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in Petersburg als die erste Probe einer bewußten planmäßigen Massenaktion in Rußland großen Eindruck gemacht. Genau so wird auch der »Probemassenstreik« der Hamburger Genossen vom 17. Januar 1906 eine hervorragende Rolle in der Geschichte der künftigen deutschen Massenstreiks spielen, als der erste frische Versuch mit der soviel umstrittenen Waffe und zwar als ein so wohlgelungener, von der Kampfstimmung und Kampffreude der Hamburger Arbeiterschaft so überzeugend sprechender Versuch. Und ebenso sicher wird die Periode der Massenstreiks in Deutschland, wenn sie einmal im Ernst begonnen hat, von selbst zu einer wirklichen allgemeinen Arbeitsruhe am 1. Mai führen. Die Maifeier dürfte naturgemäß als die erste große Demonstration im Zeichen der Massenkämpfe zu Ehren kommen. In diesem Sinne hat der »lahme Gaul«, wie die Maifeier auf dem Kölner Gewerkschaftskongreß genannt wurde, noch eine große Zukunft und eine wichtige Rolle im proletarischen Klassenkampfe in Deutschland vor sich. Allein mit der Entwicklung der ernsten revolutionären Kämpfe nimmt die Bedeutung solcher Demonstrationen rasch ab. Gerade dieselben Momente, die das Zustandekommen der Demonstrationsstreiks nach vorgefßtem Plan und auf die Parole der Parteien hin objektiv ermöglichen: das Wachstum des politischen Bewußtseins und der Schulung des Proletariats, machen diese Art von Massenstreiks unmöglich: heute will das Proletariat in Rußland, und zwar gerade die tüchtigste Vorhut der Masse, von Demonstrationsstreiks nichts wissen; die Arbeiter verstehen keinen Spß mehr und wollen nunmehr bloß an ernsten Kampf mit allen seinen Konsequenzen denken. Und wenn in dem ersten großen Massenstreik im Januar 1905 das demonstrative Element, zwar nicht in absichtlicher, sondern mehr in instinktiver, spontaner Form, noch eine große Rolle spielte, so scheiterte umgekehrt der Versuch des Zentralkomitees der russischen Sozialdemokratie, im August einen Massenstreik als Kundgebung für die aufgelöste Duma hervorzurufen, unter anderem an der entschiedenen Abneigung des geschulten Proletariats gegen schwächliche Halbaktionen und bloße Demonstrationen.

      2. Wenn wir aber anstatt der untergeordneten Spielart des demonstrativen Streiks den Kampfstreik ins Auge fassen, wie er im heutigen Rußland den eigentlichen Träger der proletarischen Aktion darstellt, so fällt weiter ins Auge, dß darin das ökonomische und das politische Moment unmöglich voneinander zu trennen sind. Auch hier weicht die Wirklichkeit von dem theoretischen Schema weit ab, und die pedantische Vorstellung, in der der reine politische Massenstreik logisch von dem gewerkschaftlichen Generalstreik als die reifste und höchste Stufe abgeleitet, aber zugleich klar auseinandergehalten wird, ist von der Erfahrung der russischen Revolution gründlich widerlegt. Dies äußert sich nicht bloß geschichtlich darin, dß die Massenstreiks, von jenem ersten großen Lohnkampf der Petersburger Textilarbeiter im Jahre 1896-1897 bis zu dem letzten großen Massenstreik im Dezember 1905, ganz unmerklich aus ökonomischen in politische übergehen, so dß es fast unmöglich ist, die Grenze zwischen beiden zu ziehen. Auch jeder einzelne von den großen Massenstreiks wiederholt sozusagen im kleinen die allgemeine Geschichte der russischen Massenstreiks und beginnt mit einem rein ökonomischen oder jedenfalls partiellen gewerkschaftlichen Konflikt, um die Stufenleiter bis zur politischen Kundgebung zu durchlaufen. Das große Massenstreikgewitter im Süden Rußlands 1902 und 1903 entstand, wie wir gesehen, in Baku aus einem Konflikt infolge der Mßregelung Arbeitsloser, in Rostow aus Lohndifferenzen in den Eisenbahnwerkstätten, in Tiflis aus einem Kampf der Handelsangestellten um die Verkürzung der Arbeitszeit, in Odessa aus einem Lohnkampf in einer einzelnen kleinen Fabrik. Der Januar-Massenstreik 1905 entwickelt sich aus dem internen Konflikt in den Putilow-Werken, der Oktoberstreik aus dem Kampf der Eisenbahner um die Pensionskasse, der Dezemberstreik endlich aus dem Kampf der Post- und Telegraphenangestellten um das Koalitionsrecht. Der Fortschritt der Bewegung im ganzen äußert sich nicht darin, dß das ökonomische Anfangsstadium ausfällt, sondern vielmehr in der Rapidität, womit die Stufenleiter zur politischen Kundgebung durchlaufen wird und in der Extremität des Punktes, bis zu dem sich der Massenstreik voranbewegt.

