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Schwermütigen gefährlich wären, und vertröstete auf das neue Jahr, dessen wachsendes Licht Besserung bringen könne.

      Diese Hoffnung versiegte in den Frühlingsmonaten, da sich in dem Zustande des Kranken nichts Wesentliches änderte, wie er auch wechselte. Jakobe vermochte ihn wohl nachts im Schlafzimmer festzuhalten, indem sie seinen Wutausbrüchen tapfer standhielt; nun aber weigerte er sich zu essen, weil die Speisen, die man ihm vorsetzte, vergiftet seien, und bezichtigte die kalvinischen Ärzte, daß sie ihm nach dem Leben stellten. Wenn der Alte, Sibylle oder Jakobe vor seinen Augen aus seiner Schüssel aßen, nahm er wohl auch ein wenig davon, aber mit Seufzen und Ekel, und wendete sich bald stillschweigend weg nach der Wand; denn er blieb meistens im Bett liegen und stand erst am späten Abend auf, um stundenlang im Gemach auf und ab zu gehen.

      Die Kunde von der seltsamen Erkrankung des Erben von Jülich-Cleve war nicht geheimzuhalten und regte viele Höfe auf, indem die Fürsten das Anrecht und die Anwartschaft überlegten, die sie etwa an der beträchtlichen Erbschaft könnten geltend machen. Die schwächliche Leibesbeschaffenheit Jan Wilhelms hatte schon in seinen Knabenjahren allerlei besondere Gedanken in der Verwandtschaft aufkommen lassen; als jedoch der junge Herzog mannbar wurde und heiratete, hatte man es dabei bewenden und auf sich beruhen lassen. Wie nun die Nachkommenschaft ausblieb und ein Gebrechen um sich griff, das aller ärztlichen Kunst spottete, setzte man sich allerorten in Bereitschaft, um bei der ersten Gelegenheit zuzugreifen, ehe ein anderer zuvorkäme. Vollends als im Jahre 1592 der alte Herzog starb, dessen erloschener Geist dem Zusammenbruch noch gewehrt hatte, wie eine von Dünsten verhüllte Mondscheibe die Bilder der Erde trübe zusammenhält, die nach ihrem Untergange in Nacht versinken, nahm die Verwirrung und Entzweiung im Schlosse auf das ärgste zu und ebenso die Begier der beteiligten Anverwandten, sich einzumischen.

      Sibylle und Jan Wilhelm hatten drei ältere Schwestern, die in der Zeit aufgewachsen waren, als der nun verstorbene Herzog, Wilhelm der Reiche, noch rüstig und seines Geistes mächtig gewesen war. Im evangelischen Glauben erzogen, waren sie froh, den Verfolgungen, die sie durch den wachsenden Einfluß der katholischen Räte erdulden mußten, zu entrinnen, indem sie sich mit protestantischen Fürsten vermählten, die älteste, Marie Eleonore, mit dem brandenburgischen Herzog von Preußen, die beiden anderen mit zwei Wittelsbacher Vettern, dem Pfalzgrafen Philipp Ludwig von Neuburg, der eine unerschütterliche Säule des lutherischen Bekenntnisses war, und dem Pfalzgrafen Johann von Zweibrücken, einem unerschrockenen Vorkämpfer des Kalvinismus. Als Marie Eleonore, von ihrem Vater selbst geleitet, in Preußen anlangte, ergab es sich, daß der Bräutigam blödsinnig und also keineswegs der stattliche Freier war, als welchen man ihn am Jülicher Hofe empfohlen hatte; allein die Braut, von deren Entscheidung abhängig gemacht wurde, was nun geschehen sollte, dachte an ihre trübselige Gefangenschaft im Schlosse zu Düsseldorf, wo ihr Vater, um sie zur Messe zu zwingen, sie an den Haaren geschleift hatte, und urteilte, daß sie es als Herzogin von Preußen eher besser als schlimmer haben und wenigstens in Sicherheit ihrem Glauben obliegen können werde. Demgemäß erklärte sie sich bereit, des Schwachsinnigen Frau zu werden und ihn treu und geduldig zu pflegen. Jetzt ließ sie es sich angelegen sein, ihr väterliches Land den Brandenburgern zuzuwenden, damit es nicht in die Gewalt der Katholiken käme.

      Der Pfalzgraf von Zweibrücken, ein biederer, ungestümer Herr, der es nicht anders wußte, als daß die Protestanten Söhne des Lichts und die Katholiken Söhne der Finsternis wären, und die letzteren bekämpfte, wie und wo er vermochte, mißtraute der Jakobe, die erst kürzlich vom Papst durch die Goldene Rose ausgezeichnet worden war; aber als er in das Treiben am Düsseldorfer Hofe mit eigenen Augen hineinsah, gewann es damit eine andere Gestalt. Es wurde deutlich, daß der erzkatholische Schenkern, der es mit Spanien hielt, und Sibylle, die täglich lange Briefe voll Heimlichkeiten an die jesuitischen Wittelsbacher in München schrieb, ihre Feinde waren und sie in allen ihren Rechten kränkten.

