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wurde ich oft von den Matrosen ausgelacht, aber ich kümmerte mich nicht darum, und wenn ich sogar nicht Zeit fand, meine Kleider und sonstigen Habseligkeiten in Ordnung zu halten, – für das, was ich meinen Angehörigen und besonders meinem Bruder Wolf gang mitzubringen gedachte, hatte ich immer Zeit und Raum übrig. Allerdings begnügten sich meine Kameraden nicht damit, mich für verrückt zu erklären, sondern sie verdarben mir auch in ihrem plumpen Unverstand oder aus Schabernack meine Schätze. So hatte mir Jahn verschiedene Male sehr interessante Fische, die ich mit Tabak ausgestopft und dann zum Trocknen auf die Kombüse gelegt, über Bord geworfen mit der hartnäckigen Erklärung, daß solches »verottetes Viehzeug« doch nur stinken würde.

      Ich hatte das Unglück, vom Alten überrascht zu werden, wie ich auf der Wendeltreppe einen heimlichen, tiefen Zug aus der Kognakflasche tat. Er machte jedoch zu meiner Verwunderung gar kein Wesen aus dieser Sache.

      Es folgten jetzt immer schwerere Arbeitstage, die uns viel Schweiß kosteten. In der Beköstigung war keine große Änderung eingetreten, denn das Frischbrot, das wir am Hafen zweimal wöchentlich erhielten, war ein ganz leichtes, trockenes und kraftloses Gebäck, und die täglichen Fleischrationen waren sehr knapp bemessen.

      Den einzigen Genuß boten die Früchte, die uns die Schwarzen mitbrachten. Für eine Ananas zahlten wir 5 Cents, also 20 Pfennig, und dabei verdienten die Nigger noch viel.

      Die Bezeichnung »Nigger« brachte mir übrigens beinahe eine Tracht Prügel ein. Als ich eines Tages einen baumlangen Eingeborenen ahnungslos mit den Worten »Du Nigger!« anrief, drang er mit einem Stück Eisen wütend auf mich ein und schrie dabei, er wäre kein Nigger, und er sei ebenso klug wie wir. Hermann, unser Sprachgenie, sprang vermittelnd zwischen uns und beschwichtigte den Schwarzen.

      Zwei Gentlemen, ein Weißer und ein Gelber, besuchten den Alten. Sie benahmen sich äußerst ungeniert, betranken sich an Kapitän Pommers Cognac vieux und kauften zuletzt dem Steuermann einen Revolver ab. Einmal ließ sich der Kapitän auch von Hermann und mir an Land rudern. Der Leichtmatrose war klein und schwächlich und ich im Rudern noch nicht sehr geübt. Wir strengten uns aber beide äußerst an und pullten den weiten Weg bis zur Anlegestelle in Belize mit solchem Eifer, daß ich mehrmals nichts sehen konnte, weil mir der Schweiß von der Stirn in die Augen lief. »Pullt, pullt, ihr Bengels!« feuerte uns der Kapitän an. Als wir dann gelandet waren, gab er uns einen Schilling, ermahnte uns, gut aufs Boot aufzupassen, bis er wiederkäme und entfernte sich darauf schwankenden Schrittes in der Richtung nach dem Gouvernementsgebäude. Nun stand ich allein mit Hermann in Belize auf festem Boden. Wir hatten bei einem freien Platz angelegt, der von schmucken sauberen Holzbauten mit grünen Fensterläden umgeben war. Nur ein steinernes Gebäude war sichtbar, und die auf dem Dach wehende englische Flagge kennzeichnete es als Gouvernementsgebäude. Es war auch Polizeistation. Auf dem Platz selbst stand eine ungeheure Wassertonne. Ein Schwarzer verkaufte dort Trinkwasser. In Belize war man auf das Trinkwasser angewiesen, das man während der Regenzeit in umfangreichen Fässern auffing oder von Wellblechdächern in alle möglichen Gefäße leitete.

      Es herrschte ein reges Treiben auf dem Platz. Schwarze, gelbe und auch weiße Menschen in bunten Kleidern, mit breiten Strohhüten spazierten umher oder gingen ihren Geschäften nach. Anscheinend war gerade Markttag.

