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e. V. sind ein Netzwerk aus Autorinnen, Buchbranchenprofis und Leserinnen, das die von Frauen geschriebene deutschsprachige Kriminalliteratur fördert und unterstützt.

      Der Verein setzt sich für bessere Chancen für Autorinnen auf dem Buchmarkt ein. Er bietet seinen Mitgliedern die Teilnahme an Fortbildungen und Vorträgen und ein Mentoringprogramm, in dem erfahrene Autorinnen ihre Expertise an schreibende Kolleginnen weitergeben. Zudem vergeben die Mörderischen Schwestern einmal im Jahr ein Arbeitsstipendium, das einer Autorin ermöglichen soll, trotz Familie und Beruf ihr Projekt zu verwirklichen.

      Der Verein bietet die Basis zur Vernetzung unter den Autorinnen und ermöglicht somit den Austausch von Expertinnenwissen.

      In Baden-Württemberg leben und schreiben um die 60 Mörderische Schwestern. Insgesamt hat der Verein über 600 Mitglieder – in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

       www.moerderische-schwestern.eu

      Mit der Ladies Crime Night, der Lesung mit Schuss, sind die Autorinnen auf den Bühnen unterwegs – natürlich auch in Baden-Württemberg. Möchten Sie die Geschichten dieses Kurzgeschichtenbandes live erleben? Die Termine unserer Ladies Crime Nights finden Sie unter:

       www.moerderische-schwestern-bw.de

       Mareike Fröhlich

       527 Tage

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       Esslingen am Neckar

      Es hat geregnet. In den Pfützen spiegeln sich die bunten Lichter der Stadt. Alles glitzert und glänzt, alles ist nass – gerade so, als hätte die Nacht geweint. Vor Freude. So wie ich. Weil ich frei bin. Meine nackten Füße verdrängen das Wasser in den Pfützen und damit die scheinbare Wirklichkeit. Doch hinter mir fügt sich alles wieder zu einem friedvollen Bild zusammen, und meine Anwesenheit ist vergessen.

      Ich stolpere durch die schlafende Stadt. Immer weiter. Ich bin wieder da. Und ich weiß genau, wo ich hinwill, verfolge mein Ziel. Als die weißen Buchstaben auf blauem Grund endlich in meinem Blickfeld auftauchen, erscheinen sie mir wie die Ziellinie nach einem Marathonlauf. Die Polizei – dein Freund und Helfer.

      Tränen sammeln sich in meinen Augen, Tränen der Erleichterung. Ich habe es geschafft, bin endgültig entkommen.

      Das Innere des Reviers empfängt mich mit Licht und Wärme. Beides hat mir so sehr gefehlt. Genau wie der Klang von Stimmen, wie ein Gespräch mit einem Menschen, mit jemandem, der mir zuhört. Ich hatte nichts von alledem, ich hatte Kälte und Stille.

      Ein Mann in Uniform steht hinter dem Tresen. Er schaut mich an. Fragend. Ich lächele. Und wieder kommen die Tränen.

      »Ich bin wieder da«, sage ich. »Ich bin Isabell Martin.«

      Der Polizist zieht fragend eine Augenbraue nach oben. Mir wird bewusst, dass er ja vielleicht gar nicht weiß, wer ich bin, weil er nichts von meinem Fall gehört hat.

      »Isabell Martin«, sage ich noch einmal. »Ich werde vermisst. Seit 527 Tagen.«

      Der Mann nickt. »Nehmen Sie doch bitte Platz«, sagt er. »Ich bin gleich bei Ihnen.«

      Er tippt hektisch auf der Tastatur seines Computers herum – vermutlich gibt er meinen Namen ein. Als er den Kopf wieder vom Bildschirm abwendet, gleitet sein Blick zu meinen Füßen. Auch ich blicke auf meine Füße, meine nackten Füße. Wer flieht, muss gehen, wenn die Zeit bereit ist. Nur mit dem, was er am Leib trägt. Flüchtende nutzen Gelegenheiten, ohne auf Äußerlichkeiten zu achten. Ich habe es immerhin geschafft, den Mantel vom Haken zu reißen. Den Mantel, der nach ihm riecht.

      Der Blick des Polizisten wandert weiter nach oben, bleibt stehen, starrt. Meine Hände halten sich gegenseitig, liegen in meinem Schoß, sind verhakt, verkrampft. Meine Hände, die voller Blut sind. Voller getrocknetem Blut.

