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Columbans Revolution. Peter R. Müller
Читать онлайн.Название Columbans Revolution
Год выпуска 0
isbn 9783862567294
Автор произведения Peter R. Müller
Жанр Документальная литература
Серия Edition IGW
Издательство Bookwire
Etwa zur gleichen Zeit dürften auch Gelehrte vom europäischen Festland nach Irland gekommen sein, die vor den im Zuge der Völkerwanderung einbrechenden Hunnen, Goten und Vandalen flohen; im Gepäck hatten sie antike Bücher in Griechisch und Latein (Löwe 1982:1015). So entwickelte sich in der bis dahin schriftlosen Kultur4 ein blühendes Bildungswesen. Während im Alten Europa die Bibliotheken von den Barbaren niedergebrannt wurden, kopierten die Iren die antike Literatur, einschließlich der Bibel.
563 verließ der Abt Columcille (Columba oder auch Columban der Ältere) Irland und gründete vor der schottischen Küste auf der Insel Iona ein Kloster. Innerhalb weniger Jahre gewann er mit seinen Mönchen die keltischen Stämme der Pikten zum Glauben. Von Iona wird 635 Aidan ausgesandt, um dem Wunsch des Königs Oswald nach einem Prediger zu entsprechen. Er gründete auf der Insel Lindisfarne ein Kloster, von dem aus Nordengland missioniert wurde (Olsen 2003:117).
Das antike Europa versank im Chaos der Völkerwanderung, während sich unbehelligt von Rom in Irland und später auf der britischen Insel ein ganz eigenes, keltisches Christentum entwickelte, das nicht vom römischen Hierarchiedenken geprägt war. Überall entstanden Klöster, in denen Mönche in der Askese Gott suchten, aber auch intensiv in die Gesellschaft hineinwirkten. Sie bildeten nicht einfach nur christliche Zentren. Um die Klöster siedelten sich Bauern und Handwerker an, der Adel schickte seine Söhne und Töchter dort zur Ausbildung, Menschen kamen, um Heilung, Segen und Schutz zu erhalten. Einige dieser Klöster wuchsen zu den ersten städtischen Zentren im sonst ländlichen Irland.
In der Zeit von 500 bis 800 verließen irische Mönche ihr Zuhause, um Heiligung in der Fremde zu suchen (Bitel 1990:223). Columban (Columba der Jüngere) war der wohl einflussreichste von ihnen, wie wir noch sehen werden. Mit diesen Mönchen kam nicht nur das Christentum zurück in das inzwischen von Germanen überrannte nördliche Römische Reich, sondern später, zur Zeit Karls des Großen (König von 786 bis 814), auch eine große Reform der Bildung, in der Iren als Lehrer und Vordenker eine wichtige Rolle spielen sollten (Löwe 1982:1 026 f.). In dieser Zeit wurden allerdings auch die Normannenüberfälle auf Britannien und Irland heftig und regelmäßig. Klöster wurden niedergebrannt, Mönche und Bevölkerung abgeschlachtet oder versklavt. Der Strom irischer Mönche und Pilger auf den Kontinent trocknete aus und kam zum Erliegen.
2.2 Irische Kultur und irisches Mönchtum
2.2.1 Nachfolger der Druiden
In der keltischen Kultur erfüllten die Druiden die Funktion der Priester. Sie vermittelten zwischen der geistlichen Welt und stellten damit das Überleben in der Ungewissheit des Lebens sicher.5 Für ihre Anbetungsstätten wählten sie Orte, an denen „der Himmel die Erde berührt“ (Bitel 1990:43). Die Druiden rekrutierten sich in erster Linie aus der keltischen Oberschicht. Bis zu 20 Jahre dauerte die Ausbildung der jungen Männer, die sich ihnen anschlossen. Sie lernten zu schreiben und bildeten die intellektuelle Elite der Gesellschaft, zahlten keine Steuern und waren vom Kriegsdienst befreit. Sie waren Mediziner, Forscher, Lehrer und Richter.
