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Mehrsprachigkeit und das Politische. Группа авторов
Читать онлайн.Название Mehrsprachigkeit und das Politische
Год выпуска 0
isbn 9783772001406
Автор произведения Группа авторов
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Meschonnic, Henri (1982). Critique du rythme. Anthropologie historique du langage,
Lagrasse: Verdier.
Meschonnic, Henri (1999). Poetique du traduire. Lagrasse: Verdier.
Rancière, Jacques (2007). Politique de la littérature. Paris: Galilée.
Trabant, Jürgen (2003). Mithridates im Paradies. Kleine Geschichte des Sprachdenkens, München: Beck.
Wittgenstein, Ludwig (1963) [1922]. Tractatus logico-philosophicus. Logisch-philosophische Abhandlung. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Heute sprechen. Literatur, Politik und andere Sprachen im Lied (Herder, Alunāns, Barons)
Till Dembeck
Abstract: Der Beitrag geht am Beispiel dreier Publikationsprojekte aus dem 18. und 19. Jahrhundert der Frage nach, wie sich der (kultur‑)politische GegenwartsbezugGegenwartGegenwartsbezug von Literatur über ihren Umgang mit SprachvielfaltSprachvielfalt regelt. Die VolksliedersammlungVolkVolkslied Johann Gottfried HerderHerder, Johann Gottfrieds von 1778/79 wird als Versuch eines paratextuell programmierten poetischenPoetik/poeticspoetisch Neuanfangs gelesen, der Sprachvielfalt qua ÜbersetzungÜbersetzung/translation einer muttersprachlichen OriginalitätsästhetikOriginalitätOriginalitätsästhetik zuführt. Die Form des LiedsLied dient hier der SynchronisierungSynchronieSynchronisierung und zugleich der DynamisierungDynamikDynamisierung sprachlicher Mittel im Namen einer neuen Literatur. Die Dseesmiņas (LiedchenLied), eine 1856 von Juris AlunānsAlunāns, Juris publizierte Sammlung von ÜbersetzungenÜbersetzung/translation europäischerEuropaeuropäisch Lyrik ins LettischeLettland/LatviaLettisch/Latvian, importieren diesen poetischenPoetik/poeticspoetisch Erneuerungsanspruch und verbinden ihn mit dem Versuch einer antikolonialenKolonialismusAntikolonialismus SynchronisierungSynchronieSynchronisierung und Modernisierung der lettischenLettland/Latvialettisch Sprache. Die von Krišjānis BaronsBarons, Krišjānis um 1900 in sechs Bänden herausgegebene lettischeLettland/Latvialettisch VolksliedersammlungVolkVolkslied Latwju DainasDainas wiederum greift Herders Bemühen um den Erhalt von VolksliedernVolkVolkslied auf. Barons leistet die Synchonisierung eines dialektalDialekt/Mundart, stofflich und überlieferungshistorisch so vielfältigen wie reichhaltigen Liedcorpus im Namen einer antikolonialenKolonialismusAntikolonialismus EmanzipationsbewegungEmanzipation. KulturpolitischPolitik/politicskulturpolitisch geht es hier um die Vergegenwärtigung eines vormodernen Volkslebens unter den Bedingungen der Moderne.
Keywords: Mehrsprachigkeit; Volkslied; Synchronie; Kulturpolitik; Herder, Johann Gottfried; Barons, Krišjānis
Dieser Beitrag erfüllt das Thema ‚Gegenwartsliteratur‘ eher in einem abstrakten Sinn, denn es geht nicht um die Literatur unserer GegenwartGegenwart, sondern um die Frage, wie sich Literatur allgemein zu GegenwärtigkeitGegenwartGegenwärtigkeit verhalten kann, inwiefern sie in ihrem Gegenwartsverhältnis politischPolitik/politicspolitisch/political ist und wie sich es sich mit Blick auf SprachvielfaltSprachvielfalt artikuliert.1 Konkret behandele ich drei literatur- und kulturpolitischePolitik/politicskulturpolitisch Projekte des 18. und 19. Jahrhunderts, die in einem Zusammenhang stehen, auch wenn ich zahllose Zwischenschritte der Entwicklung, die sie verbindet, auslassen muss. Im Anschluss an einleitende Überlegungen zum Problem zeitgemäßenZeitgemäßheitzeitgemäß Sprechens (1) und zum Spannungsfeld von SynchronieSynchronie und Sprachvielfalt (2) wende ich mich zunächst der VolksliedersammlungVolkVolkslied von Johann Gottfried HerderHerder, Johann Gottfried zu, die bekanntlich im heutigen LettlandLettland/Latvia ihren Ausgang nahm (3), und sodann zwei Publikationen, die dieses Projekt in einem je spezifischen Sinne fortsetzen, die lettischenLettland/Latvialettisch Dseesmiņas (‚LiedchenLied‘) von Juris AlunānsAlunāns, Juris und Latwju DainasDainas (lettischeLettland/Latvialettisch VolksliederVolkVolkslied) von Krišjānis BaronsBarons, Krišjānis (4). Abschließend versuche ich aus dem Erarbeiteten allgemeinere Schlussfolgerungen zu ziehen (5).
