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Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch
Читать онлайн.Название Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3)
Год выпуска 0
isbn 4064066388812
Автор произведения Ricarda Huch
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Es verhalte sich ganz anders, sagte Maria streng; eigentlich hätte sie ihn, Ferdinand, allein strafen sollen, denn nicht nur, daß er als der Ältere der Verständigere sein und ein gutes Beispiel geben sollte, hätte er, der Große, sich von dem tapferen Kleinen wie ein Feigling zu Boden schlagen und verprügeln lassen, dazu noch Zeter geschrien. Frömmigkeit sei zwar für einen christlichen Regenten die Hauptsache, und auch die katholischen Wissenschaften und die Historie seien ihm nützlich, aber die ritterlichen Übungen und eine stattliche, kriegerische Haltung dürfe er nicht vernachlässigen. Die Verwandten machten ihr Vorwürfe, daß sie ihn zu lange auf der Universität lasse, wo er nichts als gelehrtes Silbenstechen und Disputieren lerne.
Ferdinand sagte maulend, er nehme Reit- und Fechtstunden und habe schon große Fortschritte gemacht. Der päpstliche Nuntius, der kürzlich durch Ingolstadt gekommen sei und ihn in der Fechtschule gesehen habe, habe ihn mit dem blitzeschleudernden Apollo verglichen. Was hätten sich auch seine Oheime, die Erzherzöge, einzumischen? Sie, die Mutter, hätte allein zu bestimmen und allenfalls ihr Bruder, der alte Herzog von Bayern, ihnen beiden wolle er gern gehorchen.
Ganz besänftigt, hieß Maria ihren Sohn sich zu ihr setzen und sprach ihm vertraulich von ihren Sorgen und Plänen. Einen erbitterten Kampf habe sie führen müssen, bis man sie mit ihren Kindern im Schlosse zu Graz gelassen habe; man hätte sie am liebsten auf die Seite gestellt, nicht weil man an ihrer Kraft zweifelte, die Regentschaft zu führen, im Gegenteil, weil man ihre Entschlossenheit fürchte. Der Kaiser und seine Brüder seien zwar gut katholisch, das wolle sie ihnen nicht abstreiten, aber es fehle ihnen der Mut, den allein das reine Gewissen verleihen könne. Das sei ein beständiges Paktieren und Feilschen mit den Ketzern! Dadurch, daß man sie fürchtete, würden sie fürchterlich. Jetzt freilich blähten sie sich auf und spritzten ihr Gift dahin und dorthin.
Aus einem Schubfach ihres Schreibtisches holte sie Briefe, die sie von ihrer Tochter Anna, der Gemahlin des Polenkönigs Sigismund, erhalten hatte. Sigismund sei ein guter, frommer Mann, sagte sie, und ihr als Eidam wert, aber allzu sanftmütig und den boshaften Schweden nicht gewachsen, wie er denn ein feierliches Versprechen gegeben habe, die lutherische Religion in Schweden zu erhalten und zu schützen; denn sonst hätten ihm die unbotmäßigen Stände nicht huldigen wollen. Dahinter stecke niemand anders als Karl, sein Oheim, der, als ein echter Abkömmling der bösen, wölfischen Wasabrut, selbst auf den Thron spekuliere. Nachdem nun Sigismund das leidige Versprechen einmal gegeben habe, solle er sich wenigstens nicht daran gebunden halten; denn den Untertanen stehe keinerlei Recht zu, den ihnen von Gott gesetzten Herren Eide und Bündnisse abzunehmen, sondern als gottlose Räuber solle er sie einfach zu Paaren treiben. Auch sei Anna sehr traurig darüber, daß es so gekommen sei und daß sie sich von den lutherischen Affen hätte müssen krönen und salben lassen, welches doch nicht mehr zu bedeuten habe, als wenn man von einem Bader wegen eines Aussatzes oder anderen Schadens geschmiert werde. Könnte sie nur allen ihren Mut und ihre Überzeugung einflößen, so würden die Unruhen und Empörungen, das Geschrei der tollköpfigen Bauern um freie Religionsübung und das Lärmen der Prädikanten auf den Kanzeln einmal aufhören. Die Bauern gehörten an den Pflug, die Bürger in ihre Werkstatt und die Prädikanten an den Galgen; hielte man sich daran, so würde der liebe Friede und die alte Ordnung bald wieder hergestellt sein. Freilich müsse zuerst der übermütige Adel gebeugt werden, damit das ketzerische Volk keinen Rückhalt mehr an ihm finden könne.
