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Kriegsschiffe.

      Die Ladung wurde gelöscht. Ich war im Schiffsraum beschäftigt und schaufelte mir während der Arbeit aus vollen Händen Zucker in den Mund. Was tat ich nicht alles, was meine Zähne ruinierte! – Ein hochgewundener Sack platzte und ergoß seinen Zucker über den Zweiten Steuermann, der neben mir Säcke flickte. Es gingen häufig Säcke entzwei. Wir nähten sie und füllten sie wieder mit dem zusammengefegten Zucker. Was dabei an Zucker verlorenging, wurde einfach durch Dreck ersetzt.

      Dem leichtgläubigen Trimmer Paul zeigten wir Zigarettenbäume, feuerspeiende Berge und den Wendekreis des Herings. – Bumbootsleute brachten Apfelsinen, Feigen, Zigaretten und Floridawasser. – Meine Füße hatten sich in den nassen Stiefeln wund gescheuert. Ich fettete sie mit Margarine ein und umwickelte sie mit Twist und Apfelsinenpapier.

      Wir lichteten die Anker, fuhren wieder durch die Straße von Gibraltar und weiter nach der Stadt, deren Namen unser Schiff trug. In Villa Real blieben wir aber nicht lange, sondern dampften flußaufwärts nach einem kleinen Ort, Pomerun. Hier entwickelte sich zwischen uns Matrosen und den Bumbootsleuten ein reger Tauschhandel. Wir gaben zerrissene Kleider und leere Flaschen hin und erhielten dafür Früchte und anderes. So erstand ich hundert Apfelsinen, drei Kistchen Feigen, zehn Eier und zwei lebende Stieglitze mit Bauer. Nie wieder habe ich soviel Apfelsinen gegessen wie damals. Die Zähne wurden davon stumpf. Eine große Menge Apfelsinen konservierte ich. Das kostete mich viel Zeit, denn ich mußte jede Frucht schälen und in Scheiben zerlegen. Die Scheiben verwahrte ich zwischen Zuckerschichten in großen Gläsern, die ich fest verschloß.

      Unentwegt wurde der arme Paul zum besten gehalten. Wir ärgerten ihn durch gefälschte anonyme Drohbriefe, die angeblich aus seinem Heimatdorf eingetroffen waren. Nachts bestrichen wir seine nackten Beine mit Teer.

      Auf einem Sonntagsausflug zeigten wir ihm Kap Horn und das Palais des Sultans und deuteten ihm all das Fremdartige, was wir erblickten, entsprechend aus. Der Weg war steil und steinig. Zur Seite blühten seltsame Sträucher. Uns begegnete eine dunkelhaarige Frau, die einen schwer bepackten Esel trieb. Dann Männer in engen Hosen, kurzen Jacketts, mit roten Schärpen und breitkrempigen Hüten. Auf einem Felsengipfel waren niedrige Häuser aus unbehauenen Steinen errichtet. Die Mauern darum hatten Nischen, die als Kamine dienten. Bunt gekleidete schöne Mädchen schauten uns neugierig an, Kinder bettelten um Tabak. In den holprigen Straßen wälzten sich rotbraune Schweine. Wir fanden ein kleines Wirtshaus, wo wir uns mit englischen Matrosen anfreundeten und viel roten Landwein tranken. Der war so stark, daß ich auf einmal stockbetrunken wurde. Ich warf auf dem Rückweg Steine nach dem Steuermann, der gar nicht zugegen war. Ich wollte giftige Vogelbeeren essen. Als mich die Kameraden daran hinderten, entfloh ich ihnen und lief davon, von lachenden Kindern verfolgt, bis ich hinfiel und mit dem Gesicht gegen einen großen Stein prellte. Als wir unser Ruderboot erreichten, tauchten mich meine Freunde mehrmals unter Wasser, aber ich wurde dadurch nicht nüchterner. An Bord der »Villa Real« hämmerte ich mit den Fäusten gegen die Kammertür des Ersten Steuermanns und schrie: »Komm heraus, du Schuft, wir wollen uns schlagen!« Der hütete sich aber. Schließlich brachten mich die Matrosen zur Koje. Andern Tags erwachte ich mit Kopfschmerzen, mein Körper hatte Risse und blutunterlaufene Beulen.

      Wir luden Erz. – Ein stellungsloser deutscher Konditor kam an Bord und bat um freie Rückfahrt. Der Kapitän wies ihn ab. Wir Matrosen aßen gerade Pellkartoffeln mit Hering. Ich gab meine Portion dem Konditor und ließ ihn Platz bei uns nehmen. Über sein verhungertes Gesicht ging ein glückliches Strahlen. »Pellkartoffeln mit Hering!« sagte er gedehnt und griff zaghaft nach dem Teller. In dem Moment rief der Steuermann das Kommando herab: »Schiff verholen! Der fremde Mann soll sofort von Bord!« Wir eilten an Deck. Der Konditor kam um seine Mahlzeit, ich konnte ihm nur ein Stück Brot zustecken.

