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Klage.

      Leider bezeichnete das Wort pimp (»Zuhälter« oder, mit dem zeitgemäßen Wort, »Kuppler«), das damals wie heute Vorstellungen von der Niedertracht und Unbarmherzigkeit des Abschaums der Menschheit heraufbeschwört, unterschiedslos alle Männer, die »Frauenzimmern Gesellschafter vorstellten«. Auch wenn die Beurteilung des Autors E. J. Burford im Allgemeinen zutrifft, der die Zuhälter aller Epochen als »böse, herzlose, gemeine Kreaturen ohne jedes positive Merkmal« beschreibt – »erbärmliche Männer, die auf Kosten erbärmlicher Frauen leben« –, fällt doch der »Kuppelkellner« des 18. Jahrhunderts ein wenig aus diesem verbreiteten Bild heraus. So wie die Prostituierten den unterschiedlichsten Kategorien zugehörten, gab es auch unter den Zuhältern Abstufungen. Nicht jeder Lude war ein brutaler Schläger, der in dunklen, dreckigen Gassen lauerte. Die unter der Fassade des Kellnerns betriebene Kuppelei – damals sprach man auch von der »Hurenwirtschaft« oder Maquerellage (pandering) – war bemüht, sich zumindest des äußeren Anscheins des Hässlichen zu entledigen. In jedem Fall war Harrison zu der Überzeugung gelangt, dass am bloßen Zusammenbringen zweier williger Parteien nichts sonderlich Schlimmes sei. In späteren Jahren sollte er (oder jedenfalls »Jack Harris«) argumentieren, als Kuppler eben nur genau dies und nicht mehr getan zu haben. Das sei an sich, wie er schloss, nichts wofür er sich »hätte schämen müssen«.

      John Harrison musste nicht aktiv danach streben, Zuhälter zu werden. Vielmehr war der Handel mit Sex eine Berufung, die sich ihm ganz von selbst eröffnete, sobald er einmal seine Kellneraufgaben übernommen hatte. Hierbei war es sein Glück, dass sich diese Beschäftigung so gut in seine Lebensumstände einpasste. Viele der jungen Frauen, die das Bedford Head frequentierten, hatte er wohl schon in der Kindheit als Nachbarinnen und Spielkameraden gekannt. Die Töchter der notleidenden Familien des Kirchspiels, die in den umliegenden Häusern lebten oder als Dienstmädchen oder Marktfrauen auf dem Platz arbeiteten, waren vielfach auch jene Mädchen, die sich später verkauften, um ihr Brot zu verdienen. Die Geschichten von ihrem Eintritt ins Freudenleben gehörten zum gängigen Kneipengeplauder; Harris könnte sogar im direkten Gespräch von ihrer Situation erfahren haben. In vielen Fällen wird er mit den Eltern oder Geschwistern dieser Frauen bekannt gewesen sein, und nicht minder wahrscheinlich ist es, dass er ihre Verführer und später ihre zahlenden Unterhalter persönlich kannte. In Harrisons Ohren muss der Klatsch des ganzen Viertels widergehallt haben – wessen Tochters Bauch neuerdings eigentümlich rund erschien, oder wer mit der Hand unterm Rock der Küchenmagd ertappt worden war. Sicherlich hatte er einen besseren Überblick darüber, wer »von Franzosen angesteckt« war (also die Lustseuche Syphilis hatte) als die meisten Freier: wertvolle Informationen für einen Zuhälter. Wann immer Harrison mit dem »Bekanntschaftenvermitteln« angefangen haben mag, sich selbst auch als Kuppler zu verstehen begann er jedenfalls erst um 1751, kurz bevor er sich den Decknamen Jack Harris zulegte.

      So leicht es gewesen sein mochte, im Gasthaus seines Vaters in dieser Funktion zu reüssieren, seinen berüchtigten Namen hat sich John Harrison noch nicht im Bedford Head gemacht. Das Schicksal hatte eine andere Lokalität für ihn ausersehen. 1753 veränderte irgendein Ereignis den Lauf seines Lebens und katapultierte ihn aus der vertrauten Umgebung der Maiden Lane in eine völlig neue Sphäre. Wir wissen nicht, ob George Harrison gestorben war oder vielleicht schlecht gewirtschaftet hatte – 1754 war er jedenfalls nicht mehr der Besitzer des Etablissements, in dem John seine Jugend verbracht hatte. Was aus den übrigen Familienmitgliedern geworden sein könnte, wo sie lebten und welchem Broterwerb sie fortan nachgingen, bleibt ein Rätsel. Nur John entschied sich, in Covent Garden zu bleiben, an jenem Platz, den er vielleicht stärker als der Rest der Familie als seine Heimat begriff. Nun, da sich die Familienbande des väterlichen Unternehmens gelöst hatten, lag seine Zukunft woanders. Zum Glück musste er nicht weit reisen, um seine neue Bestimmung zu finden. Im östlichen Eck der Piazza, unter einem bunt verzierten Schild, befand sich die Shakespear’s Head Tavern.