      In einem geräumigen Schuppen wurden Fleisch und Obstwaren feilgeboten. Wir erstanden für einen Schilling: zwei Ananas, ein Bund Bananen und verschiedene andere Früchte, die wir gleich probierten. Den Rest bargen wir im Boot, legten die Ruder und Ruderdollen unter die Sitze, überzeugten uns noch einmal, daß das Fahrzeug gut festgebunden war und bummelten nun durch die Straßen, um mit neugierigen Augen das Leben und Treiben dort zu beobachten. Zunächst begegneten wir einem langen schwarzen Soldaten mit geschultertem Gewehr, der vier gelbe Gefangene begleitete, die in Blecheimern Trinkwasser schleppten. Sie lächelten uns gemütlich zu. Dann lockten uns eine Menschenmenge und der wiederholte Ruf »Going at«, »Going at« zu einer öffentlichen Auktion. Es wurde gerade ein Fahrrad für 40 Dollar ausgeboten. Unter den Negern, die den Tisch umstanden und durch laute Zwischenrufe sehr störten, befanden sich mehrere Schauerleute, die tags zuvor beim Laden auf der »Elli« beschäftigt waren. Einer derselben stellte uns einen alten Herrn als Landsmann vor. »Sprichst du Deitsch?« wandte er sich an Hermann. »Jo, ik bin Hamburger Jung.«

      Der Herr war aus Ostpreußen, und zwar aus Memel, lebte schon 25 Jahre lang in Belize und versprach, uns gelegentlich an Bord zu besuchen. Wir hatten uns inzwischen unserer Jacken entledigt, denn die Hitzte an Land war noch weit drückender als draußen auf der Reede. So schlenderten wir wieder unserem Anlegeplatz zu. Der Wassermann auf dem Marktplatze verabreichte uns einen Trunk aus seiner Riesentonne gratis. Wir aßen gleich danach im Boot eine Unmenge Früchte, Cholera und Fieber verlachend.

      Jetzt wäre vielleicht eine gute Gelegenheit zur Flucht gewesen. Hermann und ich besprachen das auch, aber wir kamen zu dem Resultat, daß wir unmöglich unsere ganzen Habseligkeiten so ohne weiteres im Stich lassen konnten. Mir persönlich lag eigentlich nur daran, mein angefangenes Tagebuch, meine Photographien und einige sonstige Andenken an die Heimat mitzunehmen. Also ruderten wir wieder den Kapitän, der sehr spät und sehr betrunken vom Konsul kam, an Bord zurück.

      Es wurde ziemlich laut und allgemein an Bord rebelliert. Jahn schimpfte auf den Koch, die übrigen Matrosen auf den Steuermann und den Kapitän sowie auf das ungenießbare Fressen, und der Bootsmann verrichtete seine Arbeiten mit sichtlichem Widerwillen, indem er dabei von Sklavenketten und Hungerschiff sprach. Die Verhältnisse spitzten sich zu einer Krise zu, und diese kam einige Tage später.

      Willy war, in einer freihängenden Stellage sitzend, damit beschäftigt, den oberen Mast braun zu streichen und sang dabei aus voller Lunge das schöne Lied:

      Bei einem Städtchen,

      In einem tiefen Tale,

      Da saß ein Mädchen

      An einem Wasserfalle.

      Sie war so schön, so schön wie Milch und Blut,

      Von Herzen war sie einem Räuber gut.

      Du armes Mädchen,

      Bedaure meine Seele,

      Denn ich muß fort

      Aus dieser Räuberhöhle,

      Wo wir dereinst so glücklich konnten sein,

      Jedoch ich muß von dir geschieden sein.

      Nimm diesen Ring,

      Und sollt' dich jemand fragen,

      So sag': Ein Räuber

      Hat ihn einst getragen,

      Der dich geliebt bei Tag wie bei der Nacht,

      Und der so viele Menschen umgebracht.

      Mich ergriffen solche Lieder. Kapitän Pommer, der an Deck stand, dachte jedoch anders, denn er rief Willy zu: Er solle bei der Arbeit nicht singen. Willy antwortete mit einem spöttischen »Ach wat!«, worauf der Alte fürchterlich zu schimpfen anfing. Aufgebracht, wie er war, wandte er sich an den über Deck gehenden Bootsmann: »Und was ist eigentlich mit Ihnen, Bootsmann?« sagte er, indem er den Kopf schief hielt und ein Auge zukniff. »Wollen Sie nicht mehr? Sie sprechen von Sklavenketten und Hungerschiff; wenn es Ihnen nicht mehr paßt, können Sie gehen.«

      »Ja, das hat keinen Zweck, wenn ich hierbleibe. Das gefällt mir hier nicht!« entgegnete der Bootsmann mürrisch und machte sich sofort daran, seine Sachen zu packen.

      Gott sei Dank! Der sollte mich nicht mehr schinden!

      Die Entlassung des Bootsmannes rief vorn im Logis lebhafte Debatten, viel Erbitterung und den allgemeinen Wunsch hervor, ihm nachfolgen zu können. Alle waren das Hungerleben auf diesem Schiff satt, aber wir wußten auch, daß der Alte so leicht keinen abmustern würde.

      Dem Steuermann entging diese Stimmung unter den Matrosen nicht. Er rief sie auf das Hinterdeck zu sammen und erklärte: »Ihr könnt alle frei sein, nur müßt ihr einen Ersatzmann stellen.«

      Dieser Schuft! dachten wir; er weiß genau, daß wir hier keinen Ersatzmann, keinen Deutschen finden.

      Ich

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