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wuss­te nur so viel, dass die bei­den Of­fi­zie­re mit dem Tier kur­z­en Pro­zess ma­chen wür­den, so­wie sie auf Schuss­wei­te her­an­wa­ren. Ir­gen­det­was muss­te also ge­tan wer­den, und zwar schnell, wenn er das ver­hin­dern woll­te. Kei­ne Be­we­gung des Af­fen deu­te­te dar­auf hin, dass er auch den Rus­sen an­grei­fen wür­de; im­mer­hin war Paw­lo­wi­tsch nicht si­cher, was pas­sier­te, so­wie er sich mit die­sem wil­den Tie­re wei­ter ein­lie­ße. Ob nicht trotz­dem die Bes­tie sich zu wü­ten­dem An­griff auch ge­gen ihn er­hö­be, nach­dem ihr eben erst fri­sches Blut in die Nase ge­stie­gen war? Er zö­ger­te einen Au­gen­blick, doch dann schweb­ten vor sei­nen Au­gen wie­der die Traum­bil­der von Reich­tum und Über­fluss, die die­ser große Men­schen­af­fe zwei­fel­los zur Wirk­lich­keit ma­chen konn­te, wenn Paw­lo­wi­tsch erst ein­mal wohl­be­hal­ten mit ihm in ir­gend­ei­ner Me­tro­po­le der zi­vi­li­sier­ten Welt – viel­leicht in Lon­don? – ge­lan­det wäre.

      Der Ka­pi­tän rief Paw­lo­wi­tsch laut ent­ge­gen, er sol­le bei­sei­te­tre­ten, da­mit er den Af­fen nie­der­schie­ßen kön­ne. Statt des­sen dräng­te sich Paw­lo­wi­tsch nä­her an das Tier her­an und wie­wohl ihm vor Angst die Haa­re zu Ber­ge stan­den, be­zwang er sich und stütz­te sich auf des Af­fen Arm.

      Komm mit, ge­bot er dem Af­fen und such­te ihn mit An­span­nung al­ler Kräf­te aus dem Krei­se der Ma­tro­sen weg­zu­zer­ren, die mit schre­ckens­wei­ten Au­gen da­sa­ßen oder auf Hän­den und Kni­en aus dem Be­reich ih­res Be­zwin­gers da­von­kro­chen.

      Lang­sam ließ sich der Affe bei­sei­te füh­ren, und es war nicht das ge­rings­te An­zei­chen da­für zu ent­de­cken, dass er dem Rus­sen ein Leid an­tun wür­de. Der Ka­pi­tän war in­zwi­schen bis auf ein paar Schrit­te an das selt­sa­me Paar her­an­ge­kom­men und blieb ste­hen.

      Tritt bei­sei­te, Sa­b­rov! be­fahl er. Ich will die Bes­tie dort­hin be­för­dern, wo sie ei­nem bra­ven See­mann nichts mehr an­ha­ben kann.

      Das Tier war nicht schuld an der gan­zen Sa­che, warf Paw­lo­wi­tsch ein. Schie­ßen Sie bit­te nicht! Die Leu­te reiz­ten das Tier – sie ha­ben den Kampf vom Zau­ne ge­bro­chen. Se­hen Sie nur, der Affe ist völ­lig zahm, und – er ist mein, er ge­hört mir, ja, mir ge­hört die­ser Affe! Ich dul­de nicht, dass Sie ihn tö­ten, schloss er, und in sei­nem an­ge­krän­kel­ten Hirn tauch­te wie­der die küh­ne Idee von vor­hin auf. Er be­rausch­te sich förm­lich an dem Ge­dan­ken, dass der Affe ihm in Lon­don Geld ein­brin­gen wür­de, viel Geld, so viel, wie er nie zu be­sit­zen ge­hofft hät­te, wäre ihm nicht die­ser wert­vol­le Affe vom Glück in den Weg ge­schickt wor­den.

      Der Ka­pi­tän ließ sei­ne Waf­fe sin­ken. Die Ma­tro­sen ha­ben das Tier ge­reizt? Stimmt das? forsch­te er. Wie steht es da­mit? wand­te er sich an die Ma­tro­sen, die sich in­zwi­schen vom Bo­den er­ho­ben. Sie hat­ten alle Lehr­geld zah­len müs­sen, aber am schlimms­ten war der dar­an, der den Zu­sam­men­stoß auf dem Ge­wis­sen hat­te, und dem nun sei­ne wun­de Schul­ter eine Wo­che oder län­ger zu schaf­fen ma­chen wür­de.

      Simp­son war’s, sag­te ei­ner der Ma­tro­sen. Er stach den Af­fen mit ei­ner Na­del in den Rücken, und der Affe pack­te ihn. Das ge­sch­ah ihm ganz recht; und dass der Affe uns auch ge­hö­rig an­fass­te, kann ich ihm nicht ver­den­ken, denn wir sind dann alle zu­sam­men auf ihn los­ge­stürzt.