      Kapitel 3

      Der irische Dichter

      Ähnlich wie die derben Kaschemmen und rauen Hintergassen von Covent Garden John Harrisons Charakter früh ihren unauslöschlichen Stempel aufgedrückt hatten, sollten bei einem anderen jungen Mann die Theater und Bücherstände Dublins ihre Spuren hinterlassen. Ungefähr um die Zeit, da der jugendliche Harrison den Gästen des Bedford Head ihre Bierkrüge auftrug, schrieb ein bessergestellter irischer Schuljunge fieberhaft Reimpaar um Reimpaar nieder. Schon im zarten Alter von dreizehn hatte Samuel Derrick entschieden, Dichter zu werden. Kein zweitklassiger Federfuchser oder Verfasser niedriger Trivialwerke, sondern jemand, dessen Name an der Seite von Jonathan Swift und William Congreve ins Pantheon der anglo-irischen Literatur eingehen würde. Seine Lehrer sowie »etliche geistreiche Männer der gebildeten Welt« hatten in seinen frühen Arbeiten durchaus vielversprechende Ansätze entdeckt. Einer von ihnen, Swifts Verleger George Faulkner – und womöglich ebenso der berühmte Dichter höchstselbst –, war voll des Lobes gewesen. Diese »geistreichen Männer« konnten nicht ahnen, dass ihre frühe Billigung eine Folge von Ereignissen anstoßen sollte, die Samuel Derrick weitab von seinem vorgezeichneten Pfad führen würde.

      Für das Leben, das andere für ihn vorgesehen hatten, war das Verseschmieden sicherlich keine erforderliche Fertigkeit. Seine Tante, zugleich sein Vormund, die respektgebietende Witwe Mrs. Elizabeth Creagh, hatte beschlossen, aus ihrem Neffen einen Tuch- und Textilhändler zu machen. Als sein vierzehnter Geburtstag und damit das Ende seiner regulären Schulerziehung immer näher rückte, begann Sam zunehmend nervös zu werden. In wenigen Monaten war es Zeit, seine geliebten Lateingrammatiken und griechischen Texte, die Geschichtsbücher und Werke der französischen Literatur, in die er sich so lernbegierig vergraben hatte, wegzuräumen. Stattdessen würde man ihm dicke Geschäftsbücher voll stumpfsinniger Abrechnungen vorlegen, und das Befühlen von Leinen und Prüfen der Tuchqualität sollte an die Stelle seiner wahren Leidenschaften treten. Sein Lehrherr würde ihm Vorträge über die Wunder der Bleichkunst sowie über Transportkosten halten und ihn in all den kleinen Feinheiten der Leinenbörse unterweisen: wie man blendet und schachert, wen man anständig zu bezahlen hat und wen man rupfen kann. Bis er selbst ein fertig ausgebildeter Meister seines Fachs war, würde er sieben Jahre lang an einen Tuchhändler gebunden sein, sieben Jahre unter dem Dach eines Fremden wohnen, der jede seiner Bewegungen beobachten würde, der ihm den Ausgang verbieten konnte, übermäßigen Alkoholgenuss und den käuflichen Verkehr mit dem anderen Geschlecht. Für die Literatur gäbe es da keine Zeit und keinen Bedarf mehr, weder für die behäbigen Folianten eines Joseph Addison oder Alexander Pope noch für eigene Geistesschöpfungen.

      Als er merkte, wie ihm seine letzten freien Schulknabenmonate unter den Händen zerrannen, verfiel er in ein manisches Schreibfieber, in der Hoffnung, dass ihm einmal etwas Veröffentlichungsreifes gelingen könnte. Er begann, lyrische Bearbeitungen der Psalmen zu verfassen, und zeigte sich auch vom Werk des irischen Autors Philip Skelton stark beeindruckt, von dessen »Truth in a Mask« er sich zu eigenen Versen inspirieren lassen sollte.

      Noch zu unerfahren, um über die Freuden der Liebe und die Geheimnisse der Frauen ins Schwärmen zu geraten, brachte Samuels jugendliche Feder eine moralisierende Allegorie hervor: »The Caterpillars; a Fable«. Zwischen seinen predigenden Zeilen, die einer ungestümen Raupe, welche nicht auf etwaige Schmetterlingsflügel zu warten gewillt ist, zur Geduld raten, bietet das Gedicht freilich auch eine alarmierende Kostprobe von Sams eigenen heimlichen Gefühlen:

      Teach fools such fancies to believe,

      Me with such flams you’ll ne’er deceive;

      Content with smaller joys, I chuse

      To live, nor real pleasures lose

      For doubtful hopes, nor shall abstain,

      But quick the leaf alluring gain;

      And wherefore should I thus delay,

      When instinct kindly points the way?

      Farewel, fond dupe to fortune’s pow’r –

      ’Tis mine t’improve the present hour.

      Lehr’ Narren zu glauben solch’ Grillen und Lügen,

      Dein Schwindel wird mich doch niemals betrügen;

      Zufrieden

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