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      Wie ein Automat sagte Edina es sich immer wieder vor – und bedachte gar nicht, daß sie dabei ihr Leben aufs Spiel setzte.

      Doch zunächst ging noch alles gut. Edina erreichte das andere Ufer. Geschickt steuerte sie die Kaimauer an, die eigens für die Boote vom Schloß auch hier auf dem Festland gebaut worden war.

      Ein wenig ungeduldig blickte die junge Prinzessin sich um. Sie wartete auf einen Helfer, der sonst selbstverständlich immer dort war wenn vorher Besuch vom Schloß angekündigt wurde.

      Von Prinzessin Edinas Kommen ahnte niemand etwas, also mußte sie sich allein helfen und das Boot auch allein festmachen.

      Nicht die ungewohnte und darum so schwierige Arbeit, sondern vielmehr der Zeitverlust ärgerte Edina.

      Aber da sie das Boot nicht abtreiben lassen konnte, machte sie sich ans Werk und schaffte es schließlich auch mit einigem Ächzen und Stöhnen.

      Wie aber nun nach Schloß Lukorin kommen?

      Edina merkte, daß sie überhaupt an nichts gedacht hatte, als sie sich so impulsiv auf den Weg machte. Sie war es gewohnt, daß ihr alle Steine aus dem Weg geräumt wurden, und nun war niemand da.

      Aber was machte das schon. War sie nicht die Prinzessin von Norawa? Kannte sie hier in der Gegend nicht jeder? Würde man es sich nicht als Ehre anrechnen, ihr behilflich zu sein?

      Ganz in der Nähe der Anlegestelle war eine kleine Gastwirtschaft. Guter Wein wurde dort ausgeschenkt, und Spezialitäten waren Käse und Schinken.

      Die Wirtsleute besaßen einen kleinen Wagen. Edina wußte es, und ohne zu zögern machte sie sich auf den Weg.

      Die junge Frau, die gerade hinter der Theke stand und Gläser spülte, glaubte zu träumen, als die Prinzessin ihr bescheidenes Lokal betrat. Doch Edina ließ ihr keine Zeit zu langen Überlegungen und weitschweifigen Begrüßungen.

      »Ich muß sofort nach Schloß Lukorin«, sagte sie. »Kann Ihr Mann mich hinbringen?«

      »Aber selbstverständlich, nur unser Wagen, wissen Sie, Hoheit… Und mein Mann hat gerade in der Küche gearbeitet.«

      »Es macht mir nichts aus, wenn der Wagen nicht gewaschen ist, und die Kleidung Ihres Mannes interessiert mich nicht. Es muß nur rasch gehen.«

      Tatsächlich saß Edina schon wenige Minuten später neben dem Wort in einem alten, recht klapprigen Wagen.

      Sie bemerkte kaum, daß der Mann sie immer wieder scheu von der Seite ansah, daß er wohl hoffte, von ihr angesprochen und mit einer Erklärung bedacht zu werden.

      Doch sie war nicht gesonnen, irgend etwas zu erklären. Ihr Blick war nur nach vorn gerichtet.

      »Danke«, sagte Prinzessin Edina und sprang aus dem Wagen, kaum daß dieser vor dem hohen schmiedeeisernen Tor zu Stehen gekommen war.

      »Ich darf nicht hineinfahren bis direkt vors Schloß, Hoheit«, bemerkte der Wirt bedauernd, »soll ich…«

      »Nein, nein, lassen Sie nur, das kleine Stück durch den Park laufe ich zu Fuß.«

      »Wünschen Sie, daß ich auf Sie warte, Hoheit?«

      »Sie meinen, wegen des Rückweges? Nein, da machen Sie sich keine Gedanken. Der Fürst wird für meine Rückkehr sorgen.«

      »Selbstverständlich, Hoheit, das war auch eine dumme Frage von mir. Es war mir eine hohe Ehre.«

      »Und ich bedanke mich und werde mich demnächst erkenntlich zeigen.«

      Edina hatte sich schon abgewandt. Neben dem großen schmiedeeisernen Tor gab es eine kleine Tür in der Mauer, und die war zum Glück unverschlossen.

      Edina öffnete sie ohne zu zögern und schlüpfte hindurch.

      Es war ein herrlicher, wunderbar gepflegter Park mit uralten Bäumen, der Schloß Lukorin umgab wie ein grüner Rahmen.

      Die Platanen, die vom Tor her bis zum etwa fünfhundert Meter entfernten Schloßportal eine mächtige Allee bildeten, waren sicher einige hundert Jahre alt.

