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hat. Ich bin ein neugieriger Mensch.

      »Hey. Hast du nicht vorhin gesagt, dass du dich perspektivisch nach einem eigenen IT-Dienstleister für travele umsehen willst?«

      »Ja, aber das hat keine Priorität. Bisher funktioniert es noch mit der IT-Abteilung von Ferienwunder. Mich ärgert es schon, wie lange manche Sachen dauern, gerade im Hinblick auf unser Wachstum und den immer neuen Anforderungen. Aber der Preis, den sie uns machen, ist unschlagbar. Das Gleiche gilt für die Marketingabteilung.«

      Stimmt. Und da ich traveles Finanzen kenne, weiß ich das natürlich auch. Vage habe ich noch die Preise von Antons Vater im Kopf. Seine Dienste in Anspruch zu nehmen, kommt uns definitiv teurer.

      »Warum fragst du?«

      »Ach, nichts. Vergiss es.«

      Ich will gerade meinen Laptop zuklappen und meine Sachen zusammenpacken, als Robert sagt: »Joscha.«

      Weich, sanft, eindringlich.

      Ich erschauere und muss das ergebene »Ja?«, das sofort aus mir herausplatzen will, erst herunterschlucken, bevor ich meiner Stimme und ihrem Tonfall wieder einigermaßen über den Weg traue.

      »Ja?« Ganz nüchtern und sachlich. Im Gegensatz zu dem Ausdruck in seinen Augen.

      Scheiße. Er sieht mich an wie ein Flaschengeist, der nichts lieber täte, als mir drei Wünsche zu erfüllen. Etwas zieht sich schnell und heftig in meinem Unterleib zusammen. Kann ich mir auch dreimal dasselbe wünschen? Mit Option auf eine Endlosschleife?

      »Warum fragst du?« Ohne meinen Blick loszulassen. Wenn er mich weiter so ansieht, werde ich gleich hart.

      Verdammt. Zu spät.

      Ich atme aus und versuche, mich zu entspannen und an irgendetwas Unerotisches zu denken. Genauso gut könnte ich versuchen, einen Nagel mit einem Grashalm in die Wand zu hauen. Glücklicherweise verdecken die beiden Schreibtische, was sich gerade in meiner Hose abspielt.

      »Wegen Anton. Sein Vater hat eine IT-Dienstleistungsfirma.«

      Einen Moment lang sagt er nichts. Dann nickt er. »Okay.«

      »Okay?«

      »Hol ein Angebot ein. Vielleicht können wir uns früher von Ferienwunder abnabeln, als gedacht.«

      »Willst du dir die Firma nicht erst mal anschauen?«

      Er schüttelt den Kopf. »Ich vertraue dir.«

      Oh, verfluchter Mist. So schön die Worte auch klingen, sie verursachen mir augenblicklich Schuldgefühle. Wenigstens schwindet meine Erektion damit auch.

      »Dann solltest du wissen, dass Anton einer der beiden ist, mit denen ich mich regelmäßig auf der Dachterrasse treffe. Und dass mir der Gedanke gekommen ist, dass ich hier vielleicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden kann. Aber es gibt sicher günstigere Anbieter als die Firma von Antons Vater, auch wenn er sein Geld wert zu sein scheint.«

      »Es gibt immer günstigere Anbieter. Aber günstig ist nicht alles. Engagier Antons Vater, wenn du es für das Richtige hältst. Ich lasse dir da freie Hand.« Ein kleines Lächeln. »Im Rahmen unseres Budgets, natürlich.«

      Ich bin völlig überrumpelt, trotzdem nicke ich schnell. »Na klar.«

      Nicht, dass Robert mir nicht schon früher gelegentlich derartige Verantwortung übertragen hätte, aber es fällt ihm zweifellos schwer, die Kontrolle abzugeben.

      Abermals drängt sich mir die Frage auf, ob das in all seinen Lebensbereichen so ist. Aber ich verbiete mir, weiter in diese Richtung zu denken, um meinen Schwanz nicht wieder aufzuwecken.

      »Danke. Ich setz mich gleich morgen dran. Hast du...« Ich beiße mir auf die Unterlippe.

      Scheiße. Wir haben gerade so einen guten Gesprächsfluss, dass ich beinahe vergessen hätte, mit wem ich hier rede. Aber Robert überschreitet nie die Grenze zum Privaten. Im Gegenteil. Er meidet sie wie eine Hochspannungsleitung.

