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also gekauft. Weißt du, für wen?“

      „Für einen Züchter in Westfalen“, erwidete Jörn in einem Ton, der deutlich sagte: Laß mich bloß in Ruhe!

      Mikesch schien das jedoch nicht weiter zu stören. „Westfalen?“ wiederholte er. „An Julius Stende vielleicht?“

      Jörn sah überrascht auf. „Ja, so heißt der Züchter. Kennst du ihn?“

      „Mein Vater hatte öfter geschäftlich mit ihm zu tun“, erwiderte Mikesch. „Stende ist in Ordnung. Die Pferde sind gut bei ihm aufgehoben.“

      Mir wurde bedeutend leichter ums Herz. Wenn Mikesch das sagte, stimmte es. Isabell und Odin kamen also in gute Hände!

      Ich hob den Kopf und begegnete über die Schubkarre hinweg Jörns Blick. Unsere Finger berührten sich, als wir gleichzeitig nach dem Griff faßten.

      Unwillkürlich mußte ich lächeln. Der gefrorene Ausdruck auf Jörns Gesicht verschwand. Seine Augen verengten sich; er lächelte zurück.

      Ich sagte: „Die Schubkarre ist nicht zu schwer für mich, Jörn. Aber wenn du mit anpackst, geht’s natürlich leichter.“

      Sein Lächeln wurde breiter. „Sieh mal an! Vorher dachte ich schon, du würdest mich beißen, als ich sagte, daß die Arbeit zu schwer für dich ist. Rothaarige Leute sind eben reizbar, das weiß man ja inzwischen.“ Er zwinkerte mir zu. „Oder ist heute die Emanze bei dir durchgekommen?“

      „Vielleicht“, sagte ich würdevoll. „So wie bei dir der einsame Steppenwolf.“

      Mikesch lachte. „Gib’s ihm nur, Nell. Was habt ihr übrigens gegen Emanzen und einsame Steppenwölfe? Alles, was sie lernen müssen, ist, daß es gemeinsam besser geht.“

      3

      Zu Hause war Kirsty damit beschäftigt, die Fensterkästen mit den Geranien in den Schuppen zu schaffen. Ich hielt ihr eine Strafpredigt.

      „Kannst du nicht warten, bis Vater nach Hause kommt?“ sagte ich. „Meinst du, daß es gut für Kathrinchen ist, wenn du dich so abschleppst? Du bist schließlich schon im fünften Monat!“

      Kirsty sah mit schuldbewußter Miene auf ihren Bauch, der sich unter dem weiten Rock wölbte. „Du hast ja recht, Nell. Aber es macht mich ganz verrückt, immer erst lange überlegen zu müssen, ehe ich etwas tue. Ich komme mir so schwächlich und unselbständig vor.“

      „Ach was“, sagte ich. „Ein paar Monate lang wirst du’s wohl noch aushalten. Laß das jetzt, die anderen Kästen trage ich in den Schuppen!“

      Ich hatte mich inzwischen an den Gedanken gewöhnt, daß wir bald ein Baby im Haus haben würden, daß ich eine Halbschwester bekommen sollte, nachdem ich fünfzehn Jahre ohne Geschwister gelebt hatte. Anfangs hatte ich es unmöglich gefunden, daß mein Vater und Kirsty noch ein Kind bekamen, denn Vater war immerhin über Vierzig, und Kirsty Mitte Dreißig. Doch was schadete das eigentlich? Sie waren beide durchaus nicht spießig, voller Ideen und jung in ihrer Art, und ihr Kind würde bestimmt nie das Gefühl bekommen, „alte“ Eltern zu haben.

      Natürlich hatten wir anfangs alle befürchtet, das Baby könnte mißgebildet zur Welt kommen, weil Kirsty und Vater nicht mehr sehr jung waren. Inzwischen hatte Kirsty sowohl eine Ultraschall-Untersuchung als auch einen Fruchtwassertest hinter sich, und die Ärzte hatten festgestellt, daß das Baby ganz gesund und normal war.

      Wir nannten das Ungeborene Kathrinchen ‒ und nicht erst seit der Fruchtwasseruntersuchung, bei der sich herausgestellt hatte, daß Kirsty ein Mädchen bekommen würde. Sie hatte von Anfang an geahnt, daß es ein Mädchen war. Ich erinnerte mich noch genau an unser Gespräch im Spätsommer, als sie zu mir gesagt hatte: „Du, ich glaube, es ist ein Mädchen ‒ ich hab das so im Gefühl...“ Dann, als sie mich nach einem Namen für das Kind fragte, hatte ich „Kathrinchen“ gesagt, ohne lange zu überlegen. Seitdem hieß das kleine Wesen in ihrem Bauch so.

