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Recht, das Arbeitszimmer des Hausherrn zu durchsuchen. Aber was sollte er schon anderes tun? Er hatte es sich nun einmal in den Kopf gesetzt, diese Sache aufzuklären, und da durfte er nicht zu zimperlich sein.

      Außerdem war er ganz sicher, daß er nicht vom König überrascht werden konnte, denn die königliche Familie befand sich auf Schloß Lukorin. Und vom Personal würde ihm ganz sicher niemand Fragen zu stellen wagen, falls er wirklich gesehen werden sollte.

      Aber er hatte nicht mit der Hartnäckigkeit und dem eifersüchtigen Haß des Kammerdieners Jean gerechnet.

      Jean nämlich war es gewesen, der ihm rasch ausgewichen war, als er die Turmbibliothek verließ. Und Jean beobachtete ihn auch aus angemessener Entfernung, als er das Arbeitszimmer des Königs betrat.

      Jean war von Natur aus mißtrauisch, und dieses Mißtrauen wurde noch genährt von der Hoffnung, dem verhaßten Nebenbuhler endlich eines auszuwischen.

      Wenn er ihn hier bei einer Unkorrektheit, vielleicht sogar bei einem größeren Diebstahl überraschte… Jean sonnte sich schon in der Vorstellung, wie ihm der König zu Dank verpflichtet sein würde und wie leid es diesem dann sicherlich tun würde, daß er ihn, seinen treuen Diener, so verkannt hatte.

      Jean folgte dem Butler nicht sofort in das Arbeitszimmer, das am Ende eines langen Ganges im Südflügel des Schlosses lag, sondern er ließ erst eine Weile verstreichen. Schlau überlegte der Diener nämlich, daß die Chance, den anderen auf frischer Tat zu ertappen, um so größer sein müsse, wenn dieser erst Zeit für die Vorbereitungen hätte. Zeit nämlich, um zum Beispiel den Schreibtisch aufzubrechen.

      Dem Diener klopfte das Herz. Ob es nicht vielleicht sogar gefährlich war, wenn er so einfach, und dazu auch noch unbewaffnet, den anderen überrumpelte? Es konnte immerhin sein, daß man es mit einem wirklichen Verbrecher zu tun hatte.

      Aber Jean verdrängte diese Furcht. Sein Jagdeifer war stärker. Und auch sein Ehrgeiz, den Butler zu überführen.

      Jetzt wäre wohl der richtige Augenblick.

      Forsch drückte er die Türklinke herunter, nachdem er vorher noch ein großes Staubtuch aus der Tasche seiner Dienerjacke hervorgezogen hatte.

      Archie stand am Schreibtisch. Er hatte gerade die schwere Ledermappe zugeklappt, in der der König seine Korrespondenz aufzubewahren pflegte. Nur für einen Moment war er erschrocken, und dann auch nur ganz unmerklich.

      Langsam wandte er den Kopf, sah das lauernde Gesicht des Dieners und ahnte sofort die Zusammenhänge.

      So war das also. Und jetzt war ihm auch so, als wäre im Turm jemand gewesen, den er nur nicht beachtet hatte. Der Diener spionierte ihm also nach.

      »Was gibt es?« fragte Butler Archibald, und seine Stimme klang noch hoheitsvoller, noch näselnder als sonst.

      »Ich wollte – ich dachte…«

      Der Diener Jean war ganz aus dem Konzept gebracht. Er hatte erwartet, einen überraschten, schuldbewußten Mann anzutreffen, über den er triumphieren wollte. Aber daß nun sofort die Angelegenheit umgedreht wurde, daß er selbst sich rechtfertigen sollte, das verwirrte ihn.

      Da fiel ihm das Staubtuch ein, und fast erleichtert sagte er: »Ich wollte Staub wischen.«

      »Jetzt?« fragte Archibald und zog eine Augenbraue hoch.

      »Ja, natürlich«, erwiderte Jean trotzig. »Wenn Seine Majestät zurückkommt, muß alles in Ordnung sein, nicht wahr?«

      »Gut, dann kommen Sie in einer halben Stunde wieder«, erklärte Archie. »Sie sehen, daß ich hier zu tun habe.«

      Dann wandte er sich wieder der großen Mappe zu und kümmerte sich nicht mehr um den Diener.

      Diesem blieb nichts anderes übrig, als den Raum zu verlassen. Er tat es in großer Verwirrung, denn er wußte nicht, was er von der Angelegenheit halten sollte.

