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Don Juans Frau. Paul Oskar Höcker
Читать онлайн.Название Don Juans Frau
Год выпуска 0
isbn 9788711445457
Автор произведения Paul Oskar Höcker
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er duldete nicht, dass sie noch mit aus den Gang hinauskam. Von draussen steckte er noch einmal den Kopf herein und sagte: „Manchmal find’ ich’s vom Schicksal sehr gemein, mindestens unpraktisch, dass es dir nicht erlaubt, die schrecklich leere Wartezeit jetzt mit einer ähnlichen neuen Hoffnung auszufüllen, wie sie mich im Labor quält. Nein, nicht mehr reden! Sonst denke ich wieder die ganze Nacht an all den Unsinn!“
Einzelheiten aus dem Tagesleben vergass er immer wieder ihr mitzuteilen. Im Atelier, im Laboratorium, im Direktionsbüro der Optischen Anstalt arbeitete er ja unermüdlich. Aber es gab daneben auch ganz lustige Stunden. Seine bedeutend ältere Schwester, die darüber von Edu wohl etwas unvorsichtige Andeutungen hörte, füllte ihr oft genug damit die Ohren. Sie wunderte sich, dass Kordula nicht vor Eifersucht verging.
Für viele galt Felix Haddendahl als echter, rechter Don Juan. Dabei war er äusserlich durchaus keine auf den ersten Blick anziehende Künstlererscheinung. Er war sportgeübt, wendig, fast hager; winters und sommers sah man ihn tagsüber in der Fabrik oder in der Werkstatt — oft auch im Grunewald, wenn er Geländeübungen anstellte — in einem Trainingsanzug, aus dem sein schmaler, kluger Kopf mit den wenig bewimperten hellgrauen Augen und dem ganz kurz geschorenen rötlichen Haar wie nackt auftauchte. Ein spöttischer Zug lag um seinen Mund und gab seinem jungen Gesicht etwas Überlegenes, wenn nicht Herausforderndes oder Abwehrendes. Dass er trotzdem in seiner akademischen Studienzeit viele Herzen geknickt hatte, war bekannt. Die Mädchen, die Frauen liefen ihm nach. Sein Reichtum, sein rascher künstlerischer Aufstieg, das Unglück seiner jungen Frau, die fast nie mehr an seiner Seite zu sehen war, jetzt das grosse Aufsehen, das seine Erfindung nicht nur in Fachkreisen erregte, machten ihn immer wieder zum Tagesgespräch.
Kordula lachte darüber, dass manche in ihm einen eleganten und verwöhnten Salonhelden vermuteten. Für sie war er weit mehr. Er war ein ganz eigener, dabei innerlich wertvoller Mensch.
Es konnte vorkommen, dass irgendeine Bekannte ihr am Fernsprecher den neuesten Klatsch zutrug. Zuckersüss, dabei doch offenbar in der Absicht, sie eifersüchtig zu machen. Frau von Y. sei vorige Woche mit ihm auf einer Autofahrt in Schloss Saarow gesehen worden. Und Fräulein Fritzi, seine Privatsekretärin, habe sich nun plötzlich eine eigene Wohnung am Botanischen Garten eingerichtet.
Kordula besass nicht die Gabe, aus Lust an Sensationen oder Skandälchen hinter ihrem Manne herzuspionieren. Aber das sah sie ihm an, seinem Augenblitzen, seiner ganzen reizvoll jungen Art, wenn er mit den künstlerischen Fortschritten seiner Arbeit zufrieden war. In seiner sprunghaft-lebendigen Redeweise sprach er dann über scheinbar Fernliegendes, das er ihr näherbringen wollte, weil es irgendwie zusammenhing mit gemeinsam Erlebtem. Als Verlobte und Jungverheiratete waren sie aufrichtig verbundene Kampfgenossen gewesen.
Über seine Erfindung redete sie heute früh, weil sie glaubte, es freue ihn, dass auch der Assistenzarzt aus dem Aufsatz in der „Technischen Rundschau“ Bescheid darüber gewusst hatte.
„Bedeutung wie das Lichtbild?“ Da musste er doch lachen. Er ging in seiner immer etwas eilenden Art an der Dreifensterreihe des Vitrinensaals, in dem sie stehengeblieben war, hin und her. „Ja, wenn es darauf ankommt, rasch den Kopf oder die Hand oder den Fuss eines plötzlich bekanntgewordenen lebenden Wesens plastisch wiederzugeben, etwa eines Staatsmannes, einer Tänzerin, eines Renners, eines Sportgenies, eines flüchtigen Verbrechers, einen preisgekrönten Schosshund, oder auch das kleine Modell eines grossen Kunstwerks, einer neuen Maschine. Ich kenne die Grenzen selbst noch nicht. In ein paar Jahren ärgere ich mich vielleicht über die ganze verdammte Mühe, die ich mir damit gegeben habe. Zum Glück passt Schwager Edu mit Argusaugen auf, dass uns die Versuchsabteilung nicht etwa zu kostspielig wird. Ich bin lange nicht töricht genug, um mich ihm zu widersetzen, falls er mir eines Tages ein beschwörendes Halt zurufen sollte. Leid täte mir’s dann nur um die verlorene Zeit.“
Er war neben sie getreten. Sie standen nun am grossen Tiergartenfenster. Kordula spielte mit seiner nervösen Hand, die auf ihrer Schulter lag.
