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voraufzulaufen als ein Hauptmann. Enrico Capobianco, der Himmelspförtner mit dem Wollgrasschopf, den Stielaugen und dem Gesicht, in dessen Mitte der Mund hing wie die Kreuzspinne im Netze! Capobianco, der hernach die sternschöne Liebe in seinem Herzen trug ... das einzige, das an dem Männlein nicht vermodert war. Und dies selbige Herz zerbiß ihm die bleierne Schlange.

      Und in derselbigen Mitternacht, in der die Ewigkeit in den Augen der Wahrsagerin vom Tore des Himmels stand, fingen die Zöllner den Schmuggler und Weinwirt Alberto Finotti vom hohen Lichte zwischen den Felsen.

      Die Mädchen, die zu der Sibylle gekommen waren, hörten die Gewehre brüllen durch die Bergspalten – es war, als lösten sich die Steinblöcke, knatterten die Wände hinab und stürzten unten aufjauchzend durcheinander .. Schmuggler und Zöllner ließen ihren Haß durch die Mondnacht fahren aus den feurigen Mündern ihrer Flinten. In tausend Runsen gefaltet lag die Nacht. Und die tausendfältige Nacht schuf aus jedem Knall eine Salve, aus jedem Gewehr ein Heer.

      Auch Alberto Finotti haben sie von der Kapanne aus im Vollmondlichte gesehen: wie er emporgeprallt ist mit dem Stahlstück im Herzen, wie er droben auf den Steinschroffen gestanden ist und den Stutzen geschwungen hat ...

      Aber nur einen Augenblick blieb dieses Bild stehen im Silber der Nacht. Dann stürzte der Leib des verwegensten aller Schmuggler mit gallebitterem Fluch in die Kluft.

      Und die Kugeln der Zöllner sangen ihm das Sterbelied.

      Die Bergfalken kreisten danach tagelang über jener Stelle, an der ein Wald von zackigen Steinschroffen ragte.

      Vielleicht haben sie dem Toten das Fleisch von den Knochen genagt.

      Seine Leiche hat niemals geborgen werden können.

      So sind sie in einer Nacht gestorben: droben vor den Toren des Himmels die Nonna, die dem lieben Gott ins Handwerk pfuschte; und ihr Sohn, der Wirt vom hohen Licht in Santa Ferrara. Der war auch schon grauhaarig gewesen; aber das Alter hing nur so außen um ihn herum: er hatte Sehnen wie ein Luchs und ein Herz von Wildfeuer.

      In diesen Tagen kam ein Zara vom Berg – es war der Großvater jener Beatrice Zara, der Eifersucht und Liebe das Herz fraßen. Der war auf der Fährte Finottis gestrichen; denn er meinte: Alberto Finotti habe Winkel zwischen Himmel und Erde gewußt, in denen er geschmuggelte Waren verbarg. Nun hatte der Tod vor die Schlupflöcher sich gestellt.

      Aber entweder hatte Zara keinen guten Wind gehabt, oder Finottis Vorratskammern im Reiche, da die weißen Sommerwölklein als einzige Blumen blühten, gehörten ins Märchen.

      Dieser letzteren Ansicht konnte der alte Zara nicht sein. Ja, so sicher war er seiner Sache, daß er in der Hoffnung auf zukünftige Schätze den Blick bei Tag und Traum zum Gipfel des Berges richtete. Und ein Auge, das ihm ein wenig scheel im Kopfe stand, hätte sich verschoben vom Schielen nach den ungehobenen Schätzen, sagten die Leute um diese Zeit, die des scheelen Zara Unrast erkannten.

      An einem jener Tage kam er vom Berg und trug die braune Büßerkutte des verlorengegangenen Fra Girolamo hernieder. Bei der Pforte der Höhle hatte sie gehängt, am Stein – weiß Gott, wo der Bruder hingekommen war, der einst in der braunen Hülle gehaust hatte.

      Die Witwe Albina Finotti aber schleppte seit jenen Tagen ein Fieber durch ihr Leben; das glühte ihr das Mark aus den Knochen, das brannte ihr das Herz zur Schlacke; davon wurden ihr die Augen heiß und trocken und sahen aus, als wüßten sie nicht mehr, wozu sie da wären.

      Mit ihrer Tochter Merceda, einer wilden, schwarzen Bergkatze von sechzehn Jahren, hielt Albina Finotti das Haus instand.