Für HerdersHerder, Johann Gottfried Volksliedprojekt wird aufgezeigt, dass es einer zeitgemäßenZeitgemäßheitzeitgemäß Erneuerung oder sogar Neubegründung der deutschsprachig-muttersprachlichen Lyrik durch SynchronisierungSynchronieSynchronisierung mit anderssprachigenanderssprachig Traditionen und Ausdruckspotentialen zuarbeitet. Die Publikation von ins LettischeLettland/LatviaLettisch/Latvian übersetzten ‚LiedchenLied‘ durch AlunānsAlunāns, Juris hat ein vergleichbares Ziel, während BaronsBarons, Krišjānis die in den lettischsprachigen Gebieten nicht zuletzt dank Herder in Gang gekommene Volksliedersammeltätigkeit mit einem emanzipatorischen Impuls aufnimmt. Auch in diesen beiden Fällen geht es um die Synchonisierung von SprachvielfaltSprachvielfalt, allerdings expliziter im Namen einer neu zu begründenden Nationalität. Was die Theorie der Sprachvielfalt angeht, so beziehe ich mich auf einschlägige Arbeiten aus der jüngeren Zeit, ziehe aber auch Ferdinand de SaussureSaussure, Ferdinand de hinzu, und zwar deshalb, weil er zum Zusammenhang von Sprachvielfalt und SynchronieSynchronie Argumente beigetragen hat, die heute leider zu wenig bekannt sind.
1 Sprechen und GegenwartGegenwart
Dass SprachvielfaltSprachvielfalt immer Gegenstand politischerPolitik/politicspolitisch/political Auseinandersetzung gewesen ist, wundert nicht, erzeugt sie doch Grenzen des Verstehens und damit vielfältige In- und Exklusionseffekte. Eben diese Effekte sind gerne Gegenstand von Geschichten und diese Geschichten wiederum machen gerne PolitikPolitik/politics. Gerade Geschichten von sprachlicher Inklusion – beispielsweise die Geschichte des PfingstwundersPfingstwunder – können weitreichende Folgen zeitigen, ausgesprochen exklusiv wirken und viel Gewalt nach sich ziehen. Immerhin resultierte die Verheißung einer menschheitlichen Verständigung im rechten Glauben, als die Petrus das Wunder der ApostelgeschichteApostelgeschichte zufolge deutete (Apg. 2), in einer zwei Jahrtausende währenden Bewegung der Mission, an die das Sendungsbewusstsein der westlichen Gesellschaften noch heute anschließt.
Mir geht es im Folgenden indes nicht – oder doch nicht in erster Linie – um Fragen der In- und Exklusion, der literarischen Repräsentation oder der SprachpolitikSprachpolitik im engeren Sinne des Wortes. Ich schlage vielmehr einen Ebenenwechsel vor und möchte fragen, wie der literarische Umgang mit SprachvielfaltSprachvielfalt mit einem Grundproblem jeden politischenPolitik/politicspolitisch/political Engagements verbunden ist, nämlich mit der Frage der ZeitgemäßheitZeitgemäßheit, genauer: des GegenwartsbezugsGegenwartGegenwartsbezug.
Dieses Grundproblem lässt sich recht einfach erläutern: Wir alle wissen, dass jedwede Intervention in die komplexen Zusammenhänge und Prozesse insbesondere (aber nicht nur) moderner Gesellschaften unter anderem deswegen so schwierig ist, weil man immer erst im Nachhinein weiß, ob man den rechten Augenblick für die Intervention gefunden haben wird. Diesen rechten Augenblick kennzeichnet, dass sich eine Art Lücke auftut, in die herein man wirken und Strukturen verändern kann; die MetapherMetapher/metaphor des Zeitfensters oder die Allegorie der occasio, der Gelegenheit, die man beim Schopfe ergreifen muss, machen dies deutlich. Dieser heikle GegenwartsbezugGegenwartGegenwartsbezug des politischenPolitik/politicspolitisch/political Handelns hat heute oft langwierige Streitigkeiten um Tagesordnungen, Wahltermine etc. zur Folge, aber er bedingt auch, dass beispielsweise das Dasein eines Revolutionärs oft aus nichts als langem Warten besteht. Kurzum: das Problem, das eigene Handeln mit prinzipiell unvorhersehbaren Umweltprozessen so synchronisieren zu müssen, dass man seine Ziele erreichen kann, stellt sich für politischePolitik/politicspolitisch/political Bewegungen jeglicher Couleur.1
Ich kann an dieser Stelle keine ausgearbeitete Theorie des politischenPolitik/politicspolitisch/political Umgangs mit Zeit entfalten, noch kann ich erschöpfend behandeln, welche Folgen das Problem der ZeitgemäßheitZeitgemäßheit und des GegenwartsbezugsGegenwartGegenwartsbezug für das politischePolitik/politicspolitisch/political Engagement von Literatur im allgemeinen hat. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass im Falle der Literatur die medialen Rahmenbedingungen zusätzliche Komplikationen mit sich bringen. Das hängt zum einen mit den Bedingungen von SchriftlichkeitSchriftSchriftlichkeit zusammen. Eine Intervention qua SchriftSchrift kann den Zeitpunkt, zu dem sie stattfindet, nur bedingt selbst bestimmen. Papier ist geduldig, und wann