      Wir nahmen vor zwei anderen kleinen Orten und dann wieder in Lissabon Kisten mit Ölsardinen und Korkplatten in großen Ballen; auch fertige Flaschenkorke sowie ein paar tausend Säcke Kakaobohnen. – Ich bekam häufig Nasenbluten und vom Kautabak Sodbrennen. – Ein Korkballen löste sich aus der Schlinge, fiel in den Laderaum zurück und prellte mich drei Meter weit weg. – Es gab einen Tumult wegen der ungenießbaren Kost.

      Am 16. November liefen wir in Oporto ein. Eine schwierige Einfahrt zwischen der Sandbank und Felsblöcken. Der Lotse stand selbst am Ruder, und zwei Boote mit je zwölf Portugiesen besetzt, halfen bei dem Manöver.

      Wir luden Ölkuchen, Wein, Zwiebeln und Tierfelle. – Ein Eingeborener gab mir sechzig Äpfel für meine ranzige Margarine, auf die ich versehentlich Petroleum verschüttet hatte.

      Wir traten die Rückreise an. Den Matrosen wurde das Geld für die Überstunden ausbezahlt. Mir zahlte der Steuermann nichts.

      Vorübergehend trieben wir steuerunfähig; wir hatten die Feuer gelöscht, um einen Maschinendefekt zu beseitigen. – Ein weißer Dreimastschoner fiel uns wegen seiner ungewöhnlichen Bauart auf. Durch Flaggensignale erfuhren wir, daß es die »Gauß« war, die von einer Südpolexpedition zurückkehrte. Was mochte sie entdeckt und erlebt haben! – Ich kostete meine eingemachten Apfelsinen. Sie schmeckten so bitter, daß sie nicht mehr zu genießen waren.

      Der Kanal bescherte uns noch einen tüchtigen Sturm. Im Logis rollte der Käfig mit meinen zwei Stieglitzen zwischen Blechgerät, verschüttetem Mittagessen und Kohlen hinüber und herüber.

      Wir ankerten in Cuxhaven. Ich wurde zum Kapitän befohlen. Ich dachte, er würde mir meine Überstunden bezahlen und lief freudig nach der Kajüte. Aber dort empfing mich ein Kriminalbeamter. Der händigte mir eine Strafverfügung über drei Mark ein. Weil ich mich vor Monaten einmal in Hamburg nicht abgemeldet hatte.

      Der Arzt kam zur vorgeschriebenen Untersuchung an Bord.

      Am 24. November musterte ich in Altona ab.

      Einjährig-Freiwilliger

       Inhaltsverzeichnis

      Herr Ristelhüber nahm mich wieder in seinem Geschäft auf, zahlte mir aber diesmal weniger Gehalt. Ich war eifrig. Auf Botengängen lernte ich neue Stadtteile Hamburgs kennen.

      Weihnachtsgeschenke von den Eltern und Geschwistern trafen ein. Wie anders war mir dieser Heilige Abend als der im verflossenen Jahr. Mein Chef hatte mich zu sich eingeladen. Außer seiner Frau war auch noch die Tochter mit ihrem Bräutigam zugegen. Alles warme und rege Menschen. Ein Tisch voll reicher Gaben war für mich aufgebaut. Fräulein Ristelhüber sang schön, und mein Chef trank auf das Wohl meines »prächtigen« Vaters. Er war sehr lustig aufgelegt und unterbrach mich mit freundlichen Klapsen, wenn ich etwas von Dank äußern wollte.

      Ich ging ins einundzwanzigste Jahr und mußte nach Kiel fahren, um mich dort auf Diensttauglichkeit untersuchen zu lassen. Anfangs zu meinem Schrecken, dann aber zu meiner Freude, auf jeden Fall aber zu meiner Verwunderung wurde ich angenommen und auch gleich dort behalten, durfte nicht erst noch einmal nach Hamburg zurück. Ich verabschiedete mich schriftlich von Herrn Ristelhüber.

      Mit dreizehn anderen Einjährigen kam ich zur Zweiten Kompanie der Ersten Matrosendivision. Die meisten dieser Einjährigen waren wenig gebildete Leute. Sie hatten das Examen auf der Steuermannsschule gemacht. Dafür waren sie gute Seeleute.

      Wochenlang sollten wir die Kaserne nicht verlassen. Wir badeten, wurden rasiert, eingekleidet und instruiert. Unsere Zivilsachen schickten wir heim.

      Nun begann der stramme Dienst bei der Kaiserlichen Marine. Um sechs Uhr morgens weckten uns Tambour und Spielmann mit der laut tönenden Melodie »Freut euch des Lebens«. O Gott! Es war gar nicht Zeit, sich des Lebens zu freuen. Rasend schnell mußten wir uns waschen, rasend schnell anziehen, rasend schnell alles Weitere ausführen. Stiefel putzen, Strohsack in Ordnung bringen, Kaffee mit trockenem Brot hinunterschlingen, Wasser holen, Stube fegen usw. Dann Instruktionsstunde, zunächst über das Thema »Militärischer Gruß«. Dann Freiübungen, Kopfrollen, Rumpfbeuge. Dann exerzieren, daß die Knochen sich bogen und die Gelenke knackten. Mir fiel das leichter als den anderen Dreizehn, weil ich der Jüngste war. Ich war auch der Kleinste und deshalb linker Flügelmann. Es gab sich leider so, daß ich alle Wochen

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