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Don Juans Frau. Paul Oskar Höcker
Читать онлайн.Название Don Juans Frau
Год выпуска 0
isbn 9788711445457
Автор произведения Paul Oskar Höcker
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
In den Kaufverhandlungen mit dem Notar erwies sich Hans Kern als recht umsichtig und geschickt. Da die Käuferin bereit war, den Grundstückspreis sofort bar zu entrichten, setzte er eine beachtenswerte Ermässigung durch.
Für Kordula bedeutete der Ankauf eine ausserordentliche Unternehmung. Handelte sich’s doch um den ersten selbständigen Schritt in ihrer Ehe! Ihre Freude, Felix mit dem kleinen Anwesen, sobald das Ferienhäuschen schlüsselfertig dastünde, völlig zu überraschen, war gross. Sie liess aber nicht einmal ihre Mutter daran teilnehmen und schrieb ihr noch kein Wort über ihre Pläne, damit die nicht vorzeitig verraten würden.
Felix indes war ein überlegener Beobachter. Den glücklichen Augen Kordulas, auch ihrer ängstlichen Beflissenheit in diesen Wochen, ganz weltferne Gesprächsthemen heranzuziehen, wenn er bei Tisch ihr gegenübersass, entnahm er, dass etwas Besonderes sie beschäftigte. Sie hatte ein Geheimnis vor ihm? Vermutlich handelte sich’s um ein Weihnachtsgeschenk. Er tat ihr also den Gefallen, gar nichts zu bemerken.
Nur wollte es gelegentlich der Zufall, dass ein für Kordula bestimmtes Notariatsschreiben unter seine Papiere geriet. Daraus ersah er, welch hübsche Überraschung sie für ihn plante.
Er legte am andern Morgen den Brief, sorgfältig wieder zugemacht, seiner Frau unter ihre Post. Und mit der Ungewandtheit eines Taschenspielers, der seine allerersten Kunststücke probt, suchte Kordula das verräterische Schreiben den Blicken ihres Gatten zu entziehen. Felix bewies eine vertrauensvolle Harmlosigkeit, die auf Kordula geradezu rührend wirkte ...
Aber bevor er heute ins Geschäft fuhr, machte er in seinem Selbstfahrer den Umweg über Nikolassee nach Schwanenwerder und sah sich die 1860 Geviertmeter Grund und Boden an, die seine Frau hier erworben hatte. Es war ein ganz reizender Platz für ein Wochenendhäuschen. Und da Hans Kerns Name in dem Schreiben des Notars erwähnt war, folgerte Felix, dass sich Kordula schon ernstlich mit Bauabsichten trug.
Er sprach den Architekten also einmal unter vier Augen auf die Sache an und sicherte ihm von vornherein Verschwiegenheit Kordula gegenüber zu. Hans Kern trug ihm daraufhin die ganze Angelegenheit vor, und Felix gab lachend seinen Segen. Nach kurzer Erörterung waren sie sich über Ausdehnung, Zweck und Form des kleinen Neubaus einig.
„Und jetzt vergessen wir, dass wir darüber auch nur eine Silbe miteinander gewechselt haben! Da steht eine hübsche Aufgabe vor Ihnen, lieber Kern. Vielleicht eine Vorstudie für später — Sie verstehen? — für ein grösseres Stück Arbeit, an dem ich mitgestalten will — und wobei wir uns dann selbstverständlich stärker in die Haare geraten werden!“
Beide lachten.
„Das Hübscheste an dem Häuschen auf Schwanenwerder ist jedenfalls der Gedanke meiner Frau, mich gänzlich Ahnungslosen zu überraschen. Die Freude daran dürfen wir ihr unter keinen Umständen rauben! Sie hat so wenig Freude jetzt.“
Es beschäftigte Felix in der Folge nicht allzusehr, dass zwischen Kordula und Fräulein Fritzi eine Art freundschaftlichen Verkehrs einsetzte. Die Sekretärin wurde ab und zu von Kordula in Abendstunden, in denen sie sonst allein geblieben wäre, zum Tee eingeladen.
Er selber nämlich hielt es in der Tiergartenstrasse nicht Abend für Abend aus. Manchmal empfand er es geradezu als Strafe, dass er sich hatte beschwatzen lassen, in diesen fünf Meter hohen, feierlichen Sälen mit den kostbaren Sammlungen zu wohnen. Die alten Chinaporzellane hasste er jetzt geradezu.
Sitzungen in allen möglichen Ausschüssen riefen ihn; er folgte Einladungen, er machte Feste mit, an denen Kordula aus Rücksicht auf ihre Gesundheit nicht teilnehmen durfte. Widmete er seiner Frau einmal einen ganzen Abend, dann war sie selig. Er bezauberte sie immer wieder durch seine witzigen Einfälle. Manchmal führte er mit ihr eine Szene aus einem Theaterstück auf, das sie gemeinsam gesehen hatten. Er besass das schärfere Gedächtnis und half ihr mit Schlagworten aus, wenn sie sich der Zwiesprache nicht mehr recht entsann. Freilich kam es auch vor, dass er durch seine Einwürfe ihre Aufgabe genau ins Gegenteil verkehrte. Es war eben nicht gegen ihn anzukommen. Doch behielt er sich stets als letzten Trumpf vor, ihr als der eigentlichen Siegerin zu huldigen. Das gelang ihm sogar bei Shakespeares Benedikt und Beatrice.
