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sagte, dass sie wegen des Fluchs seiner Mutter keine andere Wahl habe. Wegen des Unglücks und der Todesfälle, die sich schon ereignet hätten und so viele an der Zahl seien, werde sie einen hohen Preis zahlen müssen, auch wenn sie gezwungen worden sei, so zu handeln.

      Da machte sich der Schafhirte auf den Weg, ging über das Feld zu der Erdspalte und geradezu hinauf. Dann steckte er den Tarnkappenstein in seine Tasche, legte den Zaum an und wartete auf Hildur. Nach einer Weile kam Hildur mit traurigem Gesicht, setzte sich auf seinen Rücken und ritt nach Hause. Dort legte sie den Schafhirten behutsam ins Bett und zog ihm den Zaum ab, und ging danach zu ihrem Bett und legte sich schlafen. Der Schafhirte tat, als ob er schliefe. Aber als keine Gefahr mehr bestand, schlief er tief und fest bis zum nächsten Tag.

      Am nächsten Morgen stand der Bauer als Erster auf, um nach seinem Hirten zu sehen. Er rechnete mit dem Schlimmsten. Als der Bauer den Schafhirten berührte, spürte er, dass der Hirte lebte. Da erfüllte den Bauern eine unsagbare Freude und er lobte Gott inbrünstig. Der Schafhirte erwachte. Da fragte der Bauer, ob er sagen könne, was sich in der Nacht zugetragen habe. Der Hirte verneinte, »aber einen wundersamen Traum hatte ich«. »Was für einen Traum?«, fragte der Bauer. Der Schafhirte begann zu erzählen, dass Hildur zu seinem Bett getreten und ihm das Zaumzeug angelegt hatte und gab jedes Detail wieder, so wie er sich am besten erinnern konnte. Als er geendet hatte, wurden alle still bis auf Hildur, die sagte: »Du bist ein Lügner – es sei denn, du könntest beweisen, dass alles sich so ereignet hat, wie du behauptest.« Der Schafhirte antwortete nicht, sondern zog den Ring hervor, den er im Albenreich an sich genommen hatte, und sagte: »Ich habe einen Zeugen dessen, dass ich heute Nacht bei den Alben gewesen bin – oder ist das nicht dein Fingerring, Königin Hildur?« Hildur sprach: »So viel ist sicher, dass du, der glücklichste und gesegnetste Mensch, mich von dem Bann meiner Schwiegermutter befreit hast. Ich bin gezwungen worden, all die Verbrechen zu begehen, die sie mir auferlegte.« Und dann erzählte Hildur ihre Geschichte: »Ich war eine Albenmaid nichtadliger Herkunft, aber jener, der nun König über das Albenreich ist, verliebte sich in mich. Und gegen den Willen der Schwiegermutter heiratete er mich. Da wurde sie so rasend, dass sie ihren Sohn verfluchte, er solle nur kurze Zeit Freude an mir haben und wir sollten einander nur ab und zu sehen. Aber mir erlegte sie auf, dass ich eine Magd in der Menschenwelt sein müsse und mir das Unglück folge, dass ich in jeder Christnacht einen Menschen umbringen müsse. Ich müsse einen Gandzaum auf den Schlafenden legen und ihn denselben Weg reiten, den ich diesen Schafhirten diese Nacht ritt, um den König zu treffen; und das sollte sich so lange wiederholen, bis mir diese Verbrechen nachgewiesen würden. Dann würde ich getötet – außer, ich träfe einen unerschrockenen und geistesgegenwärtigen Mann, der sich zutraute, mir in das Albenreich zu folgen, und der danach beweisen könnte, dass er dorthingekommen sei und das Treiben der Leute erlebt hätte. Seit ich hierhergekommen bin, haben alle Schafhirten des Bauern um meinetwillen den Tod gefunden. Dennoch hoffe ich, dass mir nicht die Schuld an etwas gegeben wird, das ich unfreiwillig tat, denn niemand hat zuvor den unterirdischen Weg und die Wohnstatt der Alben erkundet, bis dieser wackere Mann mich aus meinem Zauber und dem Schicksal löste. Ihm werde ich danken, auch wenn es noch einige Zeit dauert. Jetzt will ich hier nicht länger bleiben. Ich danke euch herzlich, denn ihr habt mir Gutes getan, aber mich drängt es nach Hause.«

      Von dem Schafhirten ist zu berichten, dass er heiratete und im nächsten Frühling einen Hof errichtete. Der Bauer war beim Abschied großzügig und so musste er seinen Hof nicht mit leeren Händen errichten. Er wurde der tüchtigste Bauer im Bezirk und die Leute suchten ihn auf, wenn sie Rat oder seine Gesellschaft wünschten, und sein Glück war so groß, dass die Leute nichts dergleichen gesehen hatten. Sie meinten, jedes Schaf hätte zwei Köpfe. Doch der Hirte wusste, dass er all sein Wohlergehen Hildur zu verdanken hatte.

