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den Himmel tragende Nordsäule und tausend andere Wunderdinge bei den Dichtern und Ketzern. So sagen wir ja auch in wissenschaftlichen Erörterungen: „Stelle dir vor, es seien drei Welten übereinander getürmt“, während doch nur eine vorhanden ist, oder wir sagen: „Stelle dir die Erde viereckig vor“ und so weiter. Dies alles erdichten wir und nehmen es dann an, wie es der Sturm der Gedanken mit sich bringt. Was nun die dritte Gattung anlangt, so handelt es sich vorzüglich um Anzahl und Ausdehnung der Bilder. Sie finden sich bei den Naturwissenschaften, wenn man etwa die Gestalt der ganzen Welt finden will und das Ergebnis als Bild in der Seele des Forschers zurückbleibt, dann auch bei anderen Wissenschaften wie bei der Geometrie, der Musik und der Mathematik mit ihren unendlichen Zahlenreihen. Wenn nun auch diese Bilder, wie ich voraussetze, die Wahrheit darstellen, so erzeugen sie doch leicht falsche Vorstellungen, denen selbst die Vernunft kaum zu widerstehen vermag. Indessen kann selbst die Logik dieses Übel nicht leicht vermeiden, da wir bei Einteilungen und Schlußfolgerungen uns gewisse Striche vorstellen.

       5.

      Was nun diesen ganzen Wald von Vorstellungen anbetrifft, so glaube ich nicht, daß es deine Ansicht sei, daß die erste Gattung der Seele innewohne, bevor noch diese Bilder durch die Sinne aufgenommen wurden. Hierüber dürfte nicht weiter zu streiten sein. Hinsichtlich der beiden anderen könnte noch mit Recht ein Zweifel erhoben werden, wenn es nicht offenbar wäre, daß die Seele weniger dem Irrtum unterworfen ist, so lange sie von der Eitelkeit der sinnlichen Dinge und der Sinne selbst unberührt geblieben ist. Wer aber möchte zweifeln, daß jene Einbildungen noch viel unwahrhafter seien als die Vorstellungen sinnlicher Dinge? Denn was wir willkürlich annehmen oder glauben oder erdichten, ist entweder überhaupt in jeder Hinsicht falsch oder mindestens ist viel wahrer noch, was wir sehen und empfinden. Schon werde ich mir nach jener dritten Gattung einen gewissen körperlichen Raum vor die Seele gestellt haben; obwohl offenbar vollkommen sichere wissenschaftliche Gründe diese Vorstellung erzeugt haben, so überzeuge ich mich doch durch dieselben wissenschaftlichen Gründe von der Falschheit dieser Vorstellung. Auf keine Weise kann ich daher glauben, daß eine Seele, die noch nicht durch den Körper empfindet, die noch nicht durch die so große Eitelkeit der Sinne, dieser sterblichen und flüchtigen Geschöpfe, verwundet worden, schon in dieser schmählichen Täuschung versenkt gewesen sei.

       III. 6.

      Woher kommt es also, daß wir uns auch vorstellen, was wir nie gesehen haben? Meinst du nicht, es sei der Seele eine gewisse Verkleinerungs- und Vergrößerungskraft angeboren, die sie, wohin sie sich auch wendet, mit sich tragen muß? Man kann diese Kraft besonders hinsichtlich der einzelnen Teile eines Gegenstandes beobachten. So stellt man sich z.B. das Bild eines Raben, dessen Aussehen bekannt ist, vor Augen, macht aber durch Hinzufügung und Hinwegnahme einzelner Bestandteile ein bisher nie gesehenes Bild daraus. Auf diese Weise können gewohnheitsmäßig derartige Bilder gewissermaßen von selbst in unsere Gedanken kommen. Es kann also die Einbildungskraft der Seele aus dem, was ihr durch die Sinne zugeführt worden ist, wie gesagt durch Hinzufügung und Hinwegnahme einzelner Bestandteile etwas schaffen, was in seiner Gesamtheit sie durch keinen Sinn wahrgenommen hat; die einzelnen Bestandteile aber gehören zu jenen Dingen, die sie anderswo wahrgenommen hat. So konnten wir, die wir mitten auf dem Festlande geboren und erzogen sind, schon als Knaben uns das Meer vorstellen, sobald wir nur in einem kleinen Becher Wasser erblickten; dagegen konnten wir uns den Geschmack von Erdbeeren und Kornelkirschen gar nicht vorstellen, bevor wir sie in Italien verkosteten. Daher kommt es auch, daß von Kindheit an Blinde keine Antwort wissen, wenn man sie über das Licht oder über die Farben befragt. Da sie nie Farbenempfindungen gehabt haben, so haben sie auch nur farblose Vorstellungen.

       7.

