hals gebrochen.« Cians Augen funkelten wütend. »Nur wegen der blöden Fesseln. Kannst du die nicht abmachen?«

      »Nein.« Logan schubste ihn voran, weg vom Ufer und in den Schatten des Waldes. »Und jetzt lauf. Je schneller wir zum Eisenstein kommen, desto schneller bringe ich dich zum Kloster.«

      Cian trottete voran, stolperte und schwankte. Wie betrunken war er? Immerhin schaute er Logan nicht mehr an, als wollte der ihn fressen. Nein, die Blicke, die der Junge ihm zuwarf, konnte er nicht deuten. Immer wieder sah Cian zu ihm herüber, durch verdreckte

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