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hielt. Das wurmte mich. Als es dunkel war, durchstreifte ich den Park und wedelte mit einem Taschentuch alle Büsche ab. Und auf einmal flatterte der Piepvogel auf und ließ sich sofort wieder im nächsten Busch nieder, durch sein gelbes Gefieder deutlich erkennbar. In großer Aufregung warf ich mein Taschentuch nach dem Tier. Das Glück war mir günstig. Ich konnte den Vogel ergreifen und im Taschentuch nach dem Schloß tragen. Ein paar Damen saßen noch mit den Kindern zusammen. Ich gesellte mich klein dazu, fragte, ob der Vogel inzwischen gefunden wäre. Nein, natürlich nicht. Einige von den Kindern waren richtig betrübt über den Verlust. Da trat ich an den leeren Bauer, legte mein Taschentuch hinein und sagte: »Hier ist der Piepmatz wieder.« Wie ein Napoleon stand ich auf einmal da. Die goldige Gräfin Kalckreuth knickte sofort eine junge, vielleicht kostbare Palme ab und überreichte sie mir.

      Im Dorf grüßte mich alles. Ich wurde hie und da zu Eisbeingesellschaften oder Kuchenessen eingeladen.

      Jagdhörner weckten mich. Im Hof wimmelte ein Hofstaat. Uniformierte Kutscher, Jäger und Lakaien. Jagdwagen. Viele Gäste waren erschienen. Auch die Gräfin Veronika und Herr und Frau von Klitzing.

      Fasanen, Schnepfen, Hasen und Karnickel. Rommel und ich waren zur Jagd nicht aufgefordert. Rommel kam deshalb auch nicht zu dem Jagddiner. Ich kam wohl, aber spielte den Beleidigten. Der Graf entschuldigte sich verbindlich und lud mich für die nächste Treibjagd ein. Er toastete auf den schlechtesten Jäger des Tages, Herrn Dr. von Katte.

      Als ich an der Teichbank auf Eichhörnchen wartete, kam ein richtiges Eichhörnchen zu mir, dann aber auch das unrichtige.

      Eine Mondscheinnacht. Die Luft war draußen wärmer als in den Zimmern. Ich saß mit Timmi oben im Kochhäuschen, wo man nach vier Seiten hin über die helle Wiese sah. Ich beklagte mich darüber, daß mich alle für dumm hielten. Eichhörnchen tröstete mich. Es wüßte niemand, daß ich ein Künstler wäre. Und dann weinte sie über den Gedanken, daß sie sich einmal von mir trennen müßte.

      Ich hatte in der Doublettenkammer zu tun. Im Kirchgang sah ich ein meterhohes Krähennest.

      Dann wieder ein großes Diner mit frostiger Konversation. Abends zog ich mit Eichhörnchen auf blätterüberschütteten Wegen nach dem Fischteich. Wo die kleine Hütte aus Teerpappe stand, ließen wir uns nieder. Ich steckte einen Rechenstiel in die Erde und befestigte einen brennenden Papierlampion mit einer Haarnadel daran. In dieser Beleuchtung las Eichhörnchen Kiplings »Das Licht erlosch«, und ich dichtete. Auf dem Heimweg erzählte sie mir sehr anschaulich vom Verlauf der gestrigen Jagd. Von den sprühenden Federn in der Luft. Von der geifernden Mordlust oder Schießlust des Jagdkönigs Rittmeister von Tschirschky.

      Generäle und andere neue hohe Gäste kamen. Zum Diner um halb acht Uhr war Frack befohlen. Jeder Herr mußte zwei Damen zu Tisch führen. Es gab unter anderem einen ganz seltenen Wein, von dem wir Unterhäusler nichts abbekamen. Sonst war ich aber äußerst vergnügt und hatte Eichhörnchen hinterher viel zu berichten, und auch sie hatte Merkwürdiges an der Tafel erlebt.

      Wieder weckte mich Hörnerweckruf vom Hof und vom Korridor her. Die Sonne schien auf bereifte Dächer. Ich zog meinen Sportanzug an und steckte ein Eichhörnchenschwänzchen an mein grünes Hütchen. Der Fürstengruß wurde den ankommenden Jägern dargebracht. Dann ging es los. Erster Trieb. Die Reihe der Treiber und darunter komisch vermummte Weiber mit hohen Stiefeln schwärmten aus. Ich kam mit Neugebauer hinter den Grafen Bassewitz und dessen Büchsenspanner zu stehen. Ein paarmal rasselte Schrot bedenklich nahe an mir vorbei. Eine Kette von Fasanen flog auf. Piff-paff. Nun sah ich die sprühenden Federn in der Luft und sah getroffene Kaninchen sich überschlagen.

      Später half ich dem Gärtner Pohl an der Strecke. Er wollte aus totem Geflügel und Wild einen Basse formen, das Wappentier des Grafen von Bassewitz.

      Ich ging zum Kaffee zum Förster. Lahme und wunde Fasanen suchten mit letzter Kraft zu entfliehen, wurden aber meist von den Weibern des Nachtriebes gepackt und totgeschlagen. Als man die Jagd abblies und die Scheiterhaufen um die Strecke aufloderten, schlich ich mich von der Gesellschaft hinweg, streifte traurig und lange durch den Wald. Tietzefreund hatte Rommel und mir bereits angedeutet, daß wir zum Diner diesmal überflüssig wären. Der gute Alte brachte uns das so zart und ungern bei. Er hatte selber ja einen viel schwereren Stand als wir.