       Das Weitwiesenweiberl oder Die Fahrt über den Königsee

      imageas Weitwiesenweiberl war in den Bergen um Berchtesgaden unterwegs. Man erzählte, wenn sich ein Fuhrwerk oder ein Wanderer in der Nacht verirrt hatte, dann sei des Öfteren das Weitwiesenweiberl aufgetaucht und habe mit seiner Laterne dem verirrten Wanderer oder dem Fuhrmann auf den richtigen Weg zurückgeholfen, ihnen sozusagen »heimgeleuchtet«.

      Sobald der Irrgänger die Landschaft oder den Weg erkannte und alleine weiterfand, verschwand das Weitwiesenweiberl wieder und erwartete keinerlei Dank für seine Hilfe. Mehr noch: Wenn man dem Weitwiesenweiberl hinterherschaute, ihm gar nachlief oder ihm ein »Dank dir recht schön« hinterherrief, dann konnte es passieren, dass ein schlimmes Unglück eintrat.

      In den beginnenden 60er-Jahren war einmal viel zu früh ein eiskalter Winter angebrochen und der Königsee war vollkommen zugefroren. Da wohnte in Ramsau der Ellinger Franz, ein junger Bursch, der aus einem reichen, schmucken Bauernhof herstammte. Franz hatte ein Auge auf eine fesche junge Bedienung geworfen, die Doyscher Elis, eine »Böhmische«, die in der Gastwirtschaft in St. Bartolomä in Diensten stand.

      Nun hatte der lebenshungrige Ellinger sich vorzeitig seinen Erbteil auszahlen lassen und kurz vor Weihnachten einen nagelneuen VW-Käfer erworben, ein schmuckes, glänzendes Automobil, auf das er unbändig stolz war.

      Was lag näher, als mit seinem Automobil der hübschen Elis zu imponieren. Aber wie das am besten anstellen?

      Da kam der Franz auf die Idee, in der Thomasnacht über den gefrorenen See hinüberzufahren und die Doyscher Elis auf eine Spritztour über das Eis einzuladen. Man weiß ja, in der Thomasnacht legen sich die unverheirateten Mädchen mit dem Kopf zum Fußende ins Bett, weil ihnen dann im Traum ihr Geliebter erscheint. Vielleicht wollte dies der Ellinger schamlos ausnützen und der Elis nicht nur im Traum, sondern lebendig erscheinen und ihr obendrein mit seinem neuen Käfer imponieren.

      Gesagt, getan!

      Der Franz fuhr mit dem Wagen zum Seeufer, legte Schneeketten an und rollte vorsichtig hinaus aufs Eis. Das Eis knackte leicht, ab und zu entlud sich die Spannung in einem dumpfen Ächzen und Stöhnen, aber das galt ihm als Zeichen, dass das Eis fest war und hielt.

      Doch als er auf der Mitte des Sees angelangt war, kam urplötzlich ein Schneesturm auf, wild und undurchdringlich vom Watzmann her. Kaum drei Meter weit konnten sich die Scheinwerfer durch das Inferno hindurchbohren. Der Ellinger bekam es mit der Angst zu tun.

      Eis und Schnee gingen ineinander über, er wusste schon bald nicht mehr, wo oben und unten war, und ein kalter Schauer nach dem anderen lief ihm über den Rücken hinunter.

      Da klopfte etwas an das kleine Ausstellfenster neben dem Rückspiegel.

      Das Licht einer Laterne warf einen warmen Schein ins Innere des Automobils und das Winken einer Hand bedeutete ihm, dem unheimlichen Begleiter zu folgen.

      Obwohl der Ellinger vor Schrecken halb erstarrt war, tat er, wie ihm geheißen. Der junge Bauernbursch rollte mit seinem Wagen langsam neben der Gestalt her, wohl eine geschlagene halbe Stunde lang, und tatsächlich: So plötzlich, wie er angehoben hatte, lichtete sich der Schneesturm wieder, es hörte zu schneien und zu wehen auf, und er konnte in der Ferne die Fenster des warm erleuchteten Gasthofs von St. Bartolomä erkennen. Erleichtert drehte der Bursch das Fenster herunter und blickte in eine aus rauem Stoff gewebte Kapuze, die das Gesicht dahinter vollkommen verbarg.

      »Nix sogn, gor nix sogn!«, vernahm er eine heisere Stimme.

      »Freilich sag ich was, i muass!«, entgegnete der Bursch.

      »Nein, bloß nix sogn! Staad sein, ganz staad!«

      »Doch!«, erwiderte der Bauernbursch, »freilich sag ich’s, wie es die Mutter mir beibracht hat: Dank dir schön, und vergelts Gott, viel tausend Mal«.

      Da ertönte ein markerschütternder Schrei vom Weitwiesenweiberl, denn niemand anderes hatte dem Franz den Weg geleuchtet:

      »Unglück, nimm deinen Lauf!«, rief es und verschwand irgendwo in der Nacht.

      Keiner im Tal hat gesehn, was danach in dieser Nacht passiert ist, nur der Wirt vom Gasthof Bartolomä wunderte sich, als er am Morgen zum

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