      Scheu und ein wenig ehrfürchtig sah Edina nach oben. Das war wie ein gewaltiger grüner Dom, und der Wind spielte mit den Blättern und Zweigen und ließ sie rauschen.

      Ungeduldig lief Edina weiter. Sie hätte den Wirt doch auffordern sollen, ruhig durch das Tor zu fahren. Sie, Prinzessin von Norawa, wäre bei ihm gewesen, und ihr hätte ganz gewiß niemand die Einfahrt verwehrt. Nun mußte sie das ganze Stück laufen.

      Die Prinzessin hatte etwa Dreiviertel des Weges zurückgelegt, als ihr aus einem Seitenpfad ein junger Mann entgegentrat. Er trug die Uniform eines Aufsehers.

      »He, Kleine«, sagte er, »weißt du nicht, daß es verboten ist, im Park des Fürsten herumzuspazieren?«

      Edina war so verblüfft über die Anrede, daß es ihr für einen Augenblick die Sprache verschlug. Was erlaubte dieser Mann sich? Wußte er denn nicht, daß…

      Nein, er schien sie nicht erkannt zu haben, und voller Schrecken entsann sich Edina erst jetzt ihres Aufzuges.

      Sie war so fortgelaufen, wie sie gewesen war. Rasch versuchte sie mit der Hand den klaffenden Riß in ihrem Kleid zu verdecken, der noch von ihrem Sprung über das Rosenbeet herrührte. Und mit der anderen Hand strich sie über das zerzauste schwarze Haar.

      Herrje, sie mußte wirklich aussehen wie eine Zigeunerin. Und so wollte sie zum Fürsten gehen? Was sollte er nur von ihr denken?

      Ach was, im Grunde genommen waren das doch nur Bagatellen.

      Der Fürst wußte schließlich, wie sie sonst aussah, er hatte ihr mehrmals gesagt, wie hübsch und bezaubernd er sie fände. Und im übrigen – es ging ja um Lebensfragen. Wer kümmerte sich da schon um solche Kleinigkeiten wie ein zerrissenes Kleid?

      Der Wächter hatte das Erschrecken des jungen Mädchens wohl bemerkt, aber er deutete es falsch.

      »Nun, keine Bange, mein Kind!« sagte er gutmütig. »Ich habe dich zwar hier im Park erwischt, aber den Kopf reiße ich dir deshalb nicht ab. Seine Durchlaucht ist ohnehin nicht da, da ist es nicht gar so schlimm, wenn sich mal ein Unbefugter hierher verirrt. Aber weiter bis zum Schloß darfst du nicht, Kleine. Du mußt brav wieder umkehren.«

      Edina hatte nur eins verstanden.

      »Der Fürst ist nicht da?« fragte sie bestürzt.

      »Nein, ist er nicht. Zusammen mit seiner Braut ist er nach Paris gereist, ich glaube, das Hochzeitskleid soll gekauft werden und auch sonst alles, was eine so schöne Dame für die beginnenden Festlichkeiten anläßlich der bevorstehenden Hochzeit so braucht.«

      »Der Fürst ist mit seiner Braut verreist?«

      »Freilich! Die beiden sind schon lange unzertrennlich. Ganz große Liebe auf beiden Seiten, das weiß jeder hier im Schloß, und die beiden machen auch gar keinen Hehl daraus, wie glücklich sie sind. Man könnte richtig neidisch werden. Aber sie haben es ja auch verdient und passen großartig zueinander. Jedenfalls hätte Drago von Lukorin uns keine bessere Fürstin bringen können. Gräfin Valeska hat uns alle im Sturm erobert, und dem Fürsten sieht man es an, wie stolz er auf seine schöne und kluge Braut ist. Übrigens sind die Hochzeitsvorbereitungen auch schon im Gange. Es soll ein sehr prachtvolles Fest werden, an das man sich noch lange erinnern soll. Ich selbst werde bei den uniformierten Jägern sein, die der Brautkutsche vorausreiten.«

      Der junge Mann warf sich stolz in die Brust, als wäre der Hochzeitstag eines Fürsten auch sein persönlicher Ehrentag.

      Doch Edina bemerkte es nicht. Sie hatte nur eins begriffen: Fürst Drago war mit seiner Braut verreist, er liebte sie, er war glücklich mit ihr, und alle freuten sich auf die Hochzeit.

      Und keiner dachte an sie, an die Prinzessin von Norawa, die so sicher gewesen war, die künftige Fürstin von Lukorin zu werden.

      Edina senkte den Kopf und wandte sich um.

      »Dann werde ich

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