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an diejenigen ab, denen am meisten daran gelegen war, es zu besitzen, an die Burgmannen von Friedberg.

      Bitterkeit und Groll im Herzen, mußten nun Bürgermeister und Rat dem Burggrafen und den Burgmannen, die an die Stelle der Pfandinhaber, also gewissermaßen an die Stelle des Kaisers getreten waren, schwören, ihnen treu, hold, gehorsam und gewärtig zu sein. Trotz ihrer Verarmung und Entkräftung vergaßen sie ihren ehrenvollen Stand als Reichsstadt nicht, sondern sannen auf Wiederherstellung der ehemaligen Blüte und Würdigkeit. Wie hätten sie das aber aus eigener Kraft vollbringen können? Die Zeit der Städtebünde war vorüber; sie wendeten sich also, eingedenk des vom Grafen von Schwarzburg erlangten Rechtes, sich ungeachtet der Pfandschaft mit anderen Fürsten und Herren einlassen zu können, an den Landgrafen Heinrich III. von Hessen-Marburg, um seine Schutzherrschaft zu erwerben. Dieser Versuch zur Befreiung führte zu vollständiger Entrechtung; denn die erzürnten Burgmannen zwangen der Stadt, als sie von ihrer Eigenmächtigkeit erfuhren, einen Verherrungs-Revers ab, in dem sie versprachen, sich nie mehr zu verherren; auch mußte die Huldigung künftig auf dem Platze vor der Burg vollzogen werden. Als die letzten Anteile des Pfandbesitzes von den Herren von Eppstein und Isenburg auch noch an den Burggrafen fielen, dem die Stadt über 2208 Gulden schuldete, war ihre Unterwerfung unter die Burg vollendet. Trotz ihrer Ohnmacht empörten sich die Bürger noch einmal unter der Führung von Johann Winnecken, aber vergeblich. Zur Strafe für ihre Auflehnung mußten sie die Katharinenkapelle, welche hart an den Toren der Burg lag und die sie als Befestigung zum Angriff benutzt hatten, auf eigene Kosten abbrechen und an einer anderen Stelle, wo sie nicht gefährlich werden konnte, wieder aufbauen.

      Dies geschah in dem sturmvollen Jahre 1525, zu einer Zeit, als beide, Burg und Stadt, schon den neuen Glauben angenommen hatten; die alte Feindschaft war nicht darin untergegangen. In der breiten Straße, die Friedberg repräsentiert, wird ein Haus als dasjenige bezeichnet, das Luther auf seiner Rückreise von Worms bewohnte. Von Friedberg sind drei Briefe datiert, die der Flüchtende dort schrieb: ein lateinischer an den Kaiser, ein deutscher an die Kurfürsten und Stände und ein Billet an den Freund Spalatin. Ihn begleitete Kaspar Sturm, der, von seiner Persönlichkeit und seinem Wort ergriffen, sein treuer Anhänger wurde. Sturm blieb damals in Friedberg und ließ sich dauernd dort nieder, woraus manche schließen, daß er ein geborener Friedberger gewesen sei. Seine Nachkommen bewahrten das Geleitsschwert auf, das er in Worms als Reichsherold Luther vorantrug und das sich jetzt im Museum befindet. Daß Luthers kurze Anwesenheit in Friedberg den evangelischen Gedanken in Friedberg ausgesät oder nur befördert habe, ist nicht anzunehmen; die Bewegung war in den Gemütern so vorbereitet, daß das Auftreten des Reformators sie in ganz Deutschland wie ein erster warmer Frühlingstag aufgehen ließ. Zwar wurde in Burg und Stadt die Reformation erst im Jahre 1552 gesetzlich eingeführt, weil man den Kaiser zu erzürnen fürchtete; aber da war sie von selbst, dadurch, daß das Alte abbröckelte, die Klöster leer wurden, die Priester heirateten und selbst die neue Lehre predigten. Brendel von Homburg war der Burggraf, der die Reformation in der Burg durchführte; in späterer Zeit bekamen die Katholiken mehr Einfluß und setzten durch, daß von den Regimentsburgmannen die Hälfte katholisch sein mußten.

      Der Umstand, daß Friedberg an der Hauptstraße nach Frankfurt lag, trug ihm viel hohen Besuch ein, der in rühmlich bekannten Gasthäusern gut verpflegt wurde, war aber auch Ursache, daß der Krieg es heimsuchte. Alle Kriege seit dem dreißigjährigen brausten vernichtend, Hunger und Pest im Gefolge, durch Friedberg. Elf Jahre lang, von 1620-31, war es von den Spaniern besetzt; während dieser Zeit kam es vor, daß der Bürgermeister Volkhard, ein Metzger, aus Lebensüberdruß sich die Kehle abschnitt. Dann kamen abwechselnd Schweden und Kaiserliche; Belagerung, Erstürmung, Plünderung war an der Tagesordnung. Schrecklicher und bösartiger noch hausten die Franzosen in den Napoleonischen Kriegen. »Unsere Nachkommenschaft,« schrieb ein Zeitgenosse auf, »wird sich nicht überzeugen können, daß in Gestalt von Menschen Geschöpfe auf dem Erdboden vorhanden gewesen, die alles Menschengefühl ausgezogen und Taten verübt haben, dergleichen in den ältesten und rohesten Zeiten nicht verübt wurden und wahrscheinlich, solange die Welt steht, nicht wieder erlebt werden.«