      »Habe ich?«

      Ich gebe mir einen Ruck. Vielleicht – vielleicht – ist heute ja dieser eine Tag, an dem er eine Ausnahme macht. Weil er mir vertraut. Weil er weiß, dass ich hin und wieder einen Sundowner auf der Dachterrasse trinke. Weil er mich mit diesem Blick ansieht, der mir die Knie weich werden lässt.

      »Hast du vielleicht noch Lust, was essen zu gehen? Jetzt? Mit mir?«

      Großartig. Dämlicher kann man die Frage kaum stellen. Unverfänglich und locker geht anders.

      Bevor ich jedoch in Versuchung gerate, mir vor die Stirn zu schlagen, füge ich noch halbwegs professionell hinzu: »Die Notizen kannst du morgen noch hochladen.«

      Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich mir fast sicher, dass er zustimmen wird. Das Blitzen in seinen Augen, die Art, wie sich sein Gesicht aufhellt, sich seine Mundwinkel heben. Ich kann die Worte schon in meinem Kopf hören.

      Ja, warum nicht?

      Ja. Warum verdammt noch mal eigentlich nicht?

      Aber dann huscht ein Schatten über seine Züge und noch bevor er den Kopf schüttelt, weiß ich, was er sagen wird.

      »Nein, danke. Ich erledige das lieber gleich. Schönen Feierabend, Joscha.«

      Kapitel 2

      Nach etwas mehr als 45 Minuten steige ich am Ostbahnhof aus der Bahn. Da ich im Norden Münchens alles andere als zentral wohne, brauche ich von Tür zu Tür jeden Tag etwa 50 Minuten einfache Fahrtzeit. Plus/minus der üblichen Unvorhersehbarkeiten wie Verspätungen oder verpasste Anschlüsse am Hauptbahnhof, wenn ich mit der U-Bahn und nicht mit der S-Bahn fahre. Ein Vorteil von Feldmoching, auch wenn ich Otti und meiner WG ansonsten nicht viel abgewinnen kann: Es gibt sowohl eine U-Bahn- als auch eine S-Bahn-Station.

      Wahrscheinlich gäbe es auch Arbeitgeber für mich, die keine so lange Anfahrt erfordern, aber keiner davon wäre travele. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich dem kleinen Onlineportal für nachhaltige Reisen nach nicht einmal einem Jahr so sehr verbunden fühlen würde.

      Oder Robert.

      Als ich an ihn denke, muss ich unweigerlich grinsen. Ein großer, blonder, sportlicher Typ mit einer Sporttasche über der Schulter, der mir entgegenkommt, scheint sich angesprochen zu fühlen und lächelt zurück.

      Nett.

      Aber keine Zeit.

      Ich hebe meinen Thermokaffeebecher an die Lippen und gehe einfach weiter, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Zwei Schritte später habe ich den Mann bereits vergessen, weil mich selbst der Thermobecher an Robert erinnert.

      Vor einem Jahr hätte ich mir noch keine Gedanken über die unzähligen Pappbecher gemacht, die ich früher im Alltag verbraucht habe. Erst recht nicht in der Zeit mit Marvin, in dessen Lebensrealität Themen wie Nachhaltigkeit oder sanfter Tourismus gar nicht vorkommen. Allerdings ist es auch schwer, nachhaltig auf die Malediven zu reisen oder sich guten Gewissens für ein Ski-Wochenende in Kitzbühel zu verlustieren.

      Als ich um die nächste Ecke biege, kommt der Co-Working-Space in Sicht. Auf der Straße davor herrscht wie immer dichter Berufsverkehr, mehr noch, da auf der rechten Spur ein silberner BMW M5 mit Warnblinklicht steht und einen Stau verursacht. Ziemlich dreist, da ich nirgendwo Anzeichen eines Unfalls oder dergleichen erkennen kann, und angesichts des wütenden Hupkonzerts auch mutig.

      Im ersten Moment muss ich an Kev denken, zu dem so ein Verhalten zweifellos passen würde. Beim Näherkommen erkenne ich jedoch ausgerechnet Robert auf dem Beifahrersitz.

      Alles in mir zieht sich zusammen und ich gerate mitten im Lauf ins Stocken.

      Robert in so einer Spritschleuder?

      Warum…?

      Ich habe die Frage gedanklich nicht mal ausformuliert, als sich mir schon eine ungute Antwort aufdrängt. Ein One-Night-Stand, der ihn ins Büro fährt, weil es heute Morgen im Bett länger gedauert hat. Oder unter

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