      November, Eichhörnchen lief weinend zur Rentmeisterin. Die Rentmeisterin lief weinend zum Rentmeister. Der Rentmeister war aufgeregt. Ich war aufgeregt. Viele waren aufgeregt. Folgendes war geschehen: Ich hatte seit einiger Zeit den Auftrag, gewisse Arbeiten an vielen Aktenbündeln im Büro des Sekretärs zu erledigen, weil dort ein großer Tisch freistand. Das paßte Herrn Neugebauer nicht recht, und da war es nun über einer Lappalie zu einem Wortstreit zwischen uns gekommen, und aus dem Wortstreit war eine regelrechte Prügelei entstanden. Gerade zu einer Stunde, als zwei wegen tätlichen Angriffs angeklagte Bauern im selben Zimmer von Neugebauer verhört werden sollten. Das ergab nun alles mögliche Kleinliche und Große. Rommel, der für mich hätte zeugen können, zeigte sich nicht. Eichhörnchen weinte und schwur, sie würde sofort gehen, wenn ich gehen müßte. Ich tröstete sie und stellte mich fröhlich und las ihr und Rentmeisters meine neue Novelle »Das Grau und das Rot« vor. Fräulein Moll war zugegen und bemerkte etwas spitz, daß diese Geschichte, in der ich einige Charakteristika des Rentmeisters und sonstiger Personen vom Schloß verwandt hatte, recht instruktiv wäre. Ich war überzeugt, daß sie das dem Grafen brühwarm überbringen würde, hatte aber durchaus kein böses Gewissen. Eichhörnchen und Frau Rentmeister suchten auszukundschaften, wie Neugebauer gestimmt wäre und ob er die Angelegenheit dem Grafen melden würde. Sie hielten mich durch kleine Privattelegramme auf dem laufenden. Den Rentmeister bat ich, meinetwegen nichts bei dem Grafen zu unternehmen. Ich ließ meine Akten aus dem Sekretariat auf mein Zimmer schaffen und schickte Neugebauer zwanzig Mark zu, die ich ihm noch für Bücher schuldete.

      Der Graf kam von auswärtiger Jagd zurück. Nun mußte die Entscheidung fallen. Es war der Geburtstag des jungen Grafen Peter. Draußen stieß der Sturm in das raschelnde dürre Laub. Ein Dohlenschwarm umkreiste kreischend den Turm. An der Villa stand noch blauer Kohl vor einem Hintergrund von rotblättrigem Gesträuch. In der Abendsonne tanzten Mücken ihren Totentanz.

      Ein paar Tage lang schnitt mich der Graf. Dann ließ er mich rufen. Er drückte sein Bedauern über den Vorfall aus und sagte in verbindlicher Form, daß er sich die Angelegenheit ein paar Tage lang überlegen wolle. Rommel hatte gegen mich gezeugt.

      Als der Graf von einer kurzen Reise wieder zurückkehrte, kündigte er mir per 1. Januar. Er kleidete das in äußerst liebenswürdige und scharmante Worte und drückte mir nahezu bewegt die Hand. Ich war ganz gefaßt und in vieler Beziehung sogar froh. Aber das liebe Eichhörnchen weinte tagelang, und auch die Rentmeisterin war ehrlich betrübt.

      Die treue Seele schrieb, ich wäre ihr in München herzlich willkommen.

      Schwärmerische, liebeswarme Zusammenkünfte und Ausflüge mit Timmi. Fast niemand genoß wohl den herrlichen Park, den Garten und alles dort so wie wir. Mit wem sonst konnten wir darüber reden? Wenn uns beiden das Herz davon voll war, erinnerte der Rentmeister plötzlich an die zu bestellende Wringmaschine, oder die Rentmeisterin kam auf das Huhn zu sprechen, das auf den Baum geflogen war.

      In meiner derzeitigen Stimmung machte mir das Buch »Braut von Rörvig« von Bergsöe großen Eindruck. Ich hatte so etwas wie Sehnsucht nach Seefahrt. Nachts weinte ich an Eichhörnchens Brust, und derweilen rußte wieder die Lampe, und alles, alles war auf einmal schwarz punktiert. Eichhörnchen wischte weinend.

      Im Salon erzählte Timmi sehr lustig, wie sie einmal eine Weste mit einem Regenschirm geflickt und dann den Regenschirm wieder mit der Weste geflickt hatte. Ich wartete sehr auf Geld vom »März«, weil ich mir nicht sicher war, ob mir der Graf zu Weihnachten ein Geldgeschenk machen würde. Timmi wollte Weihnachten bei ihrer Mutter verleben. Sie hatte der Gräfin einen Wunschzettel eingereicht, den ich in einen Vers kleiden mußte. Sie wünschte sich Geld, aber dieser Wunsch wurde ihr abgeschlagen.

      Kalte, verschleierte Mondnächte. Am 19. Dezember schrieb ich oder wollte ich an eine versteckte Wand in meinem Zimmer schreiben:

      Hier wohnte ich und dachte dem nach,

      Was ich gesehen, was jeder

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