      Als nach der Zerstörung Speiers das Reichskammergericht sich eine andere Stätte suchen mußte, kamen auch einige Abgeordnete nach Friedberg, das als Reichsstadt in bequemer Lage in Betracht kam, um die dortigen Zustände zu untersuchen. Man fand ein ländliches Städtchen, dessen Bürgerschaft nicht viel über 150 Mann stark war, wozu noch 75 Judenfamilien kamen. Zugunsten der Stadt sprach, daß die Post hindurchgehe, auch ein Arzt und ein Apotheker vorhanden sei; aber man tadelte sehr, daß in den Häusern keine Brunnen wären, daß die 12 oder 14 Ziehbrunnen, die die Stadt mit Wasser zu versorgen hätten, sehr tief wären, und daß man Strick und Eimer, um Wasser heraufzuwinden, selbst mitbringen müsse. Der Eindruck war im ganzen so kümmerlich, daß man von Friedberg absah.

      Man bewundert es, daß das herabgekommene Gemeinwesen im Anfang des 18. Jahrhunderts wieder den Versuch machte, die drückende Abhängigkeit abzuwerfen, indem es die Pfandschaft ablöste. Die Burg ging jedoch nicht darauf ein, die Huldigung mußte nach alter Weise stattfinden. Festessen und Ball, wozu die Burgmannen den Friedberger Magistrat einluden, nahmen dem Akt nichts von seiner Bitterkeit; der Rat fuhr in seinen Bestrebungen fort und hoffte, nun zum Ziel zu kommen, indem er sich, wie schon früher einmal, in den Schutz des Landgrafen von Hessen begab. Die arme Stadt hatte kein Glück: die Folge war, daß sie vom Reichshofrat zu einer Strafe von zehn Mark lötigen Goldes verurteilt wurde. Noch bitterer mögen die Empfindungen der Bauern gewesen sein, welche die Grafschaft Kaichen aus ihrer Mitte nach Wien zum Kaiser abordnete, um an ihre alte, widerrechtlich geraubte Freiheit zu erinnern; es wurde ihnen bedeutet, augenblicklich Wien zu verlassen und sich nie wieder einer solche Auflehnung zu erdreisten. Der Burggraf betrachtete den nie erlöschenden Widerwillen der Kaicher Bauern gegen seine Herrschaft nicht mit Unrecht, aber mißbilligend, als »eine von ihren Voreltern gleichsam anererbte Freiheitssucht«.

      Die doppelte Gerechtigkeit zeigte sich auch darin, daß die verschuldete Stadt, der sich niemand angenommen hatte, noch zu Reichsleistungen herangezogen wurde, die sie kaum aufbringen konnte, während die Burgmannen sich stets darauf beriefen, daß sie nur zu freiwilliger Hilfe verpflichtet wären und auch diese nur ungern leisteten. Die zunehmende Verfälschung der Ideen des alten Reichs und die Verknöcherung aller Formen war gerade an den aristokratischen Körperschaften wahrzunehmen, deren Ansprüche sich auf ihre Kaiser und Reich geleistete Schwerthilfe gründeten, die aber längst, entsprechend dem veränderten Charakter der Kriege, außer Übung gekommen war. Da die Ritter im allgemeinen zu anderen Zwecken nicht gebraucht wurden, waren sie eigentlich überflüssig geworden, genossen aber die althergebrachten Vergünstigungen weiter und trieben ihr Standesbewußtsein höher und höher. Neu aufgenommen in die Burg wurden nur Söhne oder Schwiegersöhne von Burgmannen und auch diese mußten auf einem Pergament von vorgeschriebener Größe einen Stammbaum beibringen und ihren Adel von 16 Ahnen her beweisen. Zur Zeit der Aufhebung des Instituts waren unter den 91 Burgmannen, die es damals gab, 22 Grafen. Übrigens vernimmt man nicht, daß die Burgmannen ihre Übermacht zu bösartigen Quälereien oder ehrenrührigen Zumutungen mißbraucht hätten; aber für die Friedberger Bürgerschaft waren die unvermeidlichen kleinen Übergriffe und Einmischungen und die dauernd spürbare Nähe der triumphierenden Nebenbuhler Pein genug.

      Dem vielhundertjährigen Kampfe machte der Reichsdeputationshauptschluß ein Ende, der Stadt und Burg nacheinander dem nunmehrigen Großherzogtum Hessen zusprach. Die beiden Republiken des Heiligen Römischen Reichs mußten aufgehn in dem Territorialfürstentum, das im Anschluß an Frankreich aufgekommen war, und das jetzt durch Frankreich zum vollständigen Siege über das zertrümmerte, entseelte Reich geführt worden war. Französische Offiziere und Soldaten paradierten vor der Burg, als am 12. September 1806 ihre Übergabe an die neue Herrschaft stattfand. Der letzte Burggraf, Graf Clemens August Wilhelm von Westfalen, wurde 12 Jahre später auf dem alten Peterskirchhof in Frankfurt begraben. Nach einigen Jahrzehnten wurden Stadt und Burg zu einer politischen Gemeinde und dann zu einer Pfarrgemeinde vereinigt.

      Die Anlage der Stadt Friedberg ist ungewöhnlich; denn sie gruppiert sich nicht um einen Mittelpunkt, wie Kirche oder Schloß oder Rathaus, sondern ihren Mittelpunkt bildet eine fast marktbreite Straße, die auf die Burg zuläuft und zu der von beiden Seiten her Gassen hinaufführen. Ungewöhnlich ist ferner, daß Friedberg nicht, wie die meisten anderen Städte,

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