Dass sie ihm ein liebes, munteres, dankbares Spielzeug war, genügte ihr wie ihm. Sie fühlte sein Mitleid nicht heraus. Er schien ihr so gebefreudig, dass es ihr oft das Herz abdrückte, ihm nicht schon jetzt ihr Geheimnis preisgeben zu können.
An manchem Abend aber, an dem er „draussen in der Welt“ war, hatte sie jetzt Fritzi, mit der sie um so eifriger über den Bau reden konnte. Zuweilen kam dann Hans Kern, um Fritzi abzuholen. Da wurden in der grossen Bücherei auf dem Mitteltisch die Pläne und die Skizzen ausgebreitet, um Einzelheiten durchzusprechen.
Unter Kordulas Schutzherrschaft hatte sich Hans Kern mit Fritzi tatsächlich rasch wieder zusammengefunden. Es ging von Kordula so viel Herzensgüte aus, so viel kindesgläubige Andacht, es lag in ihr so viel innerer Frohsinn, so viel Seelensauberkeit, dass in ihrem Umkreis alles Hässliche schweigen musste. Der junge Architekt war ehrlich verliebt in Fritzi, und er empfand und genoss Kordulas Häuslichkeit, in der er sich mit Fritzi traf, als wirkliches Glück. Er und sein Bruder hatten ja eine elternlose Jugend hinter sich, waren immer nur in fremden Kinderstuben die Überzähligen gewesen.
Es kam vor, dass der Hausherr bei seiner späten Heimkehr auch noch den Professor bei den dreien antraf, den Geiger, der im Musikzimmer klassische Musik mit Kordula spielte.
„Wir haben Sie gar nicht vermisst, Haddendahl“, sagte Artur Kern, als er den Bogen absetzte. „Na, wem haben Sie heute wieder den Kopf verdreht?“ Es schien unmöglich, dem Professor derlei Spässe abzugewöhnen. Als ob er helfen müsste, den jungen Ehemann mitzuerziehen, betonte er: „Wenn man solch ein Juwel zur Frau hat —!“
Dass sein Bruder Hans ihm die hübsche Fritzi weggeschnappt hatte, konnte der Professor kaum begreifen. Er hielt sich für viel begehrenswerter. Voller Staunen aber stellte er fest, dass zwischen seiner zukünftigen Schwägerin und Felix Haddendahl tatsächlich gar keine Liebelei bestand. Er stritt sich mit Kaffeehausbekannten, die es immer wieder behaupteten, in seiner kämpferischen Art lebhaft herum.
Einmal, nach dem Geigenunterricht, als die Begleiterin gegangen war, sprach er auch mit Kordula über das heikle Thema.
Nun konnte Kordula schon darüber lächeln. Sie nahm den Professor, der ein grosser Künstler zwar auf dem Podium, aber nicht im Leben war, überhaupt nicht so recht ernst. Doch sie formte ihre Erwiderung jetzt ganz eigenartig: „Fritzi wird Ihrem Bruder die denkbar beste Frau werden — davon bin ich überzeugt, lieber Professor! Aber ein bisschen schwärmen wird sie für Felix, glaub’ ich, ihr ganzes Leben lang.“
„Nanu! Das lässt sich doch nicht so ohne weiteres vereinigen?“
Kordula musterte ihn mit ihren sinnenden Augen. „Haben Sie nie in Ihrem Dasein für ein Mädel oder eine Frau eine Schwärmerei empfunden?“
„In jedem Konzert, in dem ich auftrete, find’ ich eine Neue, für die ich ganz allein spiele.“
„Diese grosse Unbekannte wird Ihnen die Frau, die Sie einmal heiraten, gewiss auch nicht missgönnen.“
„Oh, ich verheirate mich nie! Dafür bin ich viel zu eifersüchtig veranlagt. Und auch zu unbeständig.“
„Ist das möglich, dass man unbeständig ist — und zugleich eifersüchtig?“
Der Professor sah sie ganz verwirrt an. „Mann oder Frau?“ fragte er.
„Das ist dasselbe.“
Nach längerem Nachdenken, bei dem er den grossen Konzertflügel umschritt, setzte er sich auf eine Notentruhe und begann, das Thema nach seiner Junggesellenauffassung durchzusprechen. Als Künstler beanspruchte er natürlich für den Mann eine bedeutend grössere Freiheit, als er sie der Frau zubilligte.
„Und wenn nun Ihre Frau eine Künstlerin wäre?“
„Ich würde ihr den Hals umdrehen, wenn sie’s wagte ... Nein, als Kulturmensch würd’ ich mich nur von ihr scheiden lassen ... Aber, sehen Sie, deswegen heirate ich eben überhaupt