Скачать книгу

schießen. Führe ein solches Resultat nicht auf Hypnose zurück. Es war lediglich das intuitive Wissen auf Seiten des Torhüters. Er wusste, dass der Ball auf einer bestimmten Bahn kommen würde, und er stand dort, um ihn zu empfangen.“

      Auch wenn Robinson sich mit Verachtung über angebliche „Hypnose“ äußert, war er doch abergläubisch. Er bestand darauf, dass man auf die Rückseite jedes Torgebälks einen Nagel einschlug, damit er seine Taschenuhr daran aufhängen konnte.

      Robinsons Empfehlungen beinhalteten im Wesentlichen die Praxis der Antizipation, die Harry Rennie, der für den FC Morton und die schottische Nationalmannschaft das Tor hütete, bereits einige Jahre vor Robinson entwickelt hatte. Sie sind in einem breiteren Kontext zu sehen: Ursprünglich hatte der Torhüter ja als Teil der Mannschaft gespielt, als einer der Hinterleute, dann wurde er von ihnen getrennt. Robinson war jedoch der Meinung, dass der Torhüter sich nicht als abgeschnitten vom übrigen Spiel verstehen durfte. Er sollte nicht einfach abseits vom Geschehen herumlungern und nur dann reagieren, wenn der Ball in seine Richtung kam.

      Robinson empfahl zudem, sich gut zu ernähren. „Iss ordentlich, aber sei niemals gefräßig“, schrieb er. „Verschwende weder Zeit noch Geld in den zahlreichen kleinen Restaurants, die in unseren Städten florieren, zum Ruin der guten Verdauung von vielen. Süßigkeiten, Eiscremes, Gebäck und derlei Kehricht sind keine natürliche Nahrung, und ihr Verzehr ist verbunden mit einer Verstopfung der Muskeln und der Erzeugung von Kurzatmigkeit.“ Andererseits liebte er Milchreis über alles und pflegte den Grundsatz „Kein Milchreis, keine Punkte“, sobald ihm jemand den Rat gab, vor dem Spiel auf sein Lieblingsessen zu verzichten. Beim einzigen Mal, als er es doch tat, bekam er gegen Sunderland elf Stück eingeschenkt.

image

      Für Robinson mochte Mäßigung ein zentraler Punkt gewesen sein, doch es war das Letzte, was man mit dem berühmtesten Torhüter jener Zeit verbunden hätte, mit William „Fatty“ Foulke. Er war ein Mann, der aufgrund seiner Stämmigkeit bis heute eine Legende ist. „Ein Torhüter“, so schrieb Woolwich Arsenals Keeper James Ashcroft, „darf nicht zu viel Fleisch an sich tragen. Man mag nun den großen Foulke als Einwand gegen meine Behauptung vorbringen. Es muss jedoch daran erinnert werden, dass der alte Recke von Sheffield United ein Fall für sich ist. Man könnte 1.000 Männer von Foulkes Fülle nehmen und würde doch nicht einen finden, der sich auch nur einen Augenblick lang mit ihm vergleichen ließe, was Beweglichkeit und schnelles Handeln betrifft.“

      Ganz so einzigartig war Foulke aber gar nicht. Er hatte einen Vorgänger in der (mächtigen) Gestalt Mordecai Sherwins, im Sommer Wicket-Keeper beim Nottinghamshire County Cricket Club und im Winter Torhüter bei Notts County. Sherwin war 1,75 Meter groß und wog etwas mehr als zwei Zentner. Trotzdem beschrieb James Catton ihn in der Athletic News als „sehr behände, ein ebenso schneller Torhüter wie Wicket-Keeper“. Rechtsaußen Joseph Lofthouse von den Blackburn Rovers – obwohl „robust und gewandt“ – wollte es Sherwin mal in einem Spiel so richtig zeigen: „Er rannte gegen ihn und prallte einfach ab. Sherwin sagte: ‚Junger Mann, du wirst dir selbst weh tun, wenn du das noch mal versuchst.’ Lofthouse ließ sich davon nicht abschrecken und ging erneut zum Angriff über. Doch Sherwin wich mit der Schnelligkeit eines Tänzers einen Schritt zur Seite, und der Kamerad aus Lancashire musste erfahren, wie hart der Torpfosten und wie spitz dessen Kanten waren.“

      Trotzdem war es Foulke, der das Bild des übergewichtigen Torwarts prägen sollte. Foulke kam im April 1874 als der uneheliche Sohn von Mary Ann Foulke zur Welt. Er wuchs bei seinen Großeltern in Blackwell in Derbyshire auf und begann sein Arbeitsleben wie die meisten in der Gegend in der Kohlegrube. Bei Blackwell spielte er im Tor. Der Durchbruch gelang ihm in einem Freundschaftsspiel gegen Derby County, bei dem er eine tolle Leistung zeigte, auch wenn er sich bei einer Faustabwehr verschätzte: Er traf Derbys Stürmer John Goodall mitten im Gesicht und schlug ihm dabei beide Schneidezähne aus.