      »Haben Sie sich verletzt?«, fragt der Polizist.

      Ich überlege, brauche einen Moment, doch dann fällt es mir wieder ein. Ich musste meinen Entführer … ich musste mich wehren … hatte gar keine andere Wahl.

      »Nein«, antworte ich.

      Er nickt, nimmt den Telefonhörer zur Hand und spricht leise mit irgendjemandem. Vermutlich, um meine Identität zu klären, und bestimmt, um meine Angehörigen zu verständigen.

      Er legt auf, kommt um den Tresen herum, kommt direkt auf mich zu. »Der zuständige Beamte wird gleich Zeit für Sie haben.« Er lächelt – verständnisvoll, aufmunternd, nicht mehr fragend oder abschätzend.

      Die Anspannung lässt allmählich nach, und ich spüre die bleierne Müdigkeit, die auf mich herabsinkt. Es ist, als würde sie mich erdrücken. Mir ist kalt, unendlich kalt. Ein Zittern erfasst meinen Körper. Ich versuche, es zu unterdrücken, versuche, keine Schwäche zu zeigen, doch es gelingt mir nicht. Stattdessen kommt die Erinnerung zurück, wie eine gewaltige Welle.

      Sie erfasst mich und reißt mich mit sich. All das Adrenalin ist verschwunden, aufgebraucht, einfach fort. Ich schluchze. Ich will nicht zurück in die Erinnerung, zurück zu den letzten 527 Tagen. Denn diese Nacht ist eine Nacht der Freude, ab jetzt wird es nur noch helle Tage geben, glückliche Tage.

      Ich spüre eine Berührung, zucke zusammen. »Nein, nicht«, schreie ich, springe auf und weiche zurück.

      Es ist nur der Polizist, der lächelt, mir eine Decke um die Schultern legt. Eine goldene Rettungsdecke.

      Wie passend, kommt es mir in den Sinn.

      Er wartet, bis ich mich beruhigt habe, bis ich mich wieder auf den Stuhl setze. Dann kniet er sich vor mich hin wie ein Prinz vor seiner Prinzessin, so wie bei Aschenputtel. Er betrachtet meine dreckigen Füße, hält Wollsocken in der Hand und nickt mir aufmunternd zu.

      Wo hat er die her? Halten Polizeireviere warme Strümpfe für Menschen, die verschwunden waren und ohne Schuhe zurückkehren, bereit?

      »Danke«, sage ich, aber es klingt mehr nach dem Krächzen einer bösen Hexe als nach Aschenputtel.

      Er hält die eine Socke tatsächlich so, dass ich mit dem Fuß hineinschlüpfen kann, danach die zweite. Nachdem meine Füße versorgt sind, steht er auf. Erst jetzt sehe ich, dass sich hinter dem Tresen zwei weitere Beamte eingefunden haben. Sie schauen mich an, als wäre ich etwas ganz Besonderes. Ja, das bin ich. Ich bin die, die es geschafft hat, die Frau, die entkommen ist.

      »Frau Martin?«

      Die Stimme der Frau trifft mich völlig unvorbereitet. Wieder zucke ich zusammen. Ich habe sie nicht kommen sehen, die Frau in Jeans und weißer Bluse. Aber sie lächelt, so, wie der Polizist gelächelt hat. Und sie zeigt mit der Hand auf einen Flur mit vielen Türen, einen Flur, den ich ebenfalls noch nicht wahrgenommen habe.

      »Mein Name ist Dr. Hofner«, sagt sie. »Ich bin Psychologin. Es ist alles in Ordnung. Kommen Sie bitte, wir möchten Ihre Aussage aufnehmen.«

      Sie geleitet mich in ein Zimmer – PVC-Boden, ein Tisch mit vier Stühlen, eine Neonröhre – und bittet mich, Platz zu nehmen.

      »Ich möchte nach Hause.« Ich bleibe an der Tür stehen.

      »Das verstehe ich sehr gut«, sagt sie. »Doch wir brauchen Ihre Aussage. Die ist für uns sehr wichtig. Das verstehen Sie sicher.«

      Natürlich verstehe ich das, sie müssen schließlich meinen Entführer festnehmen. Er muss bestraft werden. Für das, was er mir angetan hat. Also gehe ich hinein, in diesen Raum, der mehr nach Zelle aussieht, und setze mich.

      Die Frau setzt sich mir gegenüber. Wie war ihr Name doch gleich? Ich habe es vergessen. Ob ich nachfragen soll?

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