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der aussah, als hätte er ihn von seinen Eltern geerbt, als er von zu Hause auszog, jedenfalls war er nicht ganz neu.

      „Wohnst du schon lange hier?“, fragte sie und nippte an ihrem Glas mit dem starken Drink.

      „Seit fast einem Jahr“, sagte er. „Ich bin letzten Sommer hierhergezogen.“

      Einen Augenblick lang betrachtete sie ihn. Er hatte dunkelblondes Haar und grüne Augen. Etwas Zartes lag in seiner Art sich zu bewegen. Seine weiße Haut und seine ruhige Stimme vermittelten ihr den Eindruck, er sei eine nachdenkliche Person. Ihre Worte wirkten auf ihn ein; sie hatte Zugang zu ihm.

      „Darf ich ein Foto von dir schießen?“, fragte sie und holte aus ihrer Tasche eine kleine Kamera, die sie auf den Tisch legte.

      „Von mir?“, sagte er und lachte.

      „Ja … das ist ein Hobby von mir“, sagte sie und nickte in die Richtung der Kamera. Er befingerte den Apparat.

      „Seltsame Kamera“, sagte er.

      „General Igor Petrowitsch Kornitzky“, sagte sie: „betrat 1982 Mikhail Panfilowitsch Panfiloffs Büro in Leningrad.“

      Max legte die Kamera zurück auf den Tisch und lächelte verwundert.

      „Und in seiner Hand hielt er diese Kamera“, setzte sie fort und nahm sie wieder zu sich. Einen Augenblick lang wippte sie die Kamera in ihren Händen auf und ab, bevor sie deren Identität enthüllte: „Eine Lomo-Kamera.“

      „Eine Lomo-Kamera“, wiederholte Max und ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen, so als hätte sie ihm damit ein merkwürdiges Bonbon gegeben: „Lomo.“

      „Ein simples Stück Mechanik, das heutzutage Kultstatus hat, alleine schon, weil es eben so simpel ist. Kein Bild gleicht dem anderen – alle behalten sich kleine Variationen vor. Ein wenig Unschärfe oder kleine Verzerrungen. Wäre es eine moderne Kamera, würde man ganz klar von einem Fehler sprechen. Aber hier wird der Fehler zur Kunst erhoben.“

      „Man ist also nicht der Herr über das Motiv?“

      „Das kann man so sagen. Die Aufgabe ist es, loslassen zu können.“ Mit ausgestrecktem Arm hob sie die Kamera in die Höhe, richtete sie auf ihn und knipste.

      „So“, sagte sie.

      „Okay“, sagte er. „Dann hoffen wir mal, dass ich drauf bin.“

      „Ja, das hoffen wir“

      Sie erhob sich.

      „Komm!“, sagte sie. „Steh auf!“

      Er nippte kurz an seinem Glas und stand auf.

      „Ja?“

      „Lehn dich an die Wand. So. Streck die Arme zu beiden Seiten aus. Und jetzt sieh mich an.“

      Sie drückte ein paarmal ab, wonach sie ihr Glas nahm und ihm zuprostete. Als er sich setzen wollte, befahl sie ihm, stehen zu bleiben.

      „Schließ deine Augen!“, sagte sie.

      Er gehorchte – lehnte sich zurück an die Wand und schloss mit ausgebreiteten Armen seine Augenlider. Sie betrachtete seinen Körper; er war ein wenig schmächtig, doch seine hervortretenden Sehnen an den Unterarmen wirkten wie Vorboten, die seine diskreten Muskeln ankündigten.

      Er trug ein enges T-Shirt und Jeans. Sie näherte sich ihm und zog sein Shirt ein wenig nach oben; er öffnete die Augen.

      „Nein, schließ die Augen!“, kommandierte sie. „Ich will nur, dass du dein T-Shirt ein bisschen nach oben ziehst. Genau so.“

      Er nahm das Oberteil und hielt es hoch, sodass er einen kleinen Teil seines Bauches entblößte. Sie zog ein wenig an seiner Hose, gerade so weit, dass der oberste Rand seiner Schamhaare herausblitzte.

      „Diesen Bereich hier“, sagte sie und ließ ihre Hand über seinen Bauch hin zu dem krausen Haar gleiten: „Diesen Bereich liebe ich.“

      Sie trat einige Schritte zurück und fing erneut an zu knipsen. Mit geschlossenen Augen blieb er stehen, während sie sich hin und her bewegte, um ihn aus verschiedenen Winkeln einzufangen.

      „Lass uns noch eine Sache ausprobieren“, sagte sie und schenkte mehr Absinth aus. Er öffnete seine Augen und betrachtete sie einen Augenblick lang, worauf er nach seinem Glas griff.