      Derby bot ihm gleich einen Vertrag an. Auf Anraten seines Bruders allerdings, der darauf pochte, dass Foulke sich zieren sollte, um sich so ein besseres Gehalt zu sichern, lehnte er das Angebot ab. Und siehe da: Nachdem Foulkes Talent auch einem Schiedsrichter aufgefallen war, der ein anderes Spiel Blackwells gepfiffen hatte, trat nun Sheffield United an ihn heran. Man bot Foulke fünf Pfund Handgeld und Blackwell für jeden noch verbleibenden Tag der Saison ein Pfund – damals eine enorme Summe Geld. Als Sheffield Uniteds Unterhändler Joseph Tomlinson aus dem Zimmer kam, in dem Foulke den Vertrag unterschrieben hatte, lief er direkt an den Vertretern von Derby County vorbei, die mit einem verbesserten Angebot zurückgekehrt waren.

      Dass er nun Profi war, dämpfte Foulkes Appetit in keiner Weise. 1896 brachte er 95 Kilogramm auf die Waage. 1899 wog er 124 Kilogramm, bis 1902 waren es 143 Kilogramm. Bei seinem Karriereende sollen es fast 178 Kilogramm gewesen sein. Auf Fotografien kann man seinen Wandel von einem strammen Athleten von 1,93 Metern hin zu einem massigen Koloss gut erkennen. Auf Schwarzweißaufnahmen wirkt sein zusammen mit riesigen kurzen Hosen getragenes gestreiftes Trikot von Sheffield United, als wenn er Latzhosen trägt, ganz wie ein grotesk übergroßer Tweedledum, eine dicke englische Cartoonfigur aus jener Zeit. In seinem Bericht über das FA-Pokal-Endspiel 1899, das Sheffield United am Crystal Palace mit 4:1 gegen Derby gewann, beschrieb der Sheffield and Rotherham Independent detailliert „das amüsierte Staunen, als die Londoner die Maße des Mammuts von United begutachteten, während dieses majestätisch auf seinen Platz zwischen den Torpfosten stolzierte“.

      Foulke war vielleicht nicht sonderlich beweglich, dafür aber mit scharfen Reflexen und gewaltiger Kraft gesegnet. So konnte er den Ball weiter fausten und abwerfen, als die meisten Spieler ihn zu schießen vermochten. Außerdem war er ein charismatischer Exzentriker. Die Zuschauer liebten ihn wegen seiner Unberechenbarkeit und weil er ihnen das Gefühl vermittelte, dass er Fußball nicht allzu große Bedeutung beimaß. Sich selbst schien er hingegen schon ernst zu nehmen. Nach dem Finale bekam er von Arthur James Balfour, Sprecher des Unterhauses und bald darauf Premierminister, seine Medaille und erklärte ihm, dass er ihn für ungeeignet für seinen Posten halte.

image

       Das „Mammut von United“: William „Fatty“ Foulke

      Heiterkeit und Kontroversen folgten ihm auf dem Fuß und taten das ihre für seinen Legendenstatus. Im Februar 1897 beispielsweise trat Sheffield United an der Bramall Lane zu einem Freundschaftsspiel gegen Sheffield Wednesday an. Die Partie lockte etwa 6.000 Zuschauer an. Kurz nach der Halbzeit, so berichtete der Sheffield Daily Telegraph, „schickte Brush einen langen Schuss los, der direkt in Richtung des Tores flog, und Foulke sprang in die Luft, um ihn zu halten. Er verfehlte den Ball und umgriff die Querlatte, wobei er sie sauber in zwei Teile spaltete.“ Foulke blieb ausgestreckt auf dem Boden liegen, verheddert im Tornetz. „Eine neue Querlatte musste angefordert werden“, fuhr der Bericht fort, „[…] sehr zur Heiterkeit des Publikums, das sich in sarkastischen Bemerkungen über die zimmermännischen Versuche erging. […] Die erste Querlatte, die man anschleppte, stellte sich als zu kurz bemessen heraus, und eine zweite musste gebracht werden, die man unter lauten Jubelrufen einbaute.“

      Zwei Jahre darauf, während des Burenkriegs, spielte Sheffield United gegen eine Mannschaft aus schwarzen Südafrikanern, die sich auf Tour befanden. Gelangweilt vom fehlenden Betrieb in seiner eigenen Hälfte, stürmte Foulke nach vorne und erzielte zwei Treffer. Und nachdem man in einer Partie gegen Chelsea im Jahr 1905 entschieden hatte, dass die Farben seines Trikots denen der Heimmannschaft zu sehr glichen, lief er in ein weißes Badehandtuch gewickelt auf. 1907 erklärte er in einem Interview mit der London Evening News:

      „Niemand mag Scherze oder Blödsinn lieber als ich. Ich gebe gerne zu, dass ich davon in meiner Fußballkarriere so viel hatte wie die meisten Männer. Aus meiner Sicht gibt es kaum einen besseren Moment für einen Witz als nach einer Niederlage der Mannschaft.

      

      Hatten wir gewonnen, so konnte ich ebenso gut im Eisenbahnwagen schlafen wie alle anderen auch. Dann war alles ruhig und friedlich! Hatten wir aber verloren, dann machte ich es mir zur Aufgabe, den Clown zu spielen. Als wir einmal sehr niedergeschlagen

Скачать книгу