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Mauern Roms häuften sich damals die schrecklichsten Unglücksfälle. Der Tiberfluß führte außergewöhnliches Hochwasser und zerstörte fast die ganze Niederung der Stadt, teils durch den heftigen Anprall der Wogen, teils durch die Feuchtigkeit, die sich infolge des langen Stehens der Gewässer bildete. Auf dieses Unheil folgte sodann ein noch verderblicheres Feuer, das alle hochragenden Gebäude am Forum ergriff und auch den ihm so trauten Tempel der Vesta nicht verschonte, wo ihm Jungfrauen, angesehene Jungfrauen, aber doch mehr zu solchem Dienste verurteilt, durch äußerst gewissenhaftes Zulegen von Holz eine Art ewiges Leben zu verleihen pflegten. Aber damals war dort das Feuer nicht blos lebendig, sondern es gefiel sich darin, zu wüten. Da die Jungfrauen, durch das Andringen des Feuers erschreckt, das verhängnisvolle Heiligtum, das schon drei Städten[173] , worin es aufbewahrt wurde, hart zugesetzt hatte, vor diesem Brande nicht zu retten vermochten, so stürzte sich der Oberpriester Me-tellus, der Lebensgefahr nicht achtend, in die Flammen und entriß ihnen das Heiligtum, wobei er selbst halb verbrannte. Das Feuer hat nämlich nicht einmal ihn erkannt oder es war darin wirklich eine Gottheit, die nicht auch entkommen wäre, wenn sie da war. Also hat das Heiligtum der Vesta nicht den Menschen sich nützlich erweisen können, sondern umgekehrt. Wenn nun aber die Heiligtümer das Feuer nicht einmal von sich selbst ferne hielten, was hätten sie dann der Stadt, deren Wohlfahrt sie vermeintlich schützten, wider diese Wasser- und Feuersnot helfen können? wie ja die Tatsachen dargetan haben, daß sie ganz und gar nichts vermochten. Wir würden den Gegnern diese Ohnmacht ihrer Heiligtümer gewiß nicht vor Augen rücken, wenn sie sagten, sie wären nicht zum Schutz der zeitlichen Güter eingeführt worden, sondern als ein Hinweis auf die ewigen Güter, und sollten sie also als körperliche und sichtbare Dinge etwa zugrunde gehen, so geschehe dadurch dem Gegenstand ihrer Beziehung kein Eintrag und sie können zu dem gleichen Zweck wieder hergestellt werden. So aber meinen sie in seltsamer Verblendung, es habe sich durch Heiligtümer, die untergehen konnten, die irdische Wohlfahrt und das zeitliche Glück des Staates vor dem Untergange bewahren lassen. Und wenn man ihnen also nachweist, daß trotz des Bestandes der Heiligtümer Vernichtung der Wohlfahrt oder Unglück hereingebrochen sei, so schämen sie sich wohl einer Ansicht, die sie nicht halten können, aber sie ändern sie nicht.

      

       19. Im zweiten punischen Krieg trafen beide Parteien vernichtende Schläge.

      

      Die Verluste aufzuzählen, die durch den zweiten punischen Krieg die beiden, lange auf weitem Kriegsschauplatz kämpfenden Völker erlitten, würde viel zu weit führen; sagen ja selbst diejenigen unter den Geschichtsschreibern, die mehr eine Lobrede auf das römische Reich als die schlichte Erzählung der Kriege der Römer beabsichtigen, daß der Sieger bedenklich einem Besiegten glich. Nachdem sich nämlich Hannibal von Spanien erhoben und die Pyrenäen überschritten, in Eilmärschen Gallien durchzogen und die Alpen durchbrochen hatte, wobei er auf diesem weiten Umweg seine Streitkräfte vermehrte, alles verwüstete oder sich unterwarf und endlich wie ein Sturzbach durch die Engpässe Italiens hereinstürmte, welch blutige Kämpfe spielten sich da ab, wie oft wurden die Römer besiegt; wieviele Städte fielen zum Feinde ab, wieviele wurden erobert und überwältigt! welch entsetzliches Ringen, so oft für Hannibal ruhmreich durch die Niederlage der Römer! Was soll ich aber von dem in seiner Furchtbarkeit einzig dastehenden Unheil bei Cannä sagen, wo selbst ein so grausamer Wüterich wie Hannibal, durch das Blutbad gesättigt, das unter seinen grimmigsten Feinden angerichtet worden war, Schonung befohlen haben soll? Er sandte von dort drei Schaff goldener Ringe nach Karthago, damit man daraus ersehe, es seien in diesem Kampfe soviele edle Römer gefallen, daß man sie nicht mehr zählen, sondern nur noch messen könne; auch sollte dadurch glaubhaft werden, daß die Verheerung unter dem übrigen Kriegsvolk, das ohne Ringe an den Fingern die Wahlstatt bedeckte und natürlich je niedriger umso zahlreicher war, nur vermutungsweise, nicht in genauer Meldung angegeben werden könne. Es trat denn auch ein solcher Mangel an Soldaten ein, daß die Römer Verbrecher unter Zusicherung der Straflosigkeit auflasen, Sklaven die Freiheit schenkten und mit diesen Elementen das Heer nicht so fast ergänzten, als vielmehr ein neues, jämmerliches Heer bildeten. Diesen Sklaven also, nein, wir wollen ihnen nicht unrecht tun, diesen nunmehr Freigelassenen, die für den römischen Staat kämpfen sollten, mangelten die Waffen. Man nahm sie aus den Tempeln, gerade als wollten die Römer ihren Göttern sagen: Gebt her, was ihr lang genug vergeblich gehabt habt; vielleicht können unsere Sklaven einen nützlichen Gebrauch von dem machen, wovon ihr, unsere Götter, keinen habt machen können. Und da weiter der Staatsschatz auch für den Sold nicht mehr aufzukommen vermochte, so nahm man Privatbesitz für die Staatsbedürfnisse in Anspruch und jeder gab das Seinige so vollständig hin, daß selbst die Senatoren — um wieviel mehr die übrigen Stände und Tribus — außer je einem Ring und je einer Kapsel[174] , den traurigen Abzeichen ihrer Würde, kein Gold zurückbehielten. Ganz unleidlich müßten da unsere Gegner werden, wenn sie sich in unseren Zeiten zu solcher Einschränkung gezwungen sähen, da sie doch schon jetzt kaum zu ertragen sind, wo für überflüssige Vergnügung den Schauspielern mehr an Geschenken zugewendet wird[175] , als man damals zur Rettung aus äußerster Not auf die Legionen verwandte.