      Der Ka­pi­tän sah Simp­son an, der die Wahr­heit der Aus­sa­ge be­stä­ti­gen muss­te. Dann trat der Ka­pi­tän auf den Af­fen zu; er tat so, als wol­le er sich nun auch selbst ein Bild da­von ma­chen, ob der Affe tat­säch­lich gar nicht bös­ar­tig sei. Da­bei hielt er den Re­vol­ver schuss­be­reit, um im Not­fall das Tier je­den Au­gen­blick nie­der­stre­cken zu kön­nen. In be­gü­ti­gen­dem Tone sprach er auf den Af­fen ein, der jetzt ne­ben dem Rus­sen hock­te und zu­erst die bei­den neu­en Ma­tro­sen be­trach­te­te. Als der Ka­pi­tän im­mer nä­her kam, er­hob er sich halb und hum­pel­te ihm ent­ge­gen. In sei­nen Au­gen lag der­sel­be ei­gen­ar­ti­ge for­schen­de Aus­druck von vor­hin, als er auf die Ma­tro­sen stieß und ih­nen nach­ein­an­der prü­fend in die Au­gen schau­te. Ganz nahe trat er an den Of­fi­zier her­an, leg­te eine Hand auf des­sen lin­ke Schul­ter und starr­te ihm lan­ge mit su­chen­dem Blick in die Au­gen. Und wie­der husch­te ein Aus­druck von Ent­täu­schung über sein Ge­sicht, und so et­was wie ein mensch­li­cher Seuf­zer ent­rang sich sei­ner Brust. Dann wand­te er sich von dem Ka­pi­tän ab und forsch­te in der­sel­ben selt­sa­men Art in den Ge­sich­tern des Steu­er­manns und der bei­den Ma­tro­sen, die mit den Of­fi­zie­ren nach­ge­kom­men wa­ren. Je­des Mal trot­te­te er seuf­zend wei­ter und schließ­lich wie­der zu Paw­lo­wi­tsch, ne­ben dem er sich aber­mals nie­der­ließ. Er zeig­te dar­auf nicht das ge­rings­te In­ter­es­se mehr an sei­ner Um­ge­bung, ja, es schi­en, als habe er den Kampf von vor­hin be­reits ver­ges­sen.

      Als man an Bord der »Mar­jo­rie W.« zu­rück­kehr­te, nahm Paw­lo­wi­tsch den Af­fen mit; es schi­en auch, als sei das Tier ge­ra­de­zu dar­auf er­picht, mit­zu­kom­men. Der Ka­pi­tän leg­te kei­ne Schwie­rig­kei­ten in den Weg; der große Men­schen­af­fe wur­de still­schwei­gend als Pas­sa­gier ge­dul­det. An Bord prüf­te er mi­nu­ten­lang je­des Ge­sicht, und je­des Mal lag wie­der die­sel­be Ent­täu­schung in sei­nen Zü­gen. Die Of­fi­zie­re und See­leu­te an Bord un­ter­hiel­ten sich über das Tier, konn­ten aber kei­ne Er­klä­rung für das selt­sa­me Ge­ba­ren fin­den, mit dem der Affe je­des neue Ge­sicht emp­fing. Hät­te man ihn auf dem afri­ka­ni­schen Fest­land oder auch ir­gend­wo an­ders ein­ge­fan­gen, je­den­falls aber nicht ge­ra­de auf die­ser un­be­kann­ten In­sel, die sei­ne Hei­mat sein muss­te, dann wür­de man der Über­zeu­gung ge­we­sen sein, dass Men­schen ihn frü­her ein­mal ge­zähmt hat­ten. Die­se Auf­fas­sung war aber hier un­halt­bar, weil er doch von die­ser völ­lig un­be­wohn­ten In­sel stamm­te.

      Er schi­en üb­ri­gens be­stän­dig je­man­den zu su­chen, und wäh­rend der ers­ten Tage nach Ab­fahrt von der In­sel fand man ihn oft, wie er in den ver­schie­dens­ten Tei­len des Schif­fes her­um­stö­ber­te. Nach­dem er aber je­des neue Ge­sicht an Bord ge­mus­tert und al­les bis in die ent­le­gens­ten Ecken des Schif­fes aus­ge­kund­schaf­tet hat­te, ver­fiel er in na­he­zu völ­li­ge Teil­nahms­lo­sig­keit. Sei­ne gan­ze Um­ge­bung küm­mer­te ihn nicht mehr; nur für den Rus­sen be­hielt er ei­ni­ges In­ter­es­se, so oft er ihm sein Fut­ter brach­te. Sonst schi­en er den Rus­sen auch nur zu dul­den, denn er leg­te ihm ge­gen­über kei­ner­lei be­son­de­re Zu­nei­gung an den Tag. Im Üb­ri­gen deu­te­te nichts dar­auf hin, dass sei­ne wil­den In­stink­te, die sich da­mals bei dem Zu­sam­men­stoß mit den Ma­tro­sen in sei­nem Zorn so schreck­lich ent­la­den hat­ten, ei­nes schö­nen Ta­ges wie­der er­wa­chen wür­den.

      Und so kam die »Mar­jo­rie W.« schließ­lich nach Eng­land. Die Of­fi­zie­re und Ge­lehr­ten hat­ten Mit­leid mit dem ar­men halb­ge­bro­che­nen Rus­sen, den sie in der Wild­nis auf­ge­le­sen, und entlie­ßen ihn mit ei­ni­gem Geld und den bes­ten Wün­schen für sei­ne und des Af­fen Zu­kunft.

      Im Ha­fen und auf der Fahrt nach Lon­don hat­te der Rus­se mit Ajax sei­ne lie­be Not. Bei­na­he je­den der Tau­sen­de, die un­ter­wegs in sei­ne Reich­wei­te ka­men, such­te der Men­schen­af­fe ein­ge­hend zu mus­tern, wo­bei na­tür­lich nicht we­ni­ge sei­ner »Op­fer« zu Tode er­schro­cken wa­ren. Als er dann of­fen­bar merk­te, dass der, den er such­te, nicht zu fin­den war, ver­fiel er wie­der in eine ge­ra­de­zu

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