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Perry Rhodan Neo 239: Merkosh. Rüdiger Schäfer
Читать онлайн.Название Perry Rhodan Neo 239: Merkosh
Год выпуска 0
isbn 9783845354392
Автор произведения Rüdiger Schäfer
Жанр Языкознание
Серия Perry Rhodan Neo
Издательство Bookwire
»Halt still!«, wies er sie an und löste seinen Thermostrahler aus der Magnethalterung am Gürtel. Die Waffe gehörte zur vorgeschriebenen Standardausrüstung bei Einsätzen in unbekannter Umgebung.
Während des Flugs nach Polkott hatte Merkosh mehrere Lektionen zu den Themen Waffeneinsatz, Verhalten in unerforschtem Territorium und Benutzung eines Schutzanzugs erhalten. Ein sogenanntes Überlebenstraining im Simulator, bei dem er sich nicht besonders geschickt angestellt hatte, war der Abschluss der Vorbereitungen gewesen.
Mit einer kurzen Handbewegung justierte er den Strahler auf die niedrigste Intensität. Dann legte er auf Aysiria an und schoss. Langsam ließ er den breit gefächerten Wirkungskegel der Waffe über die Opronerin wandern. Die gerichtete Infrarotstrahlung erzeugte eine Temperatur von rund zweihundert Grad Celsius. Binnen einer Minute war seine Partnerin von ihrer wimmelnden Last befreit.
Wahrscheinlich ist der Hügel eine Art Falle, überlegte Merkosh, während er die Insekten großflächig verbrannte. Die Gefahr, dass er dabei aus Versehen den Wald in Mitleidenschaft zog, bestand nicht. Dafür war das lokale Klima zu feucht.
Ein Teil der Tiere lockt Beute an, die glaubt, eine leicht zugängliche Mahlzeit entdeckt zu haben. Sobald sie sich dem Hügel widmet, stürzt sich die in luftiger Höhe wartende Mehrheit auf den unvorsichtigen Feind und bringt ihn zur Strecke.
Ungewöhnlich war lediglich, dass die Köderinsekten keinerlei Anzeichen für einen Befall mit dem Quasivirus aufwiesen. Hatte das Dunkelleben einen Teil der Kolonie bewusst verschont, um potenzielle Opfer nicht zu früh zu verschrecken? Das hätte so etwas wie zielgerichtetes Handeln vorausgesetzt, etwas, zu dem die Große Geißel definitiv nicht imstande war.
»Lass mich mal sehen«, sagte Merkosh, nachdem er die Waffe wieder weggesteckt hatte.
Aysirias Anzug war von gelben Flecken übersät, die nicht von seinem Beschuss herrührten. Das Material der Montur war nicht beschädigt, wirkte jedoch stark angegriffen. Wahrscheinlich arbeiteten die Viecher mit einer Art ätzendem Verdauungssaft.
»Hast du ein Diagnoseprogramm aktiviert?«, fragte Merkosh.
»Natürlich habe ich das«, antwortete sie ungewohnt aggressiv. »Glaubst du, ich mache das zum ersten Mal?«
»Entschuldige.« Merkosh trat einen Schritt zurück.
Aysiria zog nun ihrerseits die Waffe und zerstrahlte nicht nur den inzwischen wie ein schlaffer Sack in der Astgabel hängenden Kokon, sondern auch den Hügel. Merkosh verzichtete darauf, sie auf die Sinnlosigkeit ihrer Handlung aufmerksam zu machen. Es gefiel ihm zwar nicht, dass seine Partnerin ohne Not Leben vernichtete, auch wenn es sich nur um Insekten handelte, aber er konnte ihre Wut durchaus nachvollziehen. Aysiria wurde nicht gern überrascht. Sie war eine Frau, die in jeder Situation die Kontrolle behalten wollte, und hasste es, vor anderen hilflos dazustehen. Selbst vor ihm.
Der Rest des Nachmittags verlief weitgehend schweigend. Sie durchstreiften den Wald, sammelten Proben und führten ein paar mobile Analysen durch, um Infektionsstände zu überprüfen. Auf Polkott war das Dunkelleben noch in der sogenannten Besiedlungsphase. Es breitete sich noch aus. Wie es auf den Planeten gelangt war, würde sich wohl nicht mehr feststellen lassen. Ein unvorsichtiger Prospektor auf der Suche nach Bodenschätzen, ein Meteoritenschauer, eine unregistrierte Forschungsexpedition ... Vieles war denkbar. Das Dunkelleben war potent, widerstandsfähig, extrem mutabel und expandierte schnell. Es war gewissermaßen die Essenz dessen, was biologisches Leben in seinem Kern ausmachte – ohne die regulierende Komponente eines Bewusstseins.
In wenigen Jahren würde Polkott eine Quarantänewelt sein. Dann durfte man den Planeten auch mit Schutzanzug nicht mehr betreten. Nicht, dass das viel helfen würde. Im gesamten Compariat waren die Anordnungen der Verantwortlichen umfangreich und klar, die Strafen für Verstöße hart und unbarmherzig. Dennoch war es nicht gelungen, das Quasivirus nennenswert aufzuhalten. Der Erreger kümmerte sich nicht um Grenzen oder Verbote. Er machte keinen Unterschied zwischen Volkszugehörigkeiten oder gesellschaftlicher Position. Vor allem aber hatte er einen mächtigen Verbündeten: die Unvernunft des Einzelnen! In der Vergangenheit war es immer wieder zu Katastrophen gekommen, weil einige wenige fest davon überzeugt gewesen waren, es besser als alle anderen zu wissen.
Die Lektionen in Medizinhistorik hatten Merkosh von Beginn seiner Ausbildung an am intensivsten geprägt. Seit man die Seuche zum ersten Mal identifiziert und untersucht hatte, waren ihr unzählige Zivilisationen zum Opfer gefallen. Die Große Geißel hatte sich ihren Namen redlich verdient. Viele hatten sich ihr entgegengestellt, hatten ihr Leben dem Kampf gegen das Quasivirus gewidmet. Doch sie hatten seinen Siegeszug bestenfalls verlangsamen können; gestoppt hatte ihn niemand.
Und dennoch haben wir nicht aufgegeben, dachte Merkosh trotzig. Und wir werden es auch in Zukunft nicht tun. Denn eines Tages werden wir das Dunkelleben besiegen. Und dann waren all die Toten, all das Leid und all die erbrachten Opfer nicht umsonst.
Als die Sonne langsam unterging, kehrten sie zur EEL-AESHGUUR zurück. Ihre Tragebeutel waren prallvoll mit Probekapseln. Am nächsten Tag würde eine Menge Arbeit auf sie warten, denn natürlich mussten sie ihre Ausbeute sichten, katalogisieren und in die Menge der bereits zusammengetragenen Exponate einordnen.
Aysiria war anscheinend noch immer wütend auf sich selbst, denn kaum hatte sie ihren Schutzanzug ausgezogen, warf sie ihn auch schon in den Konverterschacht. Ohne weiter auf Merkosh zu achten, stürmte sie davon und verschwand im Innern des Schiffs. Seine Kontaktversuche per Interkom ignorierte sie. Als er später am Abend zu ihrer Kabine ging und auf den Meldesensor drückte, öffnete sie nicht. Irgendwann gab Merkosh auf und kehrte nachdenklich in sein Quartier zurück.
In dieser Nacht machte er kein Auge zu. Er dachte an Aysiria. Und je näher der Morgen rückte, desto größer wurde seine Sorge um die geliebte Partnerin. Etwas war nicht so, wie es sein sollte. Das spürte er mit jeder Faser seines Körpers.
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