„Deine Zeit ist nie verloren, Felix“, sagte sie. „Wer so mit sich selber ringt wie du, der schreitet vorwärts. Auch wenn es ein Zahlenmensch wie Edu, ein Schrittmesser oder Zeitmesser, nicht mit Ziffern aufzeichnen kann.“
„Du willst wieder Geigenunterricht nehmen?“ fragte er plötzlich. Er wusste selbst nicht, wie er darauf kam.
Sie nickte fast erschrocken oder schuldbewusst. Dann gestand sie: „Ich hatte neulich die alten Violinstücke von Vivaldi wieder vor. Du, es war unerträglich! Vor zwei Jahren gingen sie schon so sicher. Zuerst wollte ich also die Geige dafür verantwortlich machen, aber dann habe ich Artur Kern angerufen, den Professor, und ihn gefragt, ob er mir wöchentlich zwei halbe Stunden Unterricht geben könne. Kern ist so streng, dass ich schon aus Angst vor ihm wieder fleissig üben werde.“
„Und er schwärmt doch noch immer für dich.“
„Meinst du?“
„Unbedingt!“
Er blieb nun noch etwas länger als geplant bei ihr, obgleich der Wagen schon unten stand, und gab ein sprühendes Feuerwerk zum besten, hauptsächlich auf Artur Kerns Kosten, den er als Geiger zwar schätzte, als Weltmann aber äusserst spassig fand.
„Soll ich lieber einen ändern — ?“ fragte sie zögernd.
Er lachte. „Weil ich eifersüchtig werden könnte? Nein, Kordula, ich freue mich! Arbeit ist der schönste Zeitvertreib. Selbst Tonleitern!“ Er nickte ihr zu und ging.
An diesem Tage hatte Kordula den dumm aufpeitschenden Besuch einer Dame, der sie auf dem Bridgeabend ihrer Schwägerin einmal begegnet war. Kordula vergass immer wieder ihren Namen. Sie wusste von ihr nur das eine: dass sie vor Jahren Felix vergeblich schöne Augen gemacht hatte.
Was sie mit ihrem Besuch bezweckte? Zuträgereien. Sie besass eine liebenswürdig-raffinierte Art, ihre kleinen Giftspritzer, Nadelstiche oder Dolchstösse anzubringen. Im Atelier gestern habe sich der Meister verleugnen lassen, er steckte nebenan im Labor. „Aber Fräulein Fritzi kam. Mein Gott, sagte ich mir, jetzt ist es doch gar nicht mehr so heiss, dass man nur ein loses seidenes Kleidchen trägt? Sie ist ja wundervoll gewachsen, zugegeben. Doch wie sie so durch die Gartentür hereinkam und im Türrahmen stehenblieb, in der prallen Sonne, da erschrak ich geradezu; ich glaubte, sie trüge überhaupt nichts auf dem Leibe. Es war aber kein Modell, sondern die Privatsekretärin — doch wohl grundsätzlich die gefährlichste Konkurrenz der Ehefrau, wie?“
Kordula tat ihr nicht den Gefallen, ihre äussere Ruhe zu verlieren. „Das ganze Haus Höllscher schwört auf Fräulein Röggeler. Sie ist meinem Schwager unentbehrlich. Als Nebenbuhlerin empfindet sie meine Schwägerin Lore gewiss nicht.“
„Und Sie selbst. Frau Haddendahl? Ich frage nur, weil es eine so auffallend hübsche Person ist.“
„Andere hat mein Mann nie in seiner Nähe geduldet.“
Die junge Fremde empfand es wie einen Gertenhieb. Hatte Felix sie etwa sitzenlassen, weil sie ihm nicht hübsch genug war? Lächerlich! Sie verabschiedete sich rasch. Vielleicht war ihr Zweck aber doch erreicht, denn Frau Haddendahl war zuletzt sehr blass geworden ...
Kordula blieb eine ganze Weile still am Geigenpult stehen, als sie allein im Zimmer war. Sonnenklar, dass sie künftighin Bridgeabende, an denen sie dieser unangenehmen Person begegnete, nicht mehr mitmachte. Aber der Klatsch über Fräulein Fritzi quälte sie.
Ganz zufällig ergab sich’s an einem der folgenden Tage, dass sie mit der angeblich so gefährlichen Sekretärin ein Gespräch hatte, in dem es zu überraschenden Bekenntnissen kam.
Nach dem Geigenunterricht hatte Kordula den jungen Professor Artur Kern mit der Klavierbegleiterin noch für ein Plauderstündchen bei sich zurückbehalten. Auch Kerns jüngerer Bruder Hans war hinzugekommen,