Er wolle schon Ordnung schaffen, sagte Ferdinand, der sich bemüht hatte, aufmerksam zuzuhören; wenn er drei Jahre regiert hätte, solle keiner mehr im Lande sein, der nicht das Knie beugte, wenn die Prozession vorübergehe. Er wolle den großen Prahlhansen schon ein Gebiß ins Maul klemmen, die störrischen Ketzeresel sollten ihm Säcke in seine Mühle tragen.
Maria zählte einige Herren vom Adel auf, die ihr am meisten zu schaffen machten, die Räknitz, die Praunfalk und die Windischgrätz. Bereits hätten sie sich beim Alten, nämlich beim Kaiser, beklagt, daß sie sie Untertanen geheißen hätte; und doch müßten sie wohl Untertanen sein, wenn der Fürst der Herr sei. Sie steckten mit allen Ketzern und Aufrührern in Österreich, Schlesien und Mähren, ja auch in Böhmen und Ungarn zusammen, wo es an dergleichen nie gefehlt habe, und möchten etwa gar freie Schweizer oder Holländer sein. Ein hübscher Staat ohne göttliches und irdisches Haupt, eine schöne Ordnung, wo die Untertanen mit ihrem kurzen Verstande Gott und die heilige Kirche lästern dürften, ohne daß einer sie beim Schopfe nehme. Sie wisse auch im Reich draußen manch einen, der dabei sein möchte.
»Sie werden schon zu Kreuze kriechen, wenn der Ferdinand die Zügel führt«, sagte dieser lachend.
Wenn sie nur erreichen könnte, meinte Maria, daß er ein paar Jahre früher mündig erklärt werde; die habsburgische Vormundschaft sei doch nur eine Mißwirtschaft. Es komme darauf an, daß er sich seinem Oheim, dem Kaiser Rudolf, persönlich vorstellen könne; der Rat Rumpf, der alles beim Alten vermöge, sei ein guter Freund von ihr und habe sich bereit erklärt, einen solchen Besuch zu vermitteln. Inzwischen müsse Ferdinand sich in körperlichen Übungen vervollkommnen, damit er eine anständige Haltung bekomme, nicht wie ein Hampelmann einhergehe, müsse sich ein ernstes, aufrichtiges, bescheidenes Betragen angewöhnen, um auf Rudolf einen günstigen Eindruck zu machen, denn davon hänge nun einmal alles ab.
»Ich bin gut genug für den alten Unflat!« sagte Ferdinand, indem er die lange Unterlippe hängen ließ, unterbrach sich aber sogleich, von der Mutter derb am Arme geschüttelt. Er hätte eine Maulschelle verdient, rief sie zornig; wie er so frech von der kaiserlichen Majestät reden dürfe! Wenn das seine jüngeren Geschwister gehört hätten!
Sie hätten es oft genug von ihr gehört, brummte Ferdinand, wie er es auch nicht aus sich selber habe. Sie habe gesagt, daß er sich Huren halte und mit gemeinen Leuten und Ketzern saufe und schändliche Künste treibe.
»Dir ziemt nicht, alles zu sagen, was mir ziemt,« sagte sie unwirsch, »denn du kannst nicht unterscheiden, wo und wann du den Mund auftun sollst.« Sie sei Rudolfs Freundin nie gewesen, aber er sei nun einmal der Kaiser und habe ihr Schicksal in seinen Händen, darum müsse Ferdinand sich Mühe geben, ihm zu gefallen.
Schließlich eröffnete Maria ihrem Sohne