       20. Keine Götterhilfe wurde den Saguntinern zuteil, als sie wegen ihres Bündnisses mit den Römern untergingen.

      

      Unter allem Unheil des zweiten punischen Krieges war aber noch das traurigste und beklagenswerteste der Untergang Sagunts, Diese Stadt, in Spanien gelegen und mit dem römischen Volke eng verbündet, fiel der Vernichtung anheim, weil sie Bundestreue hielt. Daraus nahm ja Hannibal, als er den Vertrag mit den Römern gebrochen hatte, den Anlaß, diese zum Kriege zu reizen. Er bedrängte also Sagunt mit harter Belagerung. Auf die Kunde hievon sandten die Römer Botschaft an Hannibal mit der Aufforderung, von der Belagerung abzustehen. Zurückgewiesen, begab sich die Gesandtschaft nach Karthago, erhob Klage über Vertragsbruch und kehrte unverrichteter Dinge nach Rom zurück. In der Zwischenzeit wurde die unglückliche Stadt, eine der reichsten, hochgeschätzt im eigenen Staat und von den Römern, nach acht- oder neunmonatiger Belagerung zerstört. Die Geschichte ihres Unterganges auch nur zu lesen, geschweige denn darüber zu schreiben, ist schauerlich. Gleichwohl will ich in Kürze davon berichten; denn es hängt enge mit dem Thema zusammen. Zuerst verging die Stadt vor Hunger; sie soll sich ja nach manchen Berichten sogar von Leichnamen der Ihrigen genährt haben. Nachdem man sodann bei der äußersten Erschöpfung angelangt war, errichteten die Saguntiner, um wenigstens nicht gefangen in die Hände Hannibals zu fallen, öffentlich einen ungeheuren Scheiterhaufen, steckten ihn in Brand und übergaben sich und die Ihrigen ohne Ausnahme, indem sie sich auch noch mit dem Schwerte töteten, den Flammen. Hier hätten doch die Götter, diese Schlemmer, diese Windbeutel, etwas tun sollen, sie, die so gierig nach dem Fett der Opfer lecken und mit trügerischen Weissagungen die Leute benebeln. Hier hätten sie eingreifen, der dem römischen Volk so eng verbündeten Stadt helfen und nicht zulassen sollen, daß sie über der Heilighaltung der Treue zugrunde gehe. Sie hatten ja als Vermittler das Zustandekommen des Bündnisses mit dem römischen Staate geleitet. Eben dadurch, daß die Stadt treu festhielt an dem, was sie unter dem Vorsitz der Götter durch Beschluß eingegangen, durch Verpflichtung auf sich genommen, durch Eid befestigt hatte, ward sie von einem Treubrüchigen belagert, überwältigt und vernichtet. Wenn es die Götter gewesen wären, die nachmals durch Blitz und Ungewitter den Hannibal unmittelbar vor den Mauern Roms schreckten und verscheuchten, so hätten sie hier schon etwas der Art tun sollen. Ich wage nämlich zu behaupten, daß es für sie ehrenvoller gewesen wäre, ein Unwetter loszulassen zugunsten der Bundesgenossen der Römer, die in Gefahr geraten waren, weil sie den Römern die Treue nicht brechen wollten, die überdies damals ohne Unterstützung blieben, als zugunsten der Römer selbst, die für ihre eigene Sache stritten und dem Hannibal gegenüber reiche Mittel zur Verfügung hatten. Wären sie also die BeSchutzer von Roms Glück und Ruhm, so hätten sie von ihm den schweren Vorwurf des Untergangs der Stadt Sagunt abwehren müssen; so aber ist es doch eine allzu einfältige Annahme, Rom sei über den Siegen Hannibals deshalb nicht zugrunde gegangen, weil es unter dem Schutz dieser Götter stand, die die Stadt Sagunt nicht davor hatten bewahren können, daß sie für ihr Bündnis mit Rom zugrunde ging. Wäre die Bevölkerung von Sagunt christlich gewesen und hätte sie derartiges für

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