      Die protestantischen Stände, Graf von Falkenstein, die Herren von Bongart, Orsbeck und Palland, mit denen der Pfalzgraf sich in Verbindung setzte, erzählten, die arme Herzogin sei übel daran; obwohl sie stolz und leidenschaftlich sei, vermöge sie allein nichts wider Schenkern, der keinen Zipfel der Macht aus den Händen lassen wolle. Deshalb bediene sie sich ihrer, der Stände, um ihren Willen durchzusetzen; sowie es sich aber darum handle, ihnen den Preis zu bewilligen, um den sie arbeiteten, nämlich die Duldung ihres Bekenntnisses, so weiche sie aus und zürne wohl gar, daß man ihr, der Herzogin, eine Rechnung mache, anstatt ihr umsonst zu dienen. Schenkern würde sich dem Teufel verschreiben, um die Macht zu behalten, ja hätte es eigentlich schon getan, da er mit den Spaniern im geheimen Bunde sei. Es sei weit und breit keine Hilfe für die Herzogin als bei ihnen, möchte sie es nur einsehen! Sie ihrerseits setzten ihre Hoffnung auf die protestantischen Erbansprecher, denen sie gern den Weg ins Land bahnen wollten.

      Wie stürmisch des Pfalzgrafen Sinn auch war, wußte er doch, daß er sich einstweilen noch zurückhalten mußte, besonders weil das Erbrecht seiner Frau durch einen Verzicht, den sie bei der Heirat getan hatte, zweifelhaft und sein Land zu klein und unausgiebig war, als daß er vereinzelt etwas hätte ausrichten können. Zunächst riefen die streitenden Parteien die höchste Macht des Kaisers an, und Gesandte und Bevollmächtigte reisten zwischen Prag und Düsseldorf ergebnislos hin und wider. Die Instruktionen Kaiser Rudolfs waren nämlich darauf zugerichtet, daß der Zustand womöglich erhalten bliebe, in dem alle Parteien sich die Waage hielten, und höchstens etwa Schenkern ein wenig geschützt würde, von dem man sich am ehesten Nutzen versprach; denn so blieb der Kaiser Schiedsrichter und konnte nach dem Aussterben der regierenden Familie desto besser die Beute an sich reißen.

      Zuweilen war Jakobe niedergeschlagen und weinte verstohlen, um nachher desto fröhlicher zu sein. Es gehörte zu ihrem Hofstaat ein Narr, den sie wohl leiden mochte, weil er sie jederzeit zum Lachen brachte. Er hatte ein bartloses Gesicht, dem nicht anzusehen war, ob er jung oder alt sei, und eine jämmerliche Miene, obwohl er sich gewöhnt hatte, seinem Berufe gemäß beständig Späße zu machen, ja auch das Ernsthafte in alberner Form vorzubringen. Jakobe pflegte stundenlang tolles Zeug mit ihm zu schwatzen und lachte bis zu Tränen dabei, besonders wenn ihre Schwägerin Sibylle dazukam und scheele Blicke auf ihre Ausgelassenheit warf. Einmal beriet sie mit dem Narren, was sie anstellen könnten, um ihren schwermütigen Gemahl zu erheitern, und nach allerlei Vorschlägen, mit denen sie sich gegenseitig steigerten, kamen sie überein, der Narr solle Kleider und Kopfputz der Herzogin anlegen und so zu Jan Wilhelm gehen und ihm schöntun, wie wenn er Jakobe wäre, was sie auch ausführten. Durch eine Spalte der Tür sah Jakobe zu, wie der Narr, den sie selbst ausstaffiert hatte, seine weinerliche Stimme so süß anschlug, wie er konnte, um dem Kranken allerlei gezierte und freche Zärtlichkeiten vorzutragen, und ihn zuletzt zu einem Tänzchen bewog, wobei er sich absonderlich verdrehte und mit der schweren Schleppe ihres Gewandes scharwenzelte. »Gott steh mir bei,« sagte Jakobe, während sie den seufzenden Narren aus seiner Vermummung befreite, »was für ein Scheusal bin ich in meines Gemahls Augen! Mich nimmt wunder, wie er doch allewege so sehr in mich verliebt sein mag.«

      Indessen mußte Jakobe wahrnehmen, daß die Anhänglichkeit ihres Mannes, der sie sich nach fast zehnjähriger Ehe und nach so vielen Proben sicher wähnte, abnahm, ja zuweilen sich in das Gegenteil verkehrte. Meinte sie anfänglich, daß es sich nur um eine der sinnlosen Launen handle, wie seine Krankheit sie mit sich brachte, so überzeugte sie sich allmählich, daß etwas anderes dahintersteckte, und richtete ihren Verdacht auf Schenkern, der nebst seinen Anhängern den Herzog häufig besuchte und auf ihn einredete. Als sie nun den Dienern Befehl gab, niemanden mehr ohne ihr Wissen zu ihrem Gemahl zu lassen, kam eines Tages Herr von Ossenbruch, in allen Dingen Schenkerns Helfer und Geselle, das Kammerfräulein beiseite schiebend in ihr Gemach und beklagte sich, daß sie den Herzog absperre.

      Wie er sich erdreisten könne, so gröblich zu ihr hereinzufahren, herrschte sie ihn an. Sie solle ihn doch nicht für ihren Feind ansehen, sagte nun Ossenbruch, sie sei ein viel zu schönes Weibchen, als daß ein Mann sie hassen könne. Sie stehe ja auch so verlassen da, und wenn sie des Trostes bedürfe, möchte sie sich doch an ihn halten, er sei ein Mann für zehn Männer, er sei ein Fels, sie solle es nur mit ihm versuchen, und so weiter. Wie er ihr dabei zudringlich näher kam und sein dunstiger Atem sie streifte, rief sie, er sei betrunken und solle sie auf der Stelle verlassen, was er aber nicht für Ernst nahm; so schlug sie ihn mit der Hand in das gedunsene Gesicht und gebot den Dienern, die inzwischen herbeigeeilt

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