      Wundere dich auch nicht darüber, wie es kommt, daß nicht schon von Anfang an in der allen gemeinsamen Seele jene Vorstellungen, die man in Wirklichkeit hat oder haben kann, niedergelegt sind und dort Unruhe stiften; denn die Seele hat diese Dinge äußerlich noch nie wahrgenommen. So stellen wir uns auch nicht zuvor in Gedanken vor, was wir tun könnten, wenn wir bei Entrüstung, Freude oder anderen ähnlichen Gemütsbewegungen unser leibliches Antlitz oder unsere Gesichtsfarbe verschiedenartig gestalten. Es geschieht das auf wunderbare, deines Nachdenkens würdige Weise, während in der Seele ohne jedes täuschende Bild von Körpern geheime Kräfte tätig sind. Da so viele Gemütsbewegungen ohne alle jene Einbildungen vor sich gehen, die du jetzt zum Gegenstande deiner Untersuchung machst, so magst du daraus ersehen, daß die Seele den Körper auf irgendeine andere Weise regiert als durch die Vorstellung sinnlicher Dinge; auch glaube ich nicht, daß die Seele irgendwie sie haben kann, ehe sie sich des Körpers und der Sinne bedient. Deshalb möchte ich dich bei unserer Freundschaft und bei der Treue gegen das göttliche Gesetz ernstlich ermahnen, mein Teuerster und Liebster: schließe keine Freundschaft mit diesen Höllenschatten und zögere nicht, die bereits geschlossene zu lösen. Denn man widersteht auf keine Weise den körperlichen Sinnen, was doch für uns die heiligste Wissenschaft ist, wenn wir den Wunden und Schlägen, die sie uns beibringen, noch schmeicheln.

      IV. (Nr. 9.) An Nebridius

      Geschrieben im Jahre 389.

       An Nebridius.

      Inhalt. Augustinus erwidert auf die Frage des Nebridius, in welcher Weise die Geisterwelt den Menschen Gedanken und Träume eingeben könne. Er will die Frage nicht lösen, sondern nur ihre Lösung vorbereiten. Vorzüglich wird auf den innigen Wechselverkehr zwischen Leib und Seele hingewiesen.

       1.

      Obwohl du sonst mein Herz durch und durch kennst, so weißt du vielleicht doch nicht, wie sehr ich wünschte, deiner Gegenwart mich erfreuen zu dürfen. Doch wird mir sicherlich Gott diese große Gunst zur rechten Zeit gewähren. Ich habe dein gefälliges Schreiben gelesen, in dem du dich beklagst, daß du einsam seiest, verlassen sogar von deinen Freunden, mit denen doch das Leben am angenehmsten ist11. Was soll ich dir hierauf antworten, als was du ohne Zweifel ohnehin tust? Ziehe dich in dein Inneres zurück und erhebe dein Herz nach Kräften zu Gott! Dort triffst du dann auch uns mit größerer Sicherheit, nicht vermöge körperlicher Vorstellungen, deren wir uns jetzt bedienen müssen, wenn wir uns erinnern wollen, sondern vermöge der Erkenntnis, daß unsere Vereinigung unabhängig von der Örtlichkeit ist.

       2.

      Da ich nun deine Briefe durchging, auf die ich ohne Zweifel schon geantwortet habe, zumal du so wichtige Fragen in ihnen angeregt hast, machte mir jener Brief nicht wenig zu schaffen, in dem du fragst, wie es denn geschehe, daß uns von höheren Mächten und bösen Geistern Träume und Gedanken eingegeben werden. Es ist dies in der Tat eine wichtige Angelegenheit, und es wird dir gemäß deiner Einsicht auch sofort klar sein, daß die Antwort hierauf nicht in einem Briefe, sondern in mündlicher Unterredung oder in einer eigenen Schrift erfolgen kann. Doch will ich versuchen, vorher einige Hauptgedanken über diesen Gegenstand deinem Scharfsinne zu unterbreiten, damit du entweder selbst die notwendigen Folgerungen ziehst oder wenigstens nicht an der Möglichkeit verzweifelst, zu einer wahrscheinlichen Lösung dieser Frage zu gelangen.

       3.

      Nach meiner Meinung nämlich hat jede Gemütsbewegung Einfluß auf den Körper. Sind die Gemütsbewegungen heftiger, so machen sie sich auch durch die Sinne, die mitunter so träge, so langsam sind, bemerkbar, z. B. wenn wir Zorn, Trauer oder Freude empfinden. Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß auch Gedanken, die sich sonst nicht im Körper bemerklich machen, dennoch durch Vermittelung der Geister in Luft und Äther Einfluß auf ihn gewinnen können, da diese sehr scharfe Sinne haben, so scharfe, daß die unserigen im Vergleiche mit den ihrigen kaum Sinne zu nennen sind. Die Spuren also, die eine Gemütsbewegung gewissermaßen im Körper zurückläßt, können auch dauernd werden und so einen gewissen Zustand begründen. Werden diese Spuren nun heimlich berührt und gereizt, so erzeugen sie in uns Gedanken und Träume, nach dem Willen dessen, der sie berührt und gereizt hat; und dies geschieht mit erstaunlicher Leichtigkeit. Zwar

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