      Allein die Bewegung im ganzen geht nicht bloß nach der Richtung vom ökonomischen zum politischen Kampf, sondern auch umgekehrt. Jede von den großen politischen Massenaktionen schlägt, nachdem sie ihren politischen Höhepunkt erreicht hat, in einen ganzen Wust ökonomischer Streiks um. Und dies bezieht sich wieder nicht bloß auf jeden einzelnen von den großen Massenstreiks, sondern auch auf die Revolution im ganzen. Mit der Verbreitung, Klärung und Potenzierung des politischen Kampfes tritt nicht bloß der ökonomische Kampf nicht zurück, sondern er verbreitet sich, organisiert sich und potenziert sich seinerseits in gleichem Schritt. Es besteht zwischen beiden eine völlige Wechselwirkung.

      Jeder neue Anlauf und neue Sieg des politischen Kampfes verwandelt sich in einen mächtigen Anstoß für den wirtschaftlichen Kampf, indem er zugleich seine äußeren Möglichkeiten erweitert und den inneren Antrieb der Arbeiter, ihre Lage zu bessern, ihre Kampflust erhöht. Nach jeder schäumenden Welle der politischen Aktion bleibt ein befruchtender Niederschlag zurück, aus dem sofort tausendfältige Halme des ökonomischen Kampfes emporschießen. Und umgekehrt. Der unaufhörliche ökonomische Kriegszustand der Arbeiter mit dem Kapital hält die Kampfenergie in allen politischen Pausen wach, er bildet sozusagen das ständige frische Reservoir der proletarischen Klassenkraft, aus dem der politische Kampf immer von neuem seine Macht hervorholt, und zugleich führt das unermüdliche ökonomische Bohren des Proletariats alle Augenblicke bald hier, bald dort zu einzelnen scharfen Konflikten, aus denen unversehens politische Konflikte auf großem Mßstab explodieren.

      Mit einem Wort: Der ökonomische Kampf ist das Fortleitende von einem politischen Knotenpunkt zum andern, der politische Kampf ist die periodische Befruchtung des Bodens für den ökonomischen Kampf. Ursache und Wirkung wechseln hier alle Augenblicke ihre Stellen, und so bilden das ökonomische und das politische Moment in der Massenstreikperiode, weit entfernt, sich reinlich zu scheiden oder gar auszuschließen, wie es das pedantische Schema will, vielmehr nur zwei ineinandergeschlungene Seiten des proletarischen Klassenkampfes in Rußland. Und ihre Einheit ist eben der Massenstreik. Wenn die spintisierende Theorie, um zu dem »reinen politischen Massenstreik« zu gelangen, eine künstliche logische Sektion an dem Massenstreik vornimmt, so wird bei diesem Sezieren, wie bei jedem anderen, die Erscheinung nicht in ihrem lebendigen Wesen erkannt, sondern bloß abgetötet.

      3. Endlich zeigen uns die Vorgänge in Rußland, dß der Massenstreik von der Revolution unzertrennlich ist. Die Geschichte der russischen Massenstreiks das ist die Geschichte der russischen Revolution. Wenn freilich die Vertreter unseres deutschen Opportunismus von »Revolution« hören, so denken sie sofort an Blutvergießen, Strßenschlachten, an Pulver und Blei, und der logische Schluß daraus ist: der Massenstreik führt unvermeidlich zur Revolution, ergo dürfen wir ihn nicht machen. In der Tat sehen wir in Rußland, dß beinahe jeder Massenstreik im letzten Schluß auf ein Renkontre mit den bewaffneten Hütern der zarischen Ordnung hinausläuft; darin sind die sogenannten politischen Streiks den größeren ökonomischen Kämpfen ganz gleich. Allein die Revolution ist etwas anderes und etwas mehr als Blutvergießen. Im Unterschied von der polizeilichen Auffassung, die die Revolution ausschließlich vom Standpunkte der Strßenunruhen und Krawalle, d. h. vom Standpunkte der »Unordnung« ins Auge fßt, erblickt die Auffassung des wissenschaftlichen Sozialismus in der Revolution vor allem eine tiefgehende innere Umwälzung in den sozialen Klassenverhältnissen. Und von diesem Standpunkt besteht zwischen Revolution und Massenstreik in Rußland auch noch ein ganz anderer Zusammenhang als der von der trivialen Wahrnehmung konstatierte, dß der Massenstreik gewöhnlich im Blutvergießen endet.

      Wir haben oben den inneren Mechanismus der russischen Massenstreiks gesehen, der auf der unaufhörlichen Wechselwirkung des politischen und des ökonomischen Kampfes beruht. Aber gerade diese Wechselwirkung ist bedingt durch die Revolutionsperiode. Nur in der Gewitterluft der revolutionären Periode vermag sich nämlich jeder partielle kleine Konflikt zwischen Arbeit und Kapital zu einer allgemeinen Explosion auszuwachsen. In Deutschland passieren jährlich und täglich die heftigsten, brutalsten Zusammenstöße zwischen Arbeitern und Unternehmern, ohne dß der Kampf die Schranken der betreffenden einzelnen Branche oder der einzelnen Stadt, ja Fabrik überspringt. Mßregelungen organisierter Arbeiter wie in Petersburg, Arbeitslosigkeit wie in Baku, Lohnkonflikte wie in Odessa, Kämpfe um das Koalitionsrecht wie in Moskau sind in Deutschland auf der Tagesordnung. Kein einziger dieser Fälle schlägt jedoch in eine gemeinsame Klassenaktion um. Und wenn sie sich selbst zu einzelnen Massenstreiks auswachsen, die zweifellos einen politischen Anstrich haben, so entzünden sie auch dann noch kein allgemeines

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