      Es war, als wäre durch den Tod Finottis dort gar keine Lücke gerissen ... Merceda schaltete und waltete für Vater und Mutter zugleich. Alles im Hause hielt sie blank: die Kupferpfannen, die Tische, die Fenster, ihr Herz und ihre Augen. Und der Wein war besser denn je. –

      Innerhalb der kleinen Häusergruppe, zu der die Weinschenke gehörte, ward in den Sommernächten nicht selten so lange geplaudert, bis die Sterne zu höchst auf ihrer Bahn standen. Etliche Frauen fanden um diese Zeit vor dem Anwesen der dicken Lora Zara sich ein, setzten sich auf die Steinstufen vor der Haustür und schwätzten halblaut und wichtig, bis Frau Lora zu ihnen heraustrat. Dies Haus stand der Rückwand der Schenke gegenüber; die Häuser der ganzen Gruppe aber bildeten beinahe ein geschlossenes Viereck: sie lagen etwa wie die Gebäude eines Bauerngutes im Flachland, und der Platz, zu dem die Türstiegen Lora Zaras herabführten, war der gemeinsame Hof für alle Bewohner.

      In einer Juninacht erwachte Lora Zara an ihrem Herde, wo sie eingeschlafen war – die dicke Lora konnte sogar im Stehen schlafen – und trat heraus in den Mondschein.

      Da hockten wahrhaftig noch zwei der Nachbarinnen auf der Stiege und ließen die Fäden durch ihre harten Finger laufen. Die Spindeln klapperten von Zeit zu Zeit einmal auf den Steinen; und ein paar Worte fielen durch ihre Zähne.

      Wenn Lora Zara da war, konnten die andern das Reden sich sparen.

      »Mercedaaa!« rief sie nach der Schenke hinüber. Der Name flog an die Hauswand wie ein Stück Glas. Aber die Türe blieb verschlossen.

      »Eh,« sagte Lora Zara zu den beiden Frauen, »es steht schlecht um Albina Finotti.«

      »Sie wird sterben!« sagte die eine gleichgültig.

      »Gott sei ihr gnädig!« sagte die andere und legte die Hände ineinander.

      Lora Zara aber setzte sich auf die Schwelle und lehnte sich seitlich gegen den Türstein. Sie hockten dort wie die Nachteulen. Der halbe Mond schien ihnen in die Gesichter, und von rückwärts umflatterte sie zeitweilig ein goldener Vogel: der Schein, den das niedergehende Herdfeuer verloren hatte. Manchmal warfen sie einen Blick hinüber zur Osteria – ob Merceda Finotti denn nicht kommen wollte, ihnen zu berichten, wie’s um die Kranke stand.

      Man wußte: in den Fieberanfällen dieser Tage erzählte Albina Finotti von dem Grab in den Schroffen und starrte mit heißen Augen empor zum Gebirge.

      Merceda hatte in Haus und Schenke schon alle Pflichten der Mutter übernommen: sie arbeitete am Tage und wachte in der Nacht und ruhte auf ihrem Lager mit halbwachen Sinnen, zu jeder Frist bereit, die Wünsche der Kranken zu erfüllen oder den eiligen Schritt des Paschers zu vernehmen, der im nächsten Augenblicke durch das verabredete Zeichen an der Tür Einlaß forderte.

      Seit das Leben Albina Finottis nach der Meinung der Leute von Santa Ferrara nur noch nach Tagen zu zählen war, sprach man am Berge von nichts anderem als von dem Schicksale der Schenke; denn diese Schenke war ein Teil des Schicksals der Schmuggler. Unter dem Keller oder im Gemäuer des Grundes befanden sich Höhlen mit Zugängen, die nur den Wissenden sichtbar waren. In dieser Schenke waren im Laufe der Jahre Lasten geschmuggelter Waren verborgen worden. Und wer auf seinem Paschgang erst einmal unter dies Dach gelangt war, der hatte nicht mehr zu fürchten, daß ihm die Häscher etwas anhaben konnten. –

      Weil Merceda auf den Ruf der dicken Lora nicht erschien, ward die Rede der Frauen auf der Stiege zum Flüstern.

      »Schläft Merceda Finotti?« fragte Lora Zara.

      »Sie arbeitet. Siehst du nicht das Licht durch den Türspalt rinnen?«

      »Sie arbeitet!« lachte Lora und schüttete den ganzen Hohn ihres Herzens in dies Lachen – »sie arbeitet! Warum ist sie dann schön? ... Nun ja, sie wird eine wie ihr alle! Und wenn sie heiratet, läßt sie sich von ihrem Manne für ihre Arbeit schlagen. Warum laßt ihr euch von euern Männern schlagen? He? Warum seid ihr dürr und seid alt vor der Zeit? Ihr lauft im Joche wie die Zugkühe und plagt euch wie die Muli! Das ist es!«

      »Oh, oh,« seufzte die lange Nachbarin – um ihre Augen und ihren Mund hatten die Falten sich verfitzt wie graue Haare – »was sollen wir denn tun?«

      Und Lora schlug die flache Hand auf ihren fetten Schenkel –

      »Santa Madonna, seht ihr nicht meine Schönheit? Seht ihr nicht mein Fleisch?«

      »Oh, welch’ schönes Fleisch,« bekannten die beiden andern voll Neid.

      »Schöner denn Butter!« schätzte

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