      „Prost“, sagte sie und warf ihm einen eindringlichen Blick zu. Sie nahm ihr Glas und kippte die Flüssigkeit hinunter. Er folgte ihrem Vorbild, verzog jedoch sofort sein Gesicht aus Abscheu über den starken Drink.

      „Leg dich auf den Tisch“, sagte sie.

      Er zögerte einen Augenblick lang, ließ seine Hand nachdenklich über die Tischplatte streichen, bevor er sich entschloss zu gehorchen. Er kletterte auf den Küchentisch und legte sich auf den Rücken. Sie führte die Kamera vor ihr Auge und ließ sie über seinen Körper gleiten, während sie knipste. Als sie, durch die Linse blickend, an seinem Schritt angekommen war, hielt sie inne. Sein Schwanz war nun deutlich unter dem Stoff der Hose zu erkennen. Sie streckte ihre linke Hand danach aus, ließ sie über der dicken Beule schweben und knipste mit der anderen Hand eifrig weiter. Das Motiv war schwindelerregend: Ihre linke Hand, die Herrin seiner Erektion war, griff nach ihm, zog ihn an sich. Sie fühlte das Feuer, das in seiner Hose entfacht war – ihr eigenes Geschlecht pulsierte wie eine Wärmepumpe.

      Sie nahm die Flasche Absinth und setzte sie an seine Lippen; die grüne Flüssigkeit lief an seinen Wangen herunter, während er trank. Dann nahm sie selbst einen Schluck. Das Getränk brannte im Abgang.

      „Komm“, sagte sie und zog ihn ins Schlafzimmer. In der Ecke stand eine kleine Anlage, auf die Pil geradewegs zusteuerte, um sie einzuschalten. Sie drehte die Musik laut.

      „Tanz!“, befahl sie ihm.

      Er sprang in sein Bett und begann erwartungsvoll von einem Bein zum anderen zu schaukeln. Sie blickte durch die Kamera und folgte seinen Bewegungen. Zu ihrer Überraschung begann er sich auszuziehen und wie einen Revolverschuss merkte sie die Wollust durch ihren Körper rasen. Es muss wohl am Absinth gelegen haben, der die beiden nun eroberte und überrumpelte. Eine chemische Reaktion, l'heure vert: Thujone, in den Nerven, die Wurzel der Alraune, gelblich blühender Wermut.

      Pils Finger tanzte auf dem Auslöser der Kamera, während Max nackt im Bett zur Musik tanzend auf und ab sprang, Arme und Beine hüpften mit, der Kopf schlug nach allen Seiten aus, sodass sein strähniges Haar in alle Richtungen zeigte. Sein steifer Schwanz schlug wie ein Trommelstab auf die Bauchdecke, die Musik dröhnte vor sich hin, Tom Waits’ „Hang on St. Christopher“, der grüne Wahnwitz fuhr durch seinen Körper, durch die Arme, die Schultern, die Hüften, die Knie – rhythmisch brach die Musik aus seinem pulsierenden Körper heraus, der Bass und die Trommeln kamen aus dem Inneren.

      Sie legte die Kamera beiseite und begann sich auszuziehen, ohne den Blick von ihm abzuwenden. Sie kam auf ihn zu, stellte das eine Bein auf die Bettkante, zog ihn zu sich, packte ihn am Nacken, vergrub sein Gesicht in ihrem Schoß, ließ ihn mit ihrem nassen Schritt verschmelzen.

      Als sie vögelten, fühlte Pil die Zimmerdecke über sich zusammenbrechen. Nicht wie Zement und Putz, sondern wie elektrische Aale, wie weiche, feuchte Stromstöße; die Körper kämpften, fickten in diesem neutralen Schauer. Ihre Vorderseiten prallten hart aufeinander, während sich Pil wie ein Stempelmotor an seinem steifen Schwanz entlang auf und ab bewegte, tack, tack, tack, die Bauchdecken stießen rhythmisch gegeneinander, sodass die Gedanken in alle Richtungen zersplitterten. Eine große, wild ornamentierte Vase, die gegen einen steinernen Boden geschleudert wird. Pil lehnte ihren Kopf zurück. Die Decke wurde blau, dann grün und zuletzt strahlend weiß, wie ein Schwarm leuchtender Vögel mit flatternden Flügeln. Sie öffnete den Mund und fühlte, wie das Bild gefror.

      Am nächsten Tag fiel der erste Schnee.

      Pil machte sich auf den Weg zurück zum Solitudeweg und dieses Mal zögerte sie nicht. Sie klingelte an der Türsprechanlage und wurde hereingelassen, ohne sich vorstellen zu müssen. Doch als sie oben angekommen war, musste

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