Hatte Patrick noch Priester nach dem im späten Römischen Reich üblichen Modell der Diözesen mit ihren städtischen Pfarrkirchen eingesetzt, so passten die Iren sehr schnell die Kirchenstrukturen ihrer gesellschaftlichen Realität an. Das christliche Leben organisierte sich um Klöster herum, die aus mönchischen Einsiedeleien in der Nähe von Siedlungen hervorgegangen waren, und zwar oft genau an den Orten, an denen vorher druidische Heiligtümer gewesen waren (Bitel 1990:50, 98). Manchmal existierten die alten heidnischen Monumente sogar neben den neuen christlichen Kirchen weiter.6 In der Mentalität der irischen Christen mit ihrer Ehrfurcht vor der und Liebe zur Natur findet sich das Denken der Druiden wieder (Hunter 2000:87). Der berühmte Mönch Columcille etwa bezeichnete Jesus einmal als seinen „heiligen Druiden“ (Olsen 2003:114). Es ist nicht zu übersehen, dass die Mönche fließend und scheinbar recht mühelos die Rolle übernahmen, die bis dahin die Druiden gespielt hatten. „Die Kirche ersetzte die Druiden als Angelpunkt der Gesellschaft“ (:71). Daraus erklärt sich auch ihre später für Europa so entscheidende Bildung und intellektuelle Brillanz, mit der die Iren „die Zivilisation retteten“ (Cahill 1995:196). Es zeigt, wie die Mönche selbstverständliche gesellschaftliche Erwartungen erfüllten, was sicherlich ein Faktor für die rasante Ausbreitung des christlichen Glaubens in Irland war.7
2.2.2 Netzwerke: Starke Verflechtung mit der Gesellschaft
Das frühmittelalterliche Irland war relativ dünn besiedelt. Hunderte von Königreichen mit einer Bevölkerung von jeweils 500 bis 12 000 Personen überzogen die Insel (Bitel 1990:2). Aus dieser Zahl kann man schon sehen, dass ein König eher ein Stammesfürst war. Die Lebensbedingungen waren hart: Fruchtbarer Boden musste dem stetig nachwuchernden Wald abgekämpft werden, das unberechenbare Wetter verdarb Ernten, und so war der Hunger eine ständige Bedrohung. Um überleben zu können, war der Einzelne auf die Unterstützung der Gruppe angewiesen, und nicht selten überfiel ein Stamm den anderen in einem der berüchtigten Rinderraubzüge. Seit dem siebten Jahrhundert unterwarfen einzelne Könige andere, um sie tributpflichtig zu machen. Eine die ganze Insel überspannende Herrschaft gab es allerdings nie.
Eine Stammeskultur funktioniert nach ganz anderen Prinzipien als unsere moderne pluralistische Gesellschaft. Die Sicherheit kommt aus der Gemeinschaft, die den Einzelnen unterstützt, etwa bei Krankheit oder dem Aufbringen des Brautpreises. Umgekehrt stellt die Gruppe Forderungen an den Einzelnen (Hiebert 1992:C29). Entscheidungen werden als Gruppe getroffen und Verwandtschaft ist die Basis für soziale Beziehungen. Die Ordnung baut dabei nicht auf Gesetzen auf, sondern auf der gegenseitigen Verantwortung und Haftung von Mitgliedern einer Gruppe, die auch von außen als Gruppe gesehen wird (Aschoff 2006:45).
Die Iren lebten in einer solchen Stammeskultur, bevor das Evangelium sie erreichte, und auch viele Jahrhunderte danach. Der Gemeinschaftsgedanke war ihnen so tief verwurzelt, dass auch Mönche und Nonnen entgegen der formellen Rhetorik des „Vater und Mutter verlassen um Christi Willen“ und des Ideals der Abgeschiedenheit faktisch fast ausnahmslos in starken Netzwerken über die Klostermauern hinaus eingebunden waren (Bitel 1990:89). Anders ließen sich auch die Gefahren des Lebens nicht meistern. Jedes Kloster errichtete um sich herum ein Netzwerk zum Schutz und zur Versorgung.
Zölibatäres Leben als (offizielle) Voraussetzung für ein Mönchsdasein setzte sich erst im elften Jahrhundert allmählich durch (Bitel 1990:236). Mönche hatten Familien, Ämter wurden mit Verwandten besetzt (Bitel 1990:105). Die Gründerfamilien, die oft aus dem irischen Adel stammten, besaßen ein Quasi-Erbrecht auf die Besetzung geistlicher Ämter (Angenendt 1990:205). Das Kloster war also „Klan“, gleichzeitig aber auch – wie jeder Klan – in ein enges Netzwerk mit anderen Klans eingebunden. Diese Verbindungen konnten durch Verwandtschaft begründet sein oder durch politisches Taktieren. Wie fest diese Netzwerke zwischen Kloster und Politik waren, lässt sich etwa daran erkennen, dass Klöster öfter überfallen und niedergebrannt wurden – und zwar nicht nur von Stammesfürsten, sondern auch von anderen