      Kirsty setzte Kaffeewasser auf und deckte den Küchentisch. Sie bewegte sich längst nicht mehr so leicht und anmutig wie früher. Auch ihr Gesicht veränderte sich. Es war für gewöhnlich sehr schmal, mit hohen Backenknochen und leicht eingefallenen Wangen. Jetzt wirkten ihre Züge etwas verschwommen, fast aufgedunsen. Ihre Kinnpartie war vergröbert, ihr Hals dicker. Außerdem hatte sie braune Flecke auf der Stirn und um die Nase, die früher nicht dagewesen waren.

      „Ich hab den Spiegel in meinem Zimmer zugehängt, Nell“, sagte sie und schnitt eine komische Grimasse. „Wirklich, ich mag mich gar nicht mehr ansehen. Wer das idiotische Gerücht verbreitet hat, daß eine Frau in der Schwangerschaft schöner wird, möchte ich mal wissen. Wenn ich den erwische!“

      „Wahrscheinlich ein Mann, der einen Mutterkomplex hatte“, sagte ich.

      Kirsty kicherte. Ich setzte mich zu ihr an den Küchentisch und trank einen Schluck Kaffee. Ohne die blühenden Geranien wirkten die Fenster irgendwie nackt. Noch vor kurzem war draußen alles so grün gewesen, die Wiesen, Bäume und Hecken; jetzt aber schien die Welt kahl und leer zu werden. Hinter den Fensterscheiben taumelten Blätter durch die Luft. Der Garten war von einem Laubteppich bedeckt.

      Kirsty sah ebenfalls hinaus. „Jetzt fängt der November an“, sagte sie. „Ein trister Monat ‒ puh!“ Sie schauderte leicht. „Was wird eigentlich aus euren Reiterferien, die ihr für den Herbst geplant habt? Haben sich schon Leute gemeldet?“

      Ich erwiderte: „Nein, wir haben’s uns anders überlegt. Du weißt ja, daß es bei uns in Bayern keine richtigen Herbstferien gibt. Allerheiligen haben wir vier Tage schulfrei, das ist alles. Natürlich sind in Norddeutschland Ferien, und der Sachbearbeiter vom Reisebüro, mit dem Mikesch gesprochen hat, meinte schon, daß ein paar Leute nach Dreililien kommen würden. Aber wir müssen schließlich zur Schule, und Mikesch kann unmöglich die ganze Arbeit allein machen.“

      „Da hast du recht“, sagte Kirsty. „Wenn man sich vorstellt, daß zehn oder zwanzig jugendliche von morgens bis abends auf Dreililien herumwuseln und reiten lernen wollen, und Mikesch soll sich um alles kümmern! Nein, das wäre wirklich zu viel verlangt.“

      „Wir könnten ihm kaum helfen, wenn wir erst nachmittags aus Rosenheim kommen und dann auch noch Schularbeiten machen müssen“, stimmte ich zu. „Aber in den Weihnachtsferien geht’s dann los. Herr Wagner vom Reisebüro hat vor zwei Tagen angerufen und gesagt, daß schon fünf Voranmeldungen für die Reiterferien eingegangen sind.“

      „Jetzt schon? Das ist nicht schlecht. Wie viele Gäste wollt ihr denn im Höchstfall aufnehmen?“

      „Mikesch meint, mehr als fünfzehn könnten wir nicht verkraften.“

      „Mit fünfzehn Leuten habt ihr bestimmt alle Hände voll zu tun. Aber wer soll überhaupt auf Dreililien für die Reitschüler kochen und die Zimmer in Ordnung halten? Das kann Frau Moberg doch unmöglich alles schaffen ‒ sie und das Mädchen kommen mit der Arbeit jetzt schon kaum um die Runden. Kein Wunder bei dem riesigen Haus.“

      „Das haben wir uns alles überlegt. Carmen hat schon mit einer Frau gesprochen, die in Mariabrunn wohnt; Hopfwieser heißt sie. Sie ist Witwe und hat nur eine kleine Rente. Ich glaube, sie ist froh, wenn sie zwischendurch für ein paar Wochen arbeiten und sich ein bißchen Geld dazuverdienen kann. Jedenfalls hat sie Carmen gesagt, daß sie während der Weihnachtsferien gern jeden Tag nach Dreililien käme und die Reitschüler versorgte.“

      „Na, wenn ihr euch so gut um alles kümmert, muß es ja klappen!“ Kirsty lächelte plötzlich. „Wenn ich bloß verstehen könnte, wie zwei urbayerische Bauern wie Carmens Eltern dazu kommen, ihrer Tochter einen spanischen Vornamen zu geben! Ein pausbäckiges, rotblondes Mädchen mit oberbayerischem Dialekt ‒ und dann Carmen!“

      Ich sagte: „Ja, bei mir hat’s auch einige Zeit gedauert, bis ich mich daran gewöhnen konnte. Ich glaube, die Bergers haben ihre Hochzeitsreise nach Spanien gemacht. Dabei kam ihnen wohl die Idee mit dem Vornamen.“

      Carmen Berger wohnte in Mariabrunn, nicht weit von Dreililien und dem Kavaliershäusl entfernt. Ihre Eltern hatten am Dorfrand

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