      Einen schuldbewußten Eindruck hatte der Butler ganz gewiß nicht gemacht. Bewegte er sich also gar nicht auf unrechten Wegen? War es nichts Unerlaubtes, was er da tat, handelte er womöglich auf Befehl des Königs?

      Fast neigte Jean schon dazu, es anzunehmen. Und wenn er nun käme und den Butler anzuschwärzen versuchte, dann würde er sich wahrscheinlich nur ins eigene Fleisch schneiden, würde sich beim König eine böse Abfuhr und vielleicht sogar noch mehr holen.

      Nein, ihm war der Wind aus den Segeln genommen, er konnte nichts tun, denn er wußte nichts.

      Jean stopfte das Staubtuch wieder in die Tasche und ballte die Hand zur Faust.

      Ich werde aufpassen, schwor er sich. So ganz war er nämlich noch nicht von der Harmlosigkeit des Butlers überzeugt, und nun wollte er erst achtgeben. Sollte der Butler etwas im Schilde führen, dann würde er, der Diener Jean, ihn entlarven.

      Im Arbeitszimmer atmete Archie auf. Er mußte künftig vorsichtiger sein. Wenn er auch kein schlechtes Gewissen hatte, so wäre es doch unangenehm, wenn man ihn in die Enge trieb. Er konnte dann nicht länger auf Schloß Norawa bleiben. Und das bedeutete, daß der Freund die Gewißheit nicht erhielte, die ihn doch so sehr interessieren mußte. Und außerdem…

      Ja, außerdem bedeutete das für Archie auch eine Trennung von der kleinen Prinzessin, in deren Nähe er sich so wohl fühlte.

      Nein, nein, darauf wollte er es nicht ankommen lassen.

      Er wollte seinen Aufenthalt auf Norawa so lange wie möglich ausdehnen. Und es würde ihm nicht schwerfallen.

      Ein wenig klüger als der Diener Jean war er ja schließlich allemal.

      *

      Am nächsten Morgen frühstückte die kleine Prinzessin Edina allein.

      Sie hatte nach dieser langen Ballnacht richtig ausschlafen dürfen, während das Königspaar bereits seinen täglichen Pflichten nachging.

      Archie richtete es so ein, daß er die Prinzessin im Frühstückszimmer bediente. Das war an sich nicht ungewöhnlich, denn auf einer Kredenz war bereits alles angerichtet, und oft bedienten sich die Mitglieder der Königsfamilie von dort aus sogar selbst.

      Damit hatte wohl auch Edina gerechnet, denn als sie den Butler sah, leuchtete es in ihrem Gesicht auf.

      »Fein, daß Sie hier sind, Archibald«, sagte sie herzlich. »Ich dachte schon, weil ich doch so spät bin, müßte ich ganz allein hier sitzen.«

      »Sehen Sie, und weil ich genau das gleiche dachte, Hoheit, habe ich es so gerichtet, daß ich jetzt hiersein kann.«

      Fast ein wenig zu schwungvoll goß Archie der Prinzessin aus der silbernen Kanne Kakao ein, um ein Haar hätte er gespritzt, und dann wäre das reizende Kleid aus mohnrotem Leinen verdorben gewesen.

      Aufpassen, Archie, mahnte er sich selbst. Nicht zu übermütig werden, alter Junge! Ein Butler ist immer perfekt, auch wenn er am liebsten etwas ganz anderes machte.

      Edina nahm bereits einen großen Schluck.

      »Hm, herrlich!« meinte sie seufzend. »Ich habe Hunger wie ein Wolf. Ich glaube, ich werde heute furchtbar viel essen.«

      »Dann wünsche ich Ihnen, daß es Ihnen schmeckt, Hoheit.« Archie lächelte. »Haben Sie sich gestern gut amüsiert?«

      »Sie meinen auf dem Ball, Archibald? Ach ja, es war ganz toll. Ich habe getanzt und getanzt, fast ohne Pause die ganze Nacht, ich wurde überhaupt nicht müde. Aber das kam sicher, weil meine Tänzer alle so besonders nett zu mir waren.«

      »Sicher, Hoheit. Wenn man vergnügt und glücklich ist, spürt man keine Müdigkeit.«

      »Glücklich? War ich denn glücklich? Eigentlich hatte ich ja gedacht…«

      »Wie bitte, Hoheit?«

      »Ach, es ist vielleicht dumm, darüber zu reden, und Mutti würde möglicherweise auch schimpfen. Aber bei Ihnen macht es doch nichts, Archibald, nicht wahr? Sie sind doch so etwas wie mein